Ergebnis 1 bis 8 von 8

Thema: Rückmarsch von Gefangenen der Festung Graudenz in den ersten Maitagen 1945

  1. #1
    Forum-Teilnehmer
    Registriert seit
    23.03.2021
    Beiträge
    1

    Standard Rückmarsch von Gefangenen der Festung Graudenz in den ersten Maitagen 1945

    Ich bin unsicher, ob ich mit meiner Frage in dieser Rubrik richtig bin. Aber ich fand keine passendere. Also: Ich wüsste gerne, ob es richtig ist, dass in den ersten Maitagen 1945 ca. 700 Gefangene des sowjetischen Lagers Graudenz zurück nach Danzig geführt wurden - mutmaßlich begleitet von sowjetischen Soldaten -um dort freigelassen zu werden. Das Ganze soll auf Wunsch der Amerikaner - oder sogar des Völkerbunds? - erfolgt sein. Weiß jemand näheres davon? Mein Interesse rührt daher, dass mein Vater, der ehemalige Direktor der Danziger Gudrun-Schule Kurt Weisgräber, vermutlich auf diesem Marsch dabei war und dabei erschossen wurde.

  2. #2
    Forum-Teilnehmer Avatar von waldling +6.8.2023
    Registriert seit
    04.09.2011
    Beiträge
    2,286

    Standard AW: Rückmarsch von Gefangenen der Festung Graudenz in den ersten Maitagen 1945

    Moin, Dagmar,

    wird wohl schwierig werden, deine Fragen ohne Archivanfragen zu beantworten. Siehe hier seit 351:

    "Bis heute, fast 50 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, lassensich keine zuverlässigen Angaben über die Zahl der zwischen 1945 und1950 in den Speziallagern des MWD festgehaltenen Menschen machen undnicht feststellen, wieviele zuvor in der „Untersuchungshaft“, auf Transportenund in den Lagern verstorben sind. Die Gründe hierfür sind die chaotischenVerhältnisse bei der Besetzung durch die Sowjetarmee und die völligeGeheimhaltung aller mit den Speziallagern zusammenhängenden Fragen durchdie Sowjetunion."
    http://www.gulag.memorial.de/pdf/finn_speziallager.pdf

    Beste Grüße
    Uwe

  3. #3
    Forum-Teilnehmer Avatar von sarpei
    Registriert seit
    17.12.2013
    Beiträge
    5,555

    Standard AW: Rückmarsch von Gefangenen der Festung Graudenz in den ersten Maitagen 1945

    Moin, moin, miteinander,

    zumindest ist auf der Karteikarte der Heimatortskartei Danzig-Westpreussen vermerkt, dass Kurt Weißgräber im Lager Graudenz verstorben ist.

    In der HOK müsste unter der Anschrift Zimmererstr. 3 nachgeschaut werden.

    Mich würde noch interessieren, woher die Information stammt, dass möglicherweise noch vor der Kapitulation Lagerinsassen freigelassen wurden. was sollen die Amerikaner damit zu tun gehabt haben?

    Eventuell lohnt sich ein Kontakt mit einer Stelle, die Berichte von Flüchtlingen/Vertriebenen archiviert hat ... .


    Viele Grüße

    Peter

  4. #4
    Forum-Teilnehmer Avatar von waldling +6.8.2023
    Registriert seit
    04.09.2011
    Beiträge
    2,286

    Standard AW: Rückmarsch von Gefangenen der Festung Graudenz in den ersten Maitagen 1945

    Moin, Dagmar,

    hier ein Hinweis:
    "Im Dezember 1992 beginnen schließlich die Arbeiten im Zentralarchiv des Föderalen Sicherheitsdienstes der Russischen Föderation. Schon kurze Zeit darauf stehen dem DRK-Suchdienst erste Informationen zur Verfügung."
    https://www.drk-suchdienst.de/wie-wi...-speziallager/

    Die Heimatortskartei kannst du nach kostenloser Anmeldung nutzen:
    https://www.google.de/url?sa=t&rct=j..._ERzB7AJy3J-DF

    Hier die Kartei deiner Familie:
    https://www.familysearch.org/ark:/61...206&cat=232907

    Da Peter (vielen Dank) schon die Adresse nannte, spricht wohl nichts dagegen die direkte Verlinkung hier anzugeben.

    Gruß
    Uwe

  5. #5
    Forum-Teilnehmer
    Registriert seit
    22.06.2008
    Beiträge
    328

    Standard AW: Rückmarsch von Gefangenen der Festung Graudenz in den ersten Maitagen 1945

    Hallo Dagmar ,
    Deine Vermutung , daß von russischer Seite ein Rücktransport von Gefangenen des Lagers Graudenz im Mai 1945 vorgenommen wurde , kommt mir sehr unwahrscheinlich vor ,
    Mein Vater war ebenfalls im Lager Graudenz interniert . Er war wegen seiner Herzkrankheit nicht beim Militär und wurde - wie nahezu alle deutschen Männer zwischen 15/16 und 60 Jahren - von den Russen 1945 festgenommen .
    Er erzählte nach seiner Rückkehr ( im Jahre 1948 aus polnischer Zwangsarbeit ) folgendes :
    Alle Männer wurden nach der Festnahme in Danzig zunächst in Ohra ( er nannte auch Matzkau ) verhört . Wer sagte , daß er Mitglied irgendeiner Nazi-Organisation war , wurde sofort zur Wiederaufbauhilfe in die Sowjetunion geschickt . Es gab bei diesen Verhören - bei denen zum Teil auch polnische Vertreter teilnahmen - auch Ausnahmen zum vorläufigen Verbleib dieser Männer in Danzig . Seitens der Sowjets wurden zumeist die Männer zurückbehalten , die vorrangig auf der Danziger Werft gearbeitet hatten , vor allem im Bereich der U-Boot-Produktion .
    Der polnischen Seite wurden die Personen ausgesondert , die beim Wiederaufbau der Infrastruktur ( E-Werke , Wasserwerke , Telekommunikatio , usw. vorerst benötigt wurden .
    Alle übrigen Personen mußten den Fußmarsch nach Graudenz antreten . Wer unterwegs nicht weiterkonnte , wurde erschossen und blieb am Straßenrand liegen .
    Die Lagerbedingungen im sowjetischen Lager in Graudenz waren katastrophal und es setzte ein Massensterben ein , vor allem , als die Cholera ausbrach .
    Im Herbst 1945 - mein Vater meinte , sie hätten die Mitgliedslisten der Nazi-Organisationen gefunden - fand im Lager Graudenz eine erneute Kontrolle der Russen statt . Wer bei dieser Kontrolle zuvor eine Mitgliedschaft verschwiegen hatte , wurde danach in Richtung Osten auf den Weg gebracht .
    Mein Vater erhielt danach seine Entlassungsbescheinigung und wollte zu Fuß nach Danzig zurücklaufen , denn eine Fahrt mit dem Zug war für Deutsche verboten . Weit kam er nicht . Schon ein oder zwei Tage später wurde er von der Miliz festgenommen , seine Entlassungspapiere wurden zerrissen und er gründlich verprügelt . Dann wurde er von der Miliz in das Zwangsarbeitslager Potulitz / Potulice gebracht , wo er sich bis 1948 befand .
    Durch seine Krankheit , vor allem aber auch der unglaublichen Behandlung in den Lagern verstarb er im Alter von 53 Jahren .

    Ich glaube absolut nicht daran , daß es weder einen Wunsch der Amerikaner noch eine Einschaltung des Völkerbunds gab , irgendwelche Sonderregelungen für Deutsche zu arrangieren .

    So jedenfalls , wie mein Vater die damalige Situation beschrieben hatte , habe ich es auch von anderen Personen aus dieser Zeit gehört .

    Auf jeden Fall wünsche ich Dir ein frohes Osterfest und bleibe gesund - Rudi

  6. #6
    Forum-Teilnehmer Avatar von waldling +6.8.2023
    Registriert seit
    04.09.2011
    Beiträge
    2,286

    Standard AW: Rückmarsch von Gefangenen der Festung Graudenz in den ersten Maitagen 1945

    Hier noch ein Hinweis auf Erschießungen in Graudenz:

    "Am 9. Mai ......Nach ein paar Tagen sind wir in Marschkolonnen zum Güterbahnhof von Graudenz gebracht worden. Dazu mussten wir durch eine Straße im Altstadtgebiet. Und plötzlich haben Polen das Feuer auf die Kolonne eröffnet. Einige deutsche Soldaten sind erschossen worden, andere wurden verletzt. Aber der Russe hat kurzen Prozess gemacht, sofort zurückgeschossen. Dann haben sie Polen aus den Wohnungen geholt, um den Zug wieder aufzufüllen. Damit die Zahl stimmte."
    https://www.t-online.de/nachrichten/...rurteilt-.html

  7. #7
    Forum-Teilnehmer Avatar von waldling +6.8.2023
    Registriert seit
    04.09.2011
    Beiträge
    2,286

    Standard AW: Rückmarsch von Gefangenen der Festung Graudenz in den ersten Maitagen 1945

    Moin zusammen,

    hier eine hörenswerte Beschreibung von Dagmar (hab allerdings erst 5 Minuten gehört), wie ich finde. Schade, dass Dagmar sich nicht mehr meldet bzw. bisher nicht mehr gemeldet hat.
    http://www.dagmar-scherf.de/download...mar_Scherf.mp3

    Gruß
    Uwe

  8. #8
    Danzig42

    Standard AW: Rückmarsch von Gefangenen der Festung Graudenz in den ersten Maitagen 1945

    6.2.22 An die lieben Menschen, die auf meine Anfrage geantwortet haben: Entschuldigt ersteinmal, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Das liegt daran, dass ich Null Erfahrung mit solchen Internet-Podien habe. Irgendwie dachte ich, dass ich per E-Mail Nachricht bekomme.. Also: Herzlichen Dank für all Euer Bemühen!
    Ich will vor allem begründen, wie ich darauf komme, dass es April/Mai 1945 einen Gefangenen-Rückmarsch von Graudenz nach Danzig gab. Dazu zitiere ich hier aus zwei Briefen an meine Mutter:

    Edith Siedler, Brief an meine Mutter: 3.5. 46
    Nach langer Irrfahrt erreichten mich vor wenigen Tagen Ihre Zeilen. ..
    Ich will Ihnen nun schreiben, was mir aus den Berichten meines Vaters über den Tod Ihres Gatten, meines lieben langjährigen Lehrers bekannt ist. Ich habe meinen Vater nur einmal ganz kurz hinter Stacheldraht sprechen können, unter Lebensgefahr kann man sagen. Mein Vater berichtete mir folgendes: Zusammen mit Ihrem Herrn Gemahl hat er jenen furchtbaren Leidensweg nach Graudenz antreten müssen. Von dort hat man alle wieder zurückgetrieben. Auf dem Wege von Graudenz nach Danzig ist Ihr lieber, gütiger Gatte von den furchtbaren Leiden erlöst worden. Soweit mir bekannt ist, war Ihr Gatte nicht an Ruhr erkrankt, wie Sie es Schreiben, der Hunger und die Qualen jenes Todesmarsches brachten ihn um seine Kräfte und ließen ihn früher als meinen Vater in das selige Reich jener anderen Welt ziehen. Vielleicht ist es doch gar nicht so hart, wenn Sie erfahren, daß Ihr Gatte sich nicht lange gequält hat, er wurde durch eine Kugel schnell erlöst.

    Dr. Röskau (Arzt und Gefangener in Graudenz) 16.12. 47
    Ich bin am 26. April 45 aus dem Graudenzer Lager entlassen worden. Bis zu dieser Zeit war Ihr Gatte noch rüstig, wenn auch nach einer Ruhr, die keinen verschont hatte, ziemlich geschwächt. Ich hatte gerade an dem Ergehen des Schuldirektors meiner beiden ältesten Töchter und des Freundes meines Schwagers Kirchner ein besonders warmes Interesse und ich konnte von der Sanitätsbaracke aus einiges zur Erleichterung seiner Lage tun, oft auch zusätzliches Essen verschaffen. Nach einer starken Depression während der akuten Ruhr erholte er sich wieder und wurde auch wieder zuversichtlich und gefaßt. Wir hatten häufig Aussprachen miteinander, die uns gegenseitig aufrichteten. Um so erschütterter war ich, als ich später von dem Tode auf dem Heimmarsch nach Danzig erfuhr. Dieser Rückmarsch erfolgte in den letzten April- und ersten Maitagen, während ich zwar einige Tage früher entlassen wurde (durch das Eingreifen meiner Frau), durch eine neuerliche Gefangennahme erst später in Danzig eintraf.

    Dass es eine vom Völkerbund mit den Russen ausgehandelte Gefangenen-Rückführung war, erzählte meiner Schwester und mir eine Frau am letzten Abend im Danziger Hotel 1996. Dummerweise notierten wir uns keinen Namen und keine Adresse.

    Ich werde jetzt Eure Reaktionen aufmerksamer verfolgen.
    Übrigens habe ich mehrmals beim DRK-Suchdienst angefragt und immer nur die Nachricht bekommen, mein Vater sei im Lager Graudenz gestorben.

    Nochmals vielen Dank
    von Dagmar42

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Stichworte

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •