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Thema: Eine Erinnerung an Bruno (Schucker Brunchen)

  1. #1
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard Eine Erinnerung an Bruno (Schucker Brunchen)

    Aus "Unser Danzig", 1956, Heft Nr.6, vom Juni 1956, Seite 10:

    Eine Erinnerung an Bruno (Schucker Brunchen)

    Jeder frühere Danziger hat außer den prominenten Persönlichkeiten auch Bruno gekannt. Er wohnte mit seiner Mutter auf dem Stolzenberg. Seine körperliche Behinderung stammte von einem Blitzschlag her, der ihn im Alter von 12 Jahren getroffen hatte. Überall, wo etwas los war, musste doch Bruno dabeisein. Wenige Wochen später, nachdem er seinen hochgeschätzten Pfarrer Bialk auf dem Schidlitzer Friedhof mit ganz besonderer Hingabe bestattet hatte, nahm er wieder an einer Beerdigung teil, denn ohne Bruno ging so etwas nicht. Es gehörte zum äußeren Bilde jeder Feierlichkeit, dass Bruno an der Spitze war.

    So bestieg Bruno die Langfuhrer Straßenbahn, um an der Bestattung auf dem Lutherfriedhof mitzuwirken. Beim Abfahren erschien der Schaffner natürlich zuerst bei Bruno, der nie bezahlte. "Bruno, wo willst Du hin! Bezahle!" Aber Bruno hatte nichts, wollte jedoch bis zur Sporthalle fahren. An der nächsten Haltestelle trat der Schaffner an Bruno heran und wollte ihn einfach absetzen, doch eine ältere Dame bezahlte für ihn eine Fahrt nach Langfuhr. Mit verklärtem Gesicht nahm Bruno den Fahrschein, strich sich seinen schwarzen Rock zurecht und zog die weißen Handschuhe fester. Dann ging er auf den Schaffner zu und sagte in frohlockendem Ton: "Soll ich Dir man melden?"

    An der Sporthalle stieg Bruno recht stolz aus und betrat mit anderen Besuchern den Friedhof. Die Trauerfeier war fast zu Ende, der Küster wollte sich schon zu der etwas abseits gelegenen Gruft begeben, als er feststellen musste, dass die unmittelbare Sicht von der Gruft zur Kapelle durch Hecken und Bäume verhindert war. Was konnte er tun? Er brauchte unbedingt eine zuverlässige Mittelsperson, die das Herannahen des Trauerzuges anzeigen sollte. Er sah Bruno, und schon war sein Plan gefasst. Mit großem Eifer nahm Bruno den Auftrag entgegen: "Wenn der Sarg aus der Kapelle getragen wird, Bruno, hebst Du den rechten Arm hoch, dann weiß ich Bescheid. Hier bleibst Du stehen, bis es soweit ist, verstehst Du? Erst dann kann mit dem Läuten begonnen werden." - Selbstverständlich hatte Bruno alles richtig verstanden, er beobachtete. Endlich war es soweit. Der Sarg wurde aus der Kapelle getragen. Bruno sah den Küster und den Sarg, wurde lebhaft, zog ein großes rotes Taschentuch aus der Hosentasche, winkte und rief mit etwas lauter Stimme: "Sie kommen, sie kommen!" Der Küster wurde im Augenblick rot, dann wütend und dann musste er lächeln. Auch im Trauergefolge hatte man Bruno und seinen Eifer gesehen. Die Taschentücher mussten den Mund bedecken, um ein Lächeln zu verbergen. Nur Bruno stand stolz auf seinem Platz und schritt erhobenen Hauptes mit einer gelben Blume im Knopfloch zur Gruft. Der Küster gab ihm fernerhin keinen Auftrag mehr.

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    Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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    Viele Grüße aus dem Werder
    Wolfgang
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  2. #2
    Forum-Teilnehmer Avatar von Belcanto
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    Hallo
    Davon habe ich oft gehört, ohne konkret zu wissen um wen es sich handelte. Man sagte ja wohl in Danzig:"du bist wohl schucken. Wobei ich nicht weiß, ob schucker von mischucke kommt, was wiederum auf jiddisch hindeutet.
    Viele Grüße
    Belcanto

  3. #3
    Forum-Teilnehmer Avatar von Belcanto
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    Guten morgen in Nah und Fern.
    Habe gestern mit meiner Schwester-Jahrgang 1934, über Schucker Brunchen gesprochen, weil ich bis dato davon ausgegangen war, dass es sich bei Brunchen,um eine Brunhilde oder Bruni handeln würde. Aber das ist ja nun geklärt!
    Viele Grüße
    Belcanto

  4. #4
    Forum-Teilnehmer Avatar von RRose
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    Standard AW: Eine Erinnerung an Bruno (Schucker Brunchen)

    Hallo,

    als wir am letzten Freitag im Bus von Danzig durch Langfuhr zurück zum Hafen von Gdynia fuhren machte mich mein Mann auf einen jungen Mann aufmerksam, weil dieser einen Zylinder trug. Dieser junge Mann hatte auch ein schwarzes Sakko aus Samt an. Es sass nicht, die Ärmel waren zu kurz und so sah es nicht aus, als würde er auf eine Feier gehen. Weisse Handschuhe trug er leider nicht. Leider konnte ich so schnell kein Foto machen, aber mir fiel gleich "Schucker Brunchen" ein. Gibt es junge Menschen in Danzig, die ihn nachmachen?
    Herzliche Grüsse

    Christina

  5. #5
    Forum-Teilnehmer Avatar von GiselaMaria
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    Standard AW: Eine Erinnerung an Bruno (Schucker Brunchen)

    Ja, den "schuckernen Bruno" wie wir damals in Danzig sagten, habe ich auch erlebt. In Schwarz gekleidet und mit weißen Handschuhen hat er den Verkehr geregelt. Auch in Heubude an der Straßenbahnhaltestelle war er oft tätig.

  6. #6
    Forum-Teilnehmer
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    Standard AW: Eine Erinnerung an Bruno (Schucker Brunchen)

    Ich erinnere mich, daß ich auf meinem Weg zur Schidlitzer Volksschule ein paarmal Schucker Bruno gesehen habe. Er wurde manchmal von Schülern geärgert und dann lief er wütend hinter ihnen her, ohne sie zu erreichen, dabei schimpfte er laut. Gruß von Ada
    Was ist Geld? Geld ist rund und rollt weg, aber Bildung bleibt. (H. Heine)

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