Von Robert Reinick

Am Strande der Ostsee,in der alten See- und Hansestadt Danzig, sah
man vor langer, langer Zeit ein munteres freundliches Kind durch die
Straßen wandern.Es trug ein leuchtend blaues Kleid, mit Silber
besetzt, und einen Silberreif im Haar.Die Leute nannten es Silber-
Elfchen.Niemand in der Stadt wußte, woher das Kindchen kam, und da es
selbst nicht darüber sprach, niemanden zur Last fiel, nur so mit
leuchtende Augen durch die Straßen wanderte, ließen sie es bewenden.

Silber-Elfchen war der gute Geist aller Menschen in Danzig, die sich
von Herzen lieb hatten und einander treu waren.Es sang ihnen kleine
süße Liedchen vor und machte ihnen auch Geschenke. Das verwunderte
viele Menschen, doch das Silberelfchen war nun einmal da, und da
niemand sagen konnte,woher es seine hübschen Geschenke nahm, auch
niemand zu sagen wußte, es sei unrechtes Gut, ließen die Leute es
gewähren.
Eines Tages nun sprach man in der Stadt davon,dass in einer kleinen
Gasse zwei gute Menschen wohnten, die in den nächsten Tagen das Fest
der Silberhochzeit feiern könnten.Doch sie seien arm, zu arm, um eine
Festlichkeit auszustatten oder sich Geschenke machen zu können.

Silber-Elfchen hörte davon, dachte nach und flog davon.Über den
Holzmarkt und die Altstadt bis hin zum Adlerhorst, wo die grünen
Kiefern ihre Wurzeln in den Wellen der Ostsee baden.Hier saß auf
einem Felsblock ein Kind, das war der Frühling.Es hatte einen
Sonnenstrahl in der Hand und ließ, mitten im Winter, Schneeglöckchen
und Primeln aus der Erde sprießen.Mit dem Frühling beprach sich das
Elfchen, und sie gingen gemeinsam zur Grotte am Ufer der Ostsee, wo,
wie jeder Mann und jede Frau aus Danzig wissen, die Seejungfrauen
wohnen.Die beiden Kinder berieten sich mit den Seejungfrauen, und
diese tauchten in die Tiefe hinunter und holten-weil es sich ja nun
um eine Silberhochzeit handelte-silberne Rosen und silberne Kränze
vom Meeresboden empor.Das Elfchen sagte tausend Dank und flog davon-
und die Seejungfrauen und der Frühling freuten sich.
In der Stadt Danzig wieder angekommen, ging das Elfchen zu einem
Goldschmied.Der Goldschmied aber war ausgegangen,und in seiner
Werkstatt spielten seine Kinder mit einem wunderschönen Buch aus
Silber.Das Elfchen bestaunte das wunderschöne Buch, und als der
Goldschmied kam,, fragte es ihn, woher er das kostbare Buch habe.Da
flüsterte der Schmied:" Das haben mir die Gnomen geschenkt, die unter
Danzigs Häusern wohnen.Sie schaffen mir Silber und ich schaffe ihnen
Eisen."-" Wenn sie dir Silber schaffen,dann werden sie mir auch
sicher einen Silberteller hämmern, den ich den guten Leuten schenken
will.Bitte, Schmied, führe mich zu ihnen."
Der Goldschmied wollte zuerst nicht, doch da das Elfchen so
allerliebst bitten konnte, führte er es unter die Häuser von Danzig,
wo die Gnomen sitzen und fleißig arbeiten.Das Elfchen wurde vor den
Berggeist gebracht." Ach bitte", sagte es, " ich möchte zwei
Menschen, die allzeit gut und treu miteinander gewesen sind, eine
Freude machen.Kannst du mir nicht einen silbernen Teller machen?"-
"Für dich habe ich Teller in Hülle und Fülle, Elfchen", lachte
der Gnomenkönig, " wir hier unten kennen dich auch." Er schickte die
Gnomen los,und bald kamen sie mit einem wunderschönen,aufs feinste
ziselierten Teller wieder.Silber-Elfchen bedankte sich von Herzen.
Auf der Erde wieder angekommen,legte der Goldschmied noch zwei
slberne Ringe dazu,, und dann flog das Silber- Elfchen davon und
schenkte den guten, treuen Menschen die silbernen Blumen und Kränze,
den Teller der Treue und die silbernen Ringe.Als die Leute sich mit
Tränen in den Augen bedanken wollten,da war das Elfchen verschwunden.

In Danzig aber galt seit diesem Tage das Silber als Zeichen der
Treue.