Der folgende Beitrag wurde von meiner Mutter im November 2006 in unserem Vorgängerforum "Danzig-L" geschrieben:


Mit den ersten Schneeflocken, Mitte Dezember, fing auch bei uns zuhause die große Backzeit an. Der Pfefferkuchenteig wurde angesetzt und musste mindestens 2 Tage ziehen. Dann wurde der Teig getrennt. Für die Thorner Katharinchen. Steinpflaster Pfefferkuchenmänner und -frauen (40 cm groß) wurden entsprechende Zutaten zugegeben und einzeln gesondert dann gebacken.Der Herd war aus Kacheln, riesig groß und man musste ihn zum Backen in einem gesonderten Fach, extra anheizen. Und dann durch zog ein unbeschreiblicher Duft durch das ganze Haus den ich nie vergessen werde!!!!

Aber das ist noch nicht alles. Damals, ich war 8-9 Jahre alt, gingen wir Kinder durch die Hauptstraße in Langfuhr beim Feinkostladen Fast vorbei. Da hingen Hasen, Rebhühner und anderes Wildgetier draußen vor dem Laden. Es gab Orangen und andere exotische Früchte von denen wir nur träumen konnten. (Aber zu Weihnachten bekamen wir eine Orange)! Weiter ging es dann an an Leiser vorbei (jüdischer Schuhladen) an einen wunderschönen Spielzeugladen, an dem wir uns die Nasen platt drückten, um unerreichbare Träume zu bestaunen. Aber dann ging es zu dem jüdischen Kaufhaus Sternfeld. Und die machten wahrhaftig Kinderträume wahr. Diese Märchenbilder im 1. Stock die zur Weihnachtszeit dort gezeigt wurden sind mir unvergessen und begleiten mich noch heute!!!! Natürlich hatten wir Kinder damals kaum Geld. Aber so 4-5 Dittchen hatten wir gespart. Und da musste genau überlegt werden worüber sich die Elten freuen. Aber wir haben immer was gefunden!!!!

Zuhause hing der selbstgewundene Adventskranz mit den roten Kerzen und es war jedesmal ein Fest wenn die Lichtlein eine nach der anderen im Dunkeln im Wohnzimmer angezündet wurden. Inklusiv mit Bratäpfeln die in der Röhre im Kachelofen schmorten und ein bis zwei Pfefferkuchen. Aber das war nicht alles. Am Morgen, wenn wir Löcher in die vereisten Fensterscheiben hauchten um zu sehen ob es geschneit hat wussten wir auch ob das Wetter zum Schlittenfahren taugte. Wenn ja ging es nach Schulende zu der Zinglers Höhe (wir wohnten in Johannistal) und dann bis es dunkel wurde, wurde geschlittert!!! Und dann zuhause gab es Bratäpfel mir Zucker und Zimt. Nicht vergessen will ich Nickolaus!!! O je - was haben wir die Schuhe poliert und am nächstem Tag, ganz früh, nachgeschaut was er gebracht hat. Was haben wir Topflappen gehäkelt oder Kaffeeuntersetzer aus Perlen zusammen genäht. Überall wurde geraschelt, versteckt, gehämmert, gebastelt. Alles war voller Spannung und geheimnisvoll. Mutter beschäftigte sich mit dem Königsberger Marzipan, Vater war im Keller beschäftigt. Egal was mir jemand sagt. Wir waren nicht reich an Geld. Aber reich an Wärme und Geborgenheit.

Ich wünsche Euch allen eine wunderschöne Vorweihnachtszeit.
Ruth aus dem schwäbischen Freudental