Folgenden Beitrag schrieb meine Mutter im November 2000 in unserem Vorgängerforum "Danzig-L"

Mit den ersten Schneeflocken, Mitte November, fing auch die grosse Backzeit an. Der Teig wurde angesetzt und musste 2 Tage durchziehen. Anschließend durchdrang der Duft der Thorner Kathrinchen, Steinpflaster, Pfeffernüsse und Pfefferkuchenmänner sowie -frauen das ganze Haus.

Die Schaufensterauslagen zeigten ab 1. Dezember ihr festliches Kleid und wir Kinder drückten unsere Nasen am Fenster des Spielzeugladens in der Hauptstraße platt und bestaunten, die oft unerreichbaren Schätze. Das jüdische Kaufhaus Sternfeld schmückte im 1. Stock ihre Nischen mit Weihnachtsmärchenbilder. Auch wir gingen mit unseren zusammengesparten 3-4 Dittchens stolz an einem der verkaufsoffenen Sontage, Geschenke für die Eltern aussuchen. Zuhause hing der selbstgewundene Adventskranz, mit roten Schleifen und Kerzen versehen, an der Stubendecke und oft wenn wir vom Schlitten fahren durchfroren heim kamen, brutzelten im Kachelofen die Bratäpfel. Zuerst wurde am Morgen das Türchen am Adventskalender geöffnet. Wir hauchten Löcher, in die von Eisblumen verzierten Fensterscheiben, um zu sehen ob es wieder neuen Schnee gab.

Nicht vergessen will ich den Abend vor Nikolaus. Da saßen wir in der Küche, vor dem Herd, auf den Boden und putzten unsere Schuhe blitzeblank. Nur dann brachte dieser uns Kinder Süssigkeiten. Unendlich langsam vergingen die Tage. Aus Buntpapier wurden lange Ketten gezaubert. Wir Mädchen häkelten Topflappen oder zogen Perlen für Untersetzer auf. Die Jungen hatten ihre Laubsägearbeiten, der Vater sägte und hämmerte im Keller und die Mutter war mit dem Königsberger Marzipan backen beschäftigt. Ganz kribbelig waren wir. Der Weihnachtsbaum wurde gekauft und die Türe zur "guten Stube" verschlossen. Es raschelte und knisterte geheimnisvoll da drin. Das Schlüsselloch war auch zugehängt und ganz selten, wenn die Tür aufging, gelang uns ein Blick auf den Weihnachtsbaum. Endlich kam der 24. Am frühen Nachmittag gings in die Kinderkirche und dann zu Hause dauerte es nich mehr lange bis zur Dunkelheit. Die Türe wurde geöffnet und unter dem strahlenden Christbaum lagen die Geschenke. Aber zuerst wurden Weihnachtslieder gesungen und die Gedichte aufgesagt dann erst war Bescherung. Es gab immer nur eine große Sache. Entweder Puppenstube oder Puppenwagen, Schaukelpferd oder Bauernhof. Dazu noch Mützen, Strümpfe, Schals usw. und ganz wichtig den "Bunten Teller". Anschließend zogen wir uns warm an und gingen nochmal unter dem Klang der Glocken in die Kirche. Meine Schwester und ich spielten immer im Krippenspiel mit. Glücklich und zufrieden endete für uns der Heilig Abend wenn wir durch den tiefen Scnee mit unseren Eltern heimwärts gingen. Und immer, nicht nur zu Weihnachten, wenn wir unter den sternenklaren Himmel durch die verschneiten Strassen gingen, sagten wir das Gedicht von j. v. Eichendorff auf:
Markt und Strassen sind verlassen
still erleuchtet jedes Haus
sinnend geh ich durch die Gassen
alles sieht so festlich aus