Aus "Unser Danzig", 1951, Heft Nr.5, vom März 1951, Seite 8:


Olle Kamellen von den Strießbachmühlen, der Pferdebahn und einem Stück Alt-Danzig


Wenige Danziger wird es noch geben, die mit eigenen Augen die Strießbachmühlen um 187a bis 1888 herum gesehen und gekannt haben.
Der Existenzkampf des Mühlengewerbes war recht groß, mussten doch die kleinen Mühlen mit den Großmühlenbetrieben konkurrieren, sonst wurden sie ihr Mehl bei den Danziger Bäckereien nicht los. Man musste schon unter den Bäckern gute Bekannte haben, um seine Fabrikate abzusetzen.
Es waren neun Mahlmühlen, die durch den Strießbach getrieben wurden. Die Namen der damaligen Müller und Mühlenbesitzer, angefangen von der Nawitzmühle bis zur Abtsmühle Neuschottland, waren: Albrecht, Kiefer, Knuth, Heidenreich, Lobackshof, Weide-Silberhammer, Schmidt-Kupferhammer, Weigle-Leegstrieß und Stahl-Neuschottland. Von allen diesen Mühlen stand groß, modernisiert und konkurrenzfähig die Mühle Silberhammer bis zum Anmarsch der Russen noch da.
In Silberhammer verbrachte ich meine Jungen- und Jünglingsjahre.
Als 1879 Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude durch Brandstiftung vernichtet wurden, übergab uns Frau Natschke, Lobeckshof, für die Zeit des Neubaues das Rokokoschlösschen im Park von Silberhammer zur Wohnung. Gut Silberhammer gehörte damals zu Lobeckshof. Wenn ich zurück denke, dann steht mir die innere Einrichtung dieses Gebäudes noch lebhaft vor Augen; es war wohl noch so, wie es Joseph von Eichendorff einst bewohnt hatte.
Das Haus selbst wurde im Garten von zwei herrlichen Sommerhäuschen flankiert, wovon ich in letzter Zeit nur noch eines sah.
Erfreulicherweise steht das schöne alte Herrenhaus jetzt unter Denkmalschutz.
In dem schönen alten Park hier verlebte Eichendorff seine Sommertage, und hier war es, wo er beim Rauschen des tief liegenden Wasserrades das stimmungsreiche Lied „In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad" dichtete. Die schöne Müllerstochter war ihm wohl untreu geworden. Doch gehen wir weiter flussabwärts. (Für uns war es immer der Fluss, niemals der Strießbach.) Der kleine harmlose Fluss konnte zum reißenden Strom werden, wenn Gewitterregen von den Hügeln und Bergen große Wassermengen mit Sandgeröll herunter schickte, und nur durch Aufdrehen der Freischleuse konnten die Fluten zur Not Abzug finden. Tagelang musste dann geschaufelt werden, um dem versandeten Flussablauf wieder normale Tiefe zu geben. Heute Ist diese Gefahr längst durch Regulierung und Staubecken beseitigt.
Nun kommen wir zur Mühle Kupferhammer in Hochstrieß. Das Gebäude steht noch, wird aber für andere Zwecke benutzt. * Die Mühle Leegstrieß, schon dicht an der Hauptstraße Langfuhr, ist ganz verschwunden, und auch der schöne Mühlenteich ist zugeschüttet.
Als neunte und letzte kommt jetzt die Abts-Mühle in Neuschottland, und damit hat der Strießbach seine nutzbringende Tätigkeit vollendet.
Erst 1881 oder 1882 wurde die Chaussee von Leegstrieß vom Gasthaus „Weißes Kreuz“, das auch heute noch als Gasthaus besteht, nach Goldkrug und weiter gebaut. Bis dahin war es immer recht schwierig, die schweren Mehlfuhren bis Langfuhr und dann aus Danzig zurück mit Getreide durch den hauptsächlich bei Regenwetter tiefgründigen Sandweg zu fahren. Bis Leegstrieß zur Schmiede „Griechen" musste immer Vorspann geleistet werden. Die neue Chaussee wurde den Anliegern zur Wohltat. Das Langfuhr von Anno dazumal: „Ach, wie hat es sich verändert!"
Der Gastwirt vom weißen Kreuz hieß Klauer, und man sagte scherzweise: „Langfuhr reicht von der roten Mauer (Uphagenpark) bis zu Klauer". Und so war es tatsächlich, denn hier hörte die Bebauung auf, rechts dahinter kam nur noch der Friedhof, und links Ackerfeld, das zum Patrizierhaus Tümmler gehörte.
Erst durch Abbruch des alten lang gestreckten Husarenstalles und des Herrenhauses Tümmler wurde Platz für die gewaltigen Husaren-Kasernements geschaffen. Darauf erst setzte die weitere Bebauung ein. Wir Brüder mussten täglich den weiten Weg nach Danzig zur Schule gehen, und ich wundere mich heute, dass uns das gar nicht so schwer fiel. Es ist doch, besonders im Winter, ein langer Spaziergang, ehe man bis dahin tippelt.
Um etwas schneller nach Langfuhr zu kommen, gingen wir manchmal über den Mirchauer Weg, vorbei an dem terrassenförmigen Garten Hochstrieß, worin unser Heimatdichter Walther Domansky seine Jugendjahre verlebt hat. Meistens aber wählten wir den Fahrweg über Hochstrieß und Langstrieß, vorbei an Brauerei Barg (Valtinat), „Cafe Sanssouci" später „Flora" und „Posthörnchen", und kamen" dann zum Marktplatz — Haltestelle der Pferdebahn. Nun hätten wir ja die Möglichkeit gehabt, mit dieser weiter nach Danzig zu fahren, aber merkwürdigerweise sind wir immer zu Fuß gegangen.
Die Pferdebahn fuhr übrigens in den ersten Jahren ihres Bestehens längs der Landstraße bis nach Oliva, es war aber unrentabel, deshalb stellte sie diese Tour bald ein. Die Wagenhallen in Oliva, an der Ecke nach Glettkau, stehen heute noch. Sie wurden eine Zeit lang als Danziger Hilfsgefängnis gebraucht.
Viele werden sicher noch die schönen großen Wagen mit den Decksitzplätzen kennen. Sie waren immer vollbesetzt und die beiden Pferde hatten es nicht leicht, diese Last zu ziehen. Daher standen immer zwei Vorspannpferde in Langfuhr am Berge bereit. Und nun gings mit vereinten Kräften nach oben zum Marktplatz — Endstation. Wir also gingen stolz unsere Straße weiter, kamen an der genannten Roten Mauer vorbei.
Diese Mauer soll der Ratsherr Uphagen als Geburtstagsgeschenk seiner „teuren" Gattin in einer Nacht haben erbauen lassen! sagt die Fama. — Sie war zirka 100 Meter lang.
Jedenfalls aber ein toller Wunsch seiner „Teuren". Nun marschieren wir durch die große Allee, vorbei rechts am Kaffeehaus Kochanski und links am Kaffeehaus Slouda. Bald gehts über die Brücke und durch das Olivaer Tor, dann links über die Eisenbahnschienen durch den Irrgarten vorbei am Stadtlazarett, und dann sind wir am Stadtgraben und an der Brücke zum Jakobstor.
Wir durchschreiten das Tor, das ähnlich wie das noch vorhandene Leegetor gebaut war, gehen durch die Kalk- und Paradiesgasse. Jetzt schlägt es gerade von St. Katharinen 1/2 8 Uhr, und wir werden wie immer pünktlich in der Schule eintreffen!
Ich bin vor Jahren in Wien auf dem „Stephan" gewesen und habe von hier und vom Kahlenberg weiten Blick über gesegnete Fluren gehabt.
Ich war vor kurzem in Ulm auf dem Münsterturm, 765 Stufen hoch, und hatte von hier aus einen prächtigen Fernblick.
Auch hier in Biberach schweift der Blick von höchsten Erhebungen aus über weite Fernen bis zu den Alpen. Dann stelle ich Vergleiche an mit der fernen Heimat, mit Oliva und dem Blick vom Karlsberg, mit den Zoppoter Waldhöhen und dem Blick auf die blaue See - und ich kann mir nicht helfen: es ist nirgends so schön, wie es in der Heimat war.

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang