Hier ein etwas älteres Streiflicht, das ich schrieb als ich auf Urlaub bei meinem Freund Zbyszek in Fürstenwerder war. Damals reifte mein Entschluss, ins Werder zu gehen...
Ein Hafenkonzert
Donnerstag, 05. September 2002
Es ist früher Vormittag. Ich will hinunter zu Zbyszeks kleinem Hafen an der Elbinger Weichsel (Szkarpawa). Mich hinsetzen, ein wenig entspannen, das Wasser, die Landschaft in mich aufnehmen. Idyllisch angelegt, von Weiden umgeben, versteckt sich ein malerisches Ruheplätzchen mit Tisch und Bänken, gezimmert aus etwa acht Zentimeter dicken Bohlen. Das Hafenbecken ist befestigt mit senkrecht in den sandigen Schlick gerammten Pfählen, die untereinander mit starkem Rutengeflecht verbunden sind. Im Schatten einer Weide ein graublauer Kahn, gesichert mit Kette und Vorhängeschloss. Etwas Wasser steht in ihm – vor ein paar Tagen hat es erstmals in diesem langen heißen Sommer nächtens geregnet. Ich betrete den Bootssteg an dem die Santa Maria vertäut liegt. Die aufsteigende Sonne und die sich im Wind wiegenden Weiden werfen ein phaszinierendes Schattenspiel auf das weiße Deck der Segelyacht. Hier ist es das Schilf, das zarte Grundmelodien anstimmt. Die warme Luft streicht darüber, entlockt Rohr, Blättern und Rispen ein sanftes Rauschen, das anschwillt und abklingt, das sich verstärkt und leise abebbt. In diese Melodie fallen ein das Tschiepen über den Fluss jagender Schwalben, das Platschen hochspringender und dann wieder ins Wasser abtauchender Fische, das tiefe Quaken eines Teichfrosches, das Flügelsirren am Schilf verharrender Königslibellen, der Schrei der Kreise ziehenden Seemöwe, das Krahkrah eines hochfliegenden Rabenvogels, das Zirpen, Pfeifen, Flöten, Zwitschern unzähliger Singvögel.
Die Natur gibt mir ein Konzert. Mir alleine! Ich lausche, schließe die Augen, lasse mich von Wind und Sonne umschmeicheln. Die Natur hat diese Symphonie, diese harmonische Klangvielfalt für mich alleine komponiert und angestimmt. Ich gebe mich Mutter Natur hin, lasse meinen Gedanken freien Lauf, öffne wieder die Augen, stelle fest, es ist nicht nur ein überwältigendes Konzert, es ist auch ein Naturschauspiel inmitten einer einzigartigen Kulisse.
Nachwort: Zbyszek sagte mir gestern, er besäße schräg gegenüber, auf der anderen Seite des Flusses, direkt am Wasser, noch einmal 2.500 Quadratmeter Land. Mit einer ausholenden Handbewegung umriss er das Gebiet. "Da drüben, angefangen bei dem hohen Baum, bis dorthin, wo sich die Weiden über das Wasser neigen". Meine Augen glänzten. Zbyszek schaute mich prüfend an, nickte bestätigend mit dem Kopf. "Wolf, dort drüben sind sehr nette Nachbarn. Eine Zahnärztin und ein im Augenblick in Finnland lebender Diplomat."
"Wolf", strahlte er mich plötzlich an, "Wolf, willst Du das Grundstück nicht haben.....???"