Aus "Unser Danzig", 10.Jahrgang, Nr.2, vom 16.01.1958, Seite 21

Bohnsack
von Erna Seitz

Von weitem schon grüßt die freundliche Kirche den ankommenden Dampfer. An dem Wasserflughafen geht es vorüber, und dann taucht hinter Schilf und Buschwerk das gelbe Kurhaus auf. Bald umfängt uns die Gemütlichkeit eines Dorfes. An einem Ausspann stehen altertümliche Korbwagen und moderne Autos friedlich nebeneinander, während nicht weit davon die breite Fähre sich bemüht, zwei Postomnibusse über die Weichsel zu bringen. Bohnsack ist seit langen Jahren die Sommerfrische Danziger Familien, und man glaubt gern, dass es hier ein gutes Ausruhen gibt. Man hat auch das Gefühl, von Danzig aus eine lange Reise hinter sich zu haben, denn die Landschaft ist hier vollkommen anders als bei den näher gelegenen Seebädern, wie Glettkau und Brösen. Man geht durch Kiefernwald zum Strand, Birken leuchten weißstämmig ab und zu auf, und auf den Dünenen steht hoch mit sandiggelben Ähren der Strandhafer.

Wochentags liegt der bgreite Strand verhältnismäßig still da, aber sonntags wimmelt es bunt und lustig von Menschen, denen schon alleine die schöne Dampferfahrt die sogenannte Tote Weichsel entlang nach einer arbeitsreichen Woche Freude und Erholung gibt.

Doch wir wollen über das heitere Strandleben nicht das schmucke Dorf vergesen. An Gärten und suaberen Häusern wandern wir vorüber. Wir sitzen auf der Verande eines kleinen Gasthofes und machen uns breit, als seien wir der Besitzer. Wir sind erfreut über die Billigkeit des Kuchens, der Kaffee schmeckt, und mit einem Versuch von fachmännischem Urteil verfolgen wir vorüberziehende Segler. Ein endlos langes Floß kommt an; die beiden Männer, die es betreuen, gehen darauf spazieren, als befänden sie sich auf der Promenade eines Seebades. Einige Zeit später sind sie nur noch zwei schwarze wandernde Punkte auf der breiten Wasserfläche nach Elbing hin.

Das Schöne an Bohnsack ist diese Lage zwischen Weichsel und Ostsee, diese Abwechslung in der Stimmung: die gleichmäßige Gelassenheit des Stromes zwischen grünen Ufern auf der einen Seite, und auf der anderen das unruhige, silberne Wellenspiel der See. Der Grenzstein zwischen beiden ist aber nicht etwa das Dorf oder der Wald, sondern eine alte, pergamenthäutige Flundernfrau, von der man annehmen kann, dass sie schon seit hunderten von Jahren ihre Fische den Vorübergehenden anbietet, mit der überlegenen Gebärde eines großen Handelsmanns, der weiß, dass seine Waren gut und preiswert sind.

Als wir abends vom Strande in ds Dorf zurückkommen, empfängt uns Musik, bunte Fähnchen und Lampions lachen uns entgegen, denn über Bohnsack soll sich eine "italienische Nacht" herniedersenken, festliche, sorglose Stunden mit fröhlichem Tanz.

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang