Aus „Unser Danzig“, Nr. 7 vom Juli 1954, Seite 21
Schöneberg an der Weichsel
von Gert. Schoenhoff
Eines der bemerkenswertesten Dörfer in unserer Danziger Heimat war Schöneberg, das vor zwei Jahrzehnten sein 600-jähriges Bestehen feierte. Urkundlich wurde das Dorf Schöneberg im Jahre 1333 gegründet, als der Deutsche Ritterorden hier einen Ordenshof errichtete. Dicht hinter dem Deich, gleichsam mit ihm verwachsen, stand das mächtige Gebäude, die „alte Burg“, und wie eine Burg beherrschte sein stattlicher rotbrauner Fachwerkgiebel weithin Land und Strom.
Der Schöneberger Ordenshof war einer der ersten von mehreren Gutshöfen, die der Ritterorden im Ostlande gründete; er hatte die Marienburg mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und mit Vieh zu versorgen. Zu ihm gehörte der Fährbetrieb mit dem Fährkrug und eine Brauerei mit Schankbetrieb, woran die Erinnerung nur noch in dem Namen des angebauten Brauhauses erhalten geblieben ist. Die Wetterfahne mit der Jahreszahl 1694 verriet, dass die Burg im Läufe der Jahrhunderte bauliche Veränderungen erfahren hat; seit der letzten Instandsetzung im Jahre 1929 stand das Anwesen unter Denkmalschutz.
Bis tief unter den Spiegel der Weichsel ragten die meterdicken Grundmauern. Dem wuchtigen Äußeren entsprach das Innere des Hauses, die gewaltigen Gewölbe, das Balkendachgestühl, zu dem sich die Treppe um ihren aus einem Stück gefertigten Eichenpfosten empor wand, die schweren nägelbeschlagenen Türen mit den altertümlichen Riegeln. Krug und Fährbetrieb waren generationenlang im Besitz derselben Familie.
Aus der gleichen Zeit wie der Ordenshof stammte die katholische Kirche des Ortes, deren Äußeres von verschiedenen Bauzeiten zeugte. Hervorragend an dem schlichten Bau war der reich gegliederte Ostgiebel. Ein Grabstein vor der Eingangspforte aus dem Jahre 1649 kündete von einem Besitzer des Ordenskruges; ein Ölgemälde neben der Kanzel stellte nach einer altdeutschen Inschrift unter dem schön geschnitzten Holzrahmen einen andern, 1705 verstorbenen Besitzer des Kruges aus derselben Familie dar. Neben der Turmpforte stand auf der weiß getünchten Mauerwand in ungefüger Blockschrift zu lesen: „Anno 1526 don ist die Weyssel ausgerissen bey der Fer und ist in diesem Jahr nicht gefangen worden.“ Unter den vielen Hochwasser- und Eisgangkatastrophen, die das Danziger Land heimgesucht haben, war dieses die größte; sämtliche Dörfer in weitem Umkreis wurden damals überschwemmt, und 5000 Menschen kamen dabei ums Leben.
Die auf der anderen Straßenseite gelegene evangelische Kirche, ein schmucker Backsteinbau mit schlankem Spitzturm, war noch nicht hundert Jahre alt. Ein kleines Bild in der Halle zeigte das vorherige Gotteshaus, das seit ungefähr 1700 etwa an derselben Stelle stand: eine scheunenartige, holzverschalte Bude, ohne Turm, mit schmalen, waagerechten Fenstern, dicht unter dem flachen, rohrgedeckten Dach. Nach geschichtlicher Überlieferung wurde die Errichtung dieses Gotteshauses von den damaligen polnischen Machthabern in Warschau nur unter der Bedingung genehmigt, dass es von außen nicht einer Kirche gleiche, und die Sage erzählt, dass — als der Bau halb fertig war, plötzlich der Befehl gekommen wäre, ihn sofort wieder abzubrechen, wenn er nicht innerhalb 24 Stunden fertiggestellt wäre. Dank der opferwilligen Gemeinschaftsarbeit aller, gelang es der Gemeinde, ihr Kirchlein über Nacht notdürftig zu vollenden.
Zwei weitere unter Denkmalschutz stehende Zeugen aus alter Zelt hatte Schöneberg aufzuweisen: eine Windmühle auf dem sogenannten Windmühlenberg, deren viereckiger eichener Unterbau die Jahreszahl 1686 trug, und die große Wasserschöpfmühle, ein Entwässerungswerk, das sich zwischen den Feldern neben einem breiten Graben rechts von der Chaussee nach Schönsee erhob.
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Wolfgang