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Thema: [Vogelsang / Skowronki] Von der Versippung Vogelsangs

  1. #1
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    Standard [Vogelsang / Skowronki] Von der Versippung Vogelsangs

    Aus "Unser Danzig", 1958, Heft Nr.15, vom 01.08.1958, Seite 16-17:

    Von der Versippung Vogelsangs
    Wer war mit wem verwandt?
    von Hans Werner

    Gehen wir weiter ins Dorf hinein, das Haff entlang, so kommen wir wieder an Häuser, die sich zusammengelagert haben, einmal drei, ein andermal sechs, als wollten sie in dieser Einsamkeit aneinander Schutz haben. Fragen wir nun einmal nach den Namen der Bewohner, dann tönt uns entgegen: Wellm, Wellm, Wellm, Modersitzki, Modersitzki, Modersitzki, Popall, Popall, Popall. Mit diesen drei Namen ist die Hälfte des Dorfes erfasst. Nehmen wir noch drei dazu: Bandeck, Kohnke, Harder, dann wissen wir von drei Vierteln der Einwohner den Namen. Die anderen Namen kommen vereinzelt vor.
    Zeigt sich darin nicht eine große innere Verwandtschaft? Dazu einige Zahlen: Seit 1730 lebten (bis 1940) in Vogelsang 1804 Menschen. Davon sind in Vogelsang selbst 89 v.H. geboren. Es gibt keinen Einheimischen in dieesm Dorfe, der nicht mit einem anderen Einheimischen über mehrere Urahnen mehrfach verwandt ist.
    Wenn nur in 60 Gewschwisterreihen, die bis zur achten Generation nicht miteinander verwandt wären die Ahnen zählten, kämen wir auf 7680 Ahnen. Wenn man davon nur die Hälfte erfassen könnte, brauchte man immerhin noch 3840 Vorfahren.
    Durch die Verkartung der Nehrungschen Kirchenbücher durch Professor Dobers-Elbing uns seine Studenten war es möglich, in Vogelsang füt 60 Geschwisterreihen die Hälfte der Ahnen bis zur achten Generation zu erfassen, namentlich und verwandtschaftlich festzulegen. Dabei erleben wir nun die Tatsache, dass die 3840 Ahnen, die bei Nichtverwandtschaft nötig und dagewesen wären (bei Erfassung der Hälfte), auf sage und schreibe 110 Vorfahren zusammenschrumpfen. Eine ungeheuer starke Versippung!

    Gefahren der Versippung?
    Nach den Erfahrungen soll soche Ahnendichte verschiedene Gefahrenquellen in sich schließen, und damit entsteht die Frage, wie stark sie sich in Vogelsang ausgewirkt hat.
    Je einsamer ein Dorf liegt, je abgeschlossener seine Bewohner leben, um so eher werden sie Ehen in der Verwandtschaft abschließen müssen, weil sich andere Heiratsmöglichkeiten nicht ergeben.
    Nun ist die Lage dieses Dörfleins man möchte sagen der "Entsippung" günstig gewesen, d.h. in jeder Generationsfolge zogen Menschen von außerhalb zu. Die meisten, die von der westlichen Seite her auf die Nehrung kamen, blieben in Bodenwinkel hängen, von wo aus sie immer noch Verbindung mit der Welt hatten. Wer weiter landeinwärts zog, tat es meistens zur Probe. Konnte er Fuß fassen, blieb er, vermochte er der Einsmakeit keinen Reiz abgewinnen, zog er wieder fort.
    Wenn er blieb, dauerte es natürlich eine Weile, bis er von der Gemeinschaft, deren Vorfahren seit Jahrhunderten hier verwurzelt waren, aufgenommen wurde. Die Kinder, die heranwuchsen, wurden aber immer eher untgereinander vertraut als die Erwachsenen; darum ergab es sich, dass bei ihnen zuerst das Vorurteil gegen die Neuzugezogenen schwand und diese sogar mehr zur Ehe begehrt wurden als die Einheimischen.
    Dadurch wurde der Blutstrom immer wieder aufgefrischt und die Gefahren der Inzucht durch ihre Auflockerung behobe,

    Spaßige Folgen der Versippung
    Kam jemand in das Dorf hinein, der mit den Zuständen dieser Art nicht vertraut war, konnte er erleben, dass auf seine Fragen mit Achselzucken geantwortet wurde. Welchen von den Wellms, welchen von den Modersitzkis, welchen von den Popalls will der Fremde sprechen? Und erst nach vielem Hin und Her vermochten ihm die Angesprochenen die gewünschte Auskunft geben. Hätte er die Sondernamen gewusst, wären sie im Nu einig geworden.
    Lebten doch im Nachbardorfe zur gleichen Zeit mehrere Menschen die Johann Bahr hießen. Kam der Postbote mit einer Geldforderung, dann schob einer sie immer auf den anderen, sodass schließlich der Absender das Geburtsdatum hinzufügen musste. Wurde aber der Empfänger eines rosa Liebesbriefchen gesucht, beschlagnahmte dieses jener Bahr, der zuerst gefragt wurde.
    Darum mussten die Sondernamen sein, Sondernamen, keine Spottnamen, sie dienten nur zur Unterscheidung. Hin und wieder schimmerte ein wenig Spott hindurch, aber niemand nahm es übel, und jeder wurde nur mit diesem Namen auch Fremden gegenüber benannt.
    In ihrer Gesamtheit gaben sie einen guten Einblick in das Wesen des Dorfes und seiner Einwohner.
    Im "Grunde", der einzigen tiefgelegenen Stelle des Ortes, auf der ein Anwesen stand, wohnte der "Grundsche Otto" mit seiner Familie, deren Mitglieder auch den Zunamen des Grundes trugen. An der "Grenze", die wir ja schon auf unserer Wanderung kennengelernt haben, hauste der "Grenzscher". Da es einen "Schworten" und einen "Voß" gab, konnte man annehmen, dass diese Haarfarben eben nur einmalig vorkamen, die übrigen Bewohner also blond sein mussten, was auch zutraf. Der "Schulmeister" war nicht etwa der Lehrer des Dorfes, sondern ein bejahrter Fischer, dem das Schicksal verwehrt hatte, in seiner Jugend den Lehrerberuf zu ergreifen. Aber dem "Professor" haftete ein wenig Spott an wie auch dem "Leutenant". Der "Kurjer", der alte Gastwirt, mag seinen Namen der Kurrigkeit verdanken. "Plejer", der andere Gastwirt, trug diese Bezeichnung nache einem früheren Gendarm, der wohl auf die Bevölkerung einen großen Eindruck gemacht hatte.
    Jene Sondernamen nun sind am interesantesten, die von irgendeinem Ereignis aus dem Leben der Menschen abgeleitet wurden. Einzelne mögen hier verzeichnet sein.

    "Kuckuck"
    Die Dörfler waren nicht durch Reichtum ausgezeichnet, den zu erwerben war Land und Beruf nicht geeignet. Die Winterstürme, die die Häuser umheulten, kühlten mächtig die Stuben aus. Wenn man auch alle Fenster mit Moos abdichtete, um den kalten Winden den Zutritt zu verwehren, blieb immer noch das Problem des Heizens offen. Kohlen konnte und wollte man nicht kaufen, da man den Wald dicht vor der Tür hatte. Aber auch Holz war teuer. Man blieb auf die dürren Äste angewiesen, die zu holen jedermann Erlaubnis hatte. Aber es war zu wenig für so viele. Außerdem stand manch eine dürre Krabuschke im Tann, die doch nicht weiterwuchs und allen ins Auge stach. Es kam nur darauf an, sie zu gegebener Stunde, d.h. wenn mand den Förster nicht im Revier wusste, zu holen. Gefahren lauerten immer am Wege, und Vorsicht war besser als Nachsicht.
    Nun gab es im Dorfe einen kleinen Jungen, der meisterhaft täuschend den Kuckucksruf nachahmen konnte. Dieses Können machte man sich zunutze. Er musste, wenn man auf Holz ausging, auf einen Baum klettern von dem aus er weit in die Runde schauen konnte. Die anderen gingen "an die Arbeit". War nun Gefahr im Verzuge, erscholl das verabredete Kuckuckszeichen, die Leute ließen alles Gerät versteckt liegen und ergingen sich lustwandelnd im Walde, bis die Gefahr wieder vorüber war.
    Von der Zeit an bekam der Fischerjunge den Beinamen "Kuckuck" und hat ihn auch bis heute behalten.

    "Der Achtbeinige"
    Es war zu jener Zeit, da man sich noch mühen musste, die wandernden Dünen durch Bepflanzung aufzuhalten und ihre Wanderlust einzudämmen. Jeden Morgen fuhr ein Wagen, beladen mit Material und bepackt mit den helfenden Menschen, vom Dorfe los weit zu den Dünen hin. Die Wege waren sandig, und die Wagenräder mahlten sich tief hinein, sodass das Gefährt nur langsam vorankam.
    Das behagte einem jungen Fischer nicht. Wenn die Fahrt losgehen sollte, griff er zu einem Stecken und machte sich hurtig auf den Weg. Immer war er früher an Ort und Stelle, dass er schließlich des Wartens müde wurde und erst viel später losging, wenn der Wagen schon längst unterwegs war. Immer noch kam er zur rechten Zeit an. Auf dem Heimweg machte er es nicht anders, ging seiner Wege statt zu fahren und behielt das Tempo sein Lebenlang auch bei anderen Wanderungen bei. War es ein Wunder, dass dieses Verhalten ihm den Namen "Der Achtbeinige" eintrug?

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  2. #2
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    Aus "Unser Danzig", 1958, Heft Nr.16, vom 16.08.1958, Seite 15:

    Von der Versippung Vogelsangs
    von Hans Werner

    Eigentümliche Folgen der Versippung in Vogelsang zeigten sich äußerlich und auch innerlich. Wurde im Dorf eine Hochzeit gefeiert, dann wurde nur der engste Kreis der Verwandten eingeladen, immerhin kam man auf mindestens dreißig Personen, und dabei hatte man sich noch sehr eingeschränkt. Doch die nicht eingeladenen Gäste sollten keineswegs zu kurz kommen, darum luden sie sich selber als Zaungäste ein. Das bedeutete, dass die Fenster zu den Festräumen des Hochzeitshauses weit offen gelassen werden mussten. Vor ihnen staute sich dann der Rest der Dörfler, nicht etwa nur Kinder, nein, die Erwachsenen, und besonders die! Man empfand es nicht als eitel Neugier, nein, es gehörte zur Freude der Hochzeitsleute, unter den Augen der Zuschauer zu essen, zu trinken, zu tanzen. Von Zeit zu Zeit wurden Zigaretten, Schnäpse, auch Kuchen herausgereicht. Als im Kriege verdunkelt werden musste, kam es beinahe zu Streitigkeiten, als man abends die Läden vor den Fenstern schloss.
    Wie die Freude, so teilte sich das Dorf aber auch den gemeinsamen Kummer. Wenn einen Fischer in der Ausübung seines Berufes der Tod ereilte, trug der größte Teil des Dorfes die Trauer mit, denn irgendwie war er verwandt, versippt oder verschwägert. Das zeigte sich besonders deutlich bei der Totenwache. Da sie alle auf die Fischerei angewiesen waren, auch die Räucherer und die Händler, ergab sich auch beruflich eine große Gemeinsamkeit, die aber durch die Versippung noch verschärft wurde.

    Das "Sippengesicht"
    Es ist nicht mehr als natürlich, dass sich die Verwandtschaft in der Ähnlichkeit offenbarte. Das zeigt sich in einem geheimnisvollen Erlebnis in den Weihnachtsfeiertagen.
    Kurz vor dem Fest, am letzten Schultage vor den Weihnachtsferien, veranstaltete die Schule eine Weihnachtsfeier, wie es seit Jahrzehnten Tradition war. Gedichte, Lieder, Spiele, Weihnachtsmann wechselten miteinander ab. In dem kleinen Raume, der in normaler Zeit 60 Schulkinder fasste, saßen dann oft bis 200 Menschen zusammengedrängt. Natürlich setzten sich die engsten Verwandten zusammen, und es kam nicht selten vor, dass Urahne, Großmutter, Mutter und Kind beieinander saßen. Die flackernden Kerzen gaben ein unstetes Licht, und in dieser eigenartigen Lichtatmosphäre zogen sich die Gesichter zu einem Sippengesicht zusammen, ein zauberhaftes Erlebnis, als wenn der Geist der Sippe sie umschwebte. Die Atmosphäre, die diese Feierstunde umwob, verband alle Menschen noch mehr miteinander als sie schon verbunden waren, und gerade daran merkte man, wie Vergangenheit und Gegenwart, Alter und Jugend, Dorf- und Schulgemeinschaft, ja Landschaft und Menschheit zu einem wundersamen Gebilde verschmolzen.

    Von den Eigenschaften der Sippen
    Es liegt auf der Hand, dass sich manche Eigenschaften vererbt zusammenballten und diese Eigenart auch in Erscheinung treten musste.
    Nun fand man in der Schule die Zensurenlisten der Entlassungen rückwärts bis in die Jahre zum Ausgang des Jahrhunderts vor, und sie wurden eine wichtige Quelle zur Erforschung der Sippeneigenschaften. Sie wurden nach bestimmten erbwissenschaftlichen Formeln und Gesetzen ausgewertet und ergaben ein interessantes Bild.
    Es gab da eine "Schlechtschreibersippe", eine andere eine gute "Rechensippe". Von dem Kinde einer anderen Sippe konnte man erwarten, dass es ein gutes Gedächtnis mitbringen würde, und jenes wieder musste praktisch veranlagt sein. Es konnte auch festgestellt werden, welche Richtungen oder Sippeneigenschaften durchschlugen.
    Wichtig war nun nicht allein, dass man diese Feststellungen treffen konnte -leider sind alle diese Forschungsgrundlagen, -arbeiten und -ereignisse bis auf ein Weniges verloren gegangen-, sondern dass man daraus Folgerungen ziehen konnte für die Ausbildung und Erziehung der Schulkinder. Gerade dabei zeigte sich, welche Vorzüge eine einklassige Volksschule haben kann wenn sie durch genaue Kenntnis der Menschenseele dieses Gebietes und genaues Wissen über die Struktur dieses Landstriches in die Lage versetzt wird, Erziehungsmaßnahmen bestimmter Art treffen zu können.
    Aufgrund solcher Erkenntnisse war es vn vorneherein möglich, bestimmten Kindern eine besondere Ausbildung zu geben und dafür andere nicht zu quälen mit Gebieten, auf denen sie von vorneherein zum Scheitern verurteilt worden waren. Etwaige Fehlschlüsse konnten durch die Schulwirklichkeit sehr schnell erkannt und überwunden werden.

    "Herodes" und der "Andere"
    Die beiden Brüder Bandeck waren groß und hünenhaft und zum Verwechseln ähnlich. Der ältere von ihnen hatte einstmals in der Schule in einem Dreikönigsspiel mitgewirkt und seine Rolle des Herodes so gut gespielt, dass ihm zeitlebens der Beiname "Herodes" anhing. Als er heiratete, ging dieser Beiname auch auf seine Frau über, und sie hieß foran "Die Herodische". Sein Brunder war nun einfach "Der Andere". Wollte man sich nach ihm erkundigen, ob er von der Fahrt schon zurück gekehrt sei, so fragte man: "Ist der Andere schon zurück?" Und diese Frage verstand jedermann im Dorfe und wusste, wer damit gemeint war.

    Der "Prinz"
    In wilhelminischen Zeiten war es Sitte, dass der Kaiser unter bestimmten Voraussetzungen eine Patenschaft übernahm. Wenn in einer Familie hintereinander sieben Söhne geboren worden waren und die Familie im staatsbürgerlichen Sinne der Ehre für würdig befunden wurde, erging auf Wunsch der Eltern ein begründetes Schreiben durch die Gemeindebehörden an die kaiserliche Kanzlei. Nach Prüfung aller Umstände erfolgte gegebenenfalls die Annahme des Wunsches; eine Urkunde und ein Geldgeschenk wurden überreicht, und damit hatte die Patenschaft einen Anfang und ein Ende gefunden.
    So erging es der einen Familie Harder. Der siebente Sohn wurde das Patenkind des Kaisers, und weil er gewissermaßen aus kaiserlichem Stamme war, wurde ihm der Erkennungsname "Prinz" zugelegt mit dem er gerufen wurde, den er sein Lebenslang behielt und der er wohl auch jetzt noch fern der Heimat trägt.

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  3. #3
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    Pfeil Woher die Bewohner Vogelsangs stammten

    Aus "Unser Danzig", 1958, Heft Nr.20, vom 16.10.1958, Seite 18:

    Woher die Bewohner Vogelsangs stammten
    von Hans Werner

    Die Kirchenbücher der Nehrung, die die Kirchspiele Pröbbernau und Neukrug umfassten, waren bis zum Ende der zweiten Weltkrieges in den Pfarreien vorhanden und konnten bis 1730 lückenlos verfolgt werden. Einzelne Eintragungen gingen noch bis ins 17. Jahrhundert zurück. Daraus und weiter aus alten Scharwerksbüchern und ähnlichen Urkunden war zu ersehen, dass nur wenige Namen bis in die Zeit des 30jährigen Krieges hinüberreichen.
    So sind die beiden Namen Wellm und Kohnke wohl die ältesten, die in Vogelsang vorkommen, jeweils auch mit anderer Schreibweise. Ein Modersitzki wird nach dem 30jährigen Kriege erwähnt, und der Trauungsurkunde zufolge hat er sich eine Frau aus der Pfalz geholt. Wie die beiden zusammengekommen sind, ist nicht mehr zu ergründen gewesen. Die Sangesfreudigkeit der Bewohner Vogelsangs, das ja das "singende Dorf" genannt wurde, kann letzthin von dem Einschlag des pfälzischen Blutes herrühren; hatte doch jeder Einheimische in Vogelsang mindestens einmal in seiner Vorfahrenlinie diese Frau als Urahnin.
    Fünf Sippennamen: Wellm, Kohnke, Popall, Winterfeld, Modersitzki sind seit 1730 ununterbrochen in Vogelsang vorhanden. Ein "Conke" wohnte 1377/78 in Danzig, wo auch Namensträger anderer Nehrunger vorkommen.
    1660 werden für Vogelsang 68 Menschen gezählt, darunter folgende Namen: Löwner, Rechmann, Kohnke, Hincze, Komstgöff (?), Spohn, Lehmnaß, Wiedebusch, Dägert.
    1660 setzt ein großes Sterben ein, 1696 und 1710 waren schwere Pestjahre. Die Pest muss auf der ganzen Nehrung, so auch in Vogelsang, große Lücken gerissen und dadurch später neue Einwanderungen in den menschenleeren Raum verursacht haben. 1742 zieht ein "Harder" über die Nehrung nach Vogelsang ein, 1820 ein Duwe, dessen Sippe, auch nach dem Kirchenbuch, sich einmal hochdeutsch "Taube", dann wieder plattdeutsche "Duwe" nennt. 1828 bringt die katholischen Kleefelds aus Frauenburg her, die aber hier, einsam auf sich gestellt in der Diaspora, bald ihren Glauben aufgeben; auch die Sippe Engels aus der Niederung, deren erster als Hilfsförster hier ansässig wird.

    Wie die Baudecks auf die Nehrung kamen
    Es war die Zeit des preußischen Königs, der seine "langen Kerle" über alles liebte, für sie Geld ausgab, auch Zwang anwendete, um sie für sein Regiment zu erwerben. Es ist bekannt, dass seine Werber auch vor Fesselungen und Überrumpelungen , ja vor schlimmeren Gewaltakten nicht zurückschreckten, da sie sich ein gut Stück Geld damit erwerben konnten.
    Nun wohnte damals in Kamstigall auf dem Samland, unweit des Frischen Haffes, eine Familie Baudeck, deren einer Junge ein überaus langer Kerl war. Diese Länge und Breitschultrigkeit haftet noch heutigen Tages an Männern und Frauen dieser Sippe.
    In einer Neujahrsnacht, als alles junge Volk fröhlich im Krug beim Tanz sich vergnügte, landeten zufälligerweise dort Werber des Königs mit ihrem Schlitten. Ihnen fällt der lange Kerl auf. Sie versuchen, ihn mit List zu kapern, was aber durch die Umsicht des Wirts misslingt. Da versuchen sie es überraschend mit brutaler Gewalt, doch schafft es der junge Baudeck, aufs Haffeis zu entkommen. Der Schlitten mit den Werbern setzt dem auf Schlittschuhen mit einem Segel Fliehenden nach. Über eine unvorhergesehene auftauchende Blänke gelangt der Flüchtende gerade noch hinüber, der hineinsausende Schlitten aber versinkt unterm Eis.
    So war der junge Baudeck wohl gerettet. Für das Unglück der Werber brauchte er sich nicht verantwortlich fühlen, aber er getraute sich doch nicht nach Hause zurück, sondern ließ sich auf dem Teil der Nehrung nieder, der der "Nehrungschen Funktion", also der Stadt Danzig unterstand, wohin des Königs Macht nicht reichte.
    Dieser Baudeck ist dann der Stammvater eines weitverzweigten Geschlechtes geworden, das besonders in Vogelsang heimisch wurde. Im Kirchenbuch steht mitunter für Baudeck auch Bandeck, was nur Schreibfehler waren, sodass es in Vogelsang sowohl Baudecks als auch Bandecks gab, die aber alle den gleichen Stammvater hatten.

    Aus der Geschichte der Familie Haeling
    An der Stelle, wo vom kleinen Hafen Vogelsangs aus ein Seeweg, breit und sandig, sich durch den Wald über die Dünen hin, am Signalturm vorbei, hinzieht, liegt wieder eine Gruppe Häuser. Dieser Weg heißt Haelings Seeweg, und es wurde auch noch die Stelle gezeigt, auf der jenes Haus gestanden hatte, in dem Haeling, der starke Haeling gelebt hat, von dem noch viele Sagen zu erzählen sind.
    Die "Nehrungsche Funktion" hatte im Auftrage der Stadt Danzig, der die Niederung unterstellt war, Ordnung auf ihr zu halten. Sie übertrug die Aufsicht über diese Aufgabe den Strandreutern. Diese hatten nicht nur zu verhüten, dass der Wald allzustark uerlaubt gelichtet wurde, sondern hatten vor allem den Strand zu bewachen. Einer dieser Strandreuter war Haeling, der ins Dorf dann hineinheiratete, ein Nachkomme von ihm war der "starke Haeling".

    Bernsteinregal und Strandgut
    Diese zwei Dinge lagen dem Fiskus besonders am Herzen. Das "Bernsteinregal" muss früher eine gute Einnahmequelle gewesen sein. Wahrscheinlich waren die Anschwemmungen von Bernsteinstücken überhaupt und von großen Bernsteinstücken im besonderen bedeutender als heutzutage. Der gefundene oder gefischte Berstein musste abgeliefert werden, wurde nach Größe sortiert und danach nach Gewicht bezahlt.
    Nach gewaltigen Herbst- und Frühlingsstürmen, wenn die See bis auf den Grund aufgewühlt worden war, zogen große Mengen von Seetang die Küste entlang und wurden von den bewegten Wogen auf den Strand gespült. In den ersten Morgenstunden, wenn die Dämmerung kaum den ersten Schimmer des Tages anzeigte, stiegen die Fischer bis weit über die Knie in das Meer und fischten mit Keschern dern den Tang mit dem eingebetteten Bernstein heraus. Am Strand entleerten sie die Kescher, und die anderen Familienmitglieder untersuchten eifrig, oft noch beim Schein kleiner Laternen, den Blasentang emsig nach Bernsteinstücken. Ein seltsames Bild beim aufkommenden Tag!
    Mit genau solch großer Sorgfalt achteten die Strandreuter auf das Strandgut, auf angesschwemmte Güter aller Art, die nicht nur von gestrandeten Schiffen stammten, sondern zahlreich und abwechslungsereich auch von der Weichsel nach Hochwasserzeiten über See durch die Meeresströmung an den Strand gespült wurden.
    Während man sich früher um das angeschwemmte Holz nicht so sehr kümmerte - ausgenommen richtige Balken oder brauchbares Bauholz - sodass allmählich alles versandete und verging, weil man ja den Wald vor dem Hause hatte, griff man in den Kriegszeiten nach jedem Stückchen und merkte da erst, wie reich auch dieser Segen des Meeres war.
    In neuerer Zeit fand ein Fischer ein kleines volles Tönnchen. Es enthielt zwar nur Wasser, aber "edles Wasser". In aller Heimlichkeit brachte er es heim. Nun, ganz zu verheimlichen war dieser kostbare Fund doch nicht; der eine wie der andere durfte ein Gläschen probieren. Als der Finder eines Streitfalles wegen seinem Gegner ein Gläschen verweigerte, musste er erleben, dass eines Tages ein Zollbeamter seine Wohnung aufsuchte, nicht um ein Gläschen zu probieren, sondern um das Fässchen einzuziehen. Dass hinterher noch eine große Rechnung kam wegen Zoll- und Steuerhinterziehung, sei hier nur am Rande vermerkt.
    Auch zu unserer Zeit bestand die Pflicht, Bernstein an den Staat abzuliefern, der auch für das Strandgut zuständig war.

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