Wer ist/war der "Bund der Danziger"? Nach dem Krieg gegründet, war es viele Jahre die einzige Interessenvertretung für die Danziger die ihre Heimat verloren hatten. Er leistete gerade in den Anfangs- und Aufbaujahren unschätzbare Hilfe. Er war Bindeglied zwischen den Danzigern, hielt die Erinnerung wach, schaffte es aber ab den 60er und 70er Jahren nicht mehr, dem eigenen Anspruch gerecht zu werden, Wissen und Kultur an nachfolgende Generationen und weitere Bevölkerungskreise weiterzugeben. Ein schleichender und sich über Jahrzehnte hinweg ziehender Vergreisungsprozess in der Führungsebene führte dort zu einem Realitätsverlust und zur Einstellung von Kontakten zu noch aktiven Gliederungen des Bundes der Danziger.

Der Vorstand des Bundes der Danziger beschloss, diesen zum 31.12.2008 trotz heftigen Widerstandes mehrerer Landesgliederungen sowie engagierter Einzelpersonen aufzulösen. Ein unrühmliches, ein beschämendes Ende droht für etwas, was einst groß begann...


Aus „Unser Danzig“, 1950, Heft Nr. 8, vom August 1950

Zur Geschichte des Bundes der Danziger
von Dr. Könnemann

Der Tag der Danziger in Hamburg ist die erste große Kundgebung der Danziger seit Kriegsende. Er ist das erste der Öffentlichkeit Deutschlands und der Welt ins Auge fallende Ergebnis der unablässigen, schon 1945 begonnenen Bemühungen um Einigung und Willensäußerung der gegen Recht und Menschlichkeit aus ihrer Heimat vertriebenen deutschen Danziger. Er wird den dafür Verantwortlichen zeigen müssen, dass jede auch noch so kleine Volksgruppe das Recht auf die Heimat und ungestörtes Eigenleben in ihr niemals aufgeben wird.

Die Grundlage für diese Willensäußerung ist die Vereinigung der Danziger, der „Bund der Danziger“. Es soll daher im Folgenden ein kurzer Überblick über die bewegten fünf Jahre der Entstehungsgeschichte dieser Vereinigung gegeben werden.
Als nach den betäubenden Schicksalsschlägen der Kapitulationswochen die erste Fühlungnahme unter den Danzigern erfolgte, sammelten sich in Lübeck, Kiel, Hamburg, Eutin, Flensburg und anderen Städten Nordwestdeutschlands, wo die Danziger besonders zahlreich saßen, lose Vereinigungen, die bald untereinander in Fühlung kamen. Lübeck mit seinen schon damals über 7000 Danzigern und dem Sitz des Danziger evangelischen Konsistoriums unter dem das Bischofsamt wahrnehmenden Oberkonsistorialrat Gülzow, in Bauten, Kulturstätten, Ostseelage und geschichtlichen Erinnerungen an manche Wesenszüge der Heimat erinnernd, wurde der Vorort dieser Sammelbestrebungen.

Am 6. Juni 1945 fand in der Briefkapelle der Lübecker Marienkirche die erste, von Pfarrer Gülzow einberufene Versammlung der Danziger statt, die unerwarteten Zulauf hatte. Hunderte von Landsleuten sammelten sich in und vor der Kapelle. In der Folgezeit hatten die in Pfarrer Gülzows Gemeindekirche, der modernen, innen durch lichte Formenschönheit ausgezeichneten Luther-Kirche am Stadtrand Lübecks veranstalteten Danziger Heimatgottesdienste starken Besuch. In jenen Monaten angstvoller Beaufsichtigung aller Heimatzusammenschlüsse durch alliierte und leider auch deutsche Stellen, ist es dankbar anzuerkennen, dass die Räume der Kirchenverwaltung Lübecks, die Kirchen und Gemeindesäle die Danziger aufnahmen, dass sie die Anlage der Kartei ermöglichten, die in der damaligen großen Wanderungsbewegung Tausenden von Landsleuten Adressen und Zusammenfinden vermittelte, dass unter dem kirchlichen Schutz auch die Zusammenkünfte der Männer und Frauen stattfinden konnten, die nun nach weitergehenden Formen des Zusammenschlusses suchten. Pfarrer Gülzow ist als erster Sprecher der Danziger aufgetreten in einer Zeit, als andere als kirchliche Berufe ausübenden Menschen jede Meinungsäußerung verwehrt war.

Die „Hilfsstelle beim evangelischen Konsistorium Danzig“, zog im August 1946 aus einer provisorischen Flurunterbringung nach dem vielen Danzigern noch bekannten Zimmer Koberg 18 um. Noch bevor es soweit war, fand am 17. Juli 1945 die erste einer langen Reihe Dutzender weiterer Besprechungen beim britischen Sicherheitsdienst (Secret Service) auf dessen Aufforderung hin statt und am 15. August die erste Tagung der Danziger Sammelstelle in Lübeck. Kurz darauf erteilte die britische Militär-Regierung die Genehmigung zum Zusammenschluss, die sich im September sogar zu einem nie befolgten Vorschlag zur Gründung einer „Partei der Danziger“ verdichtete. Damit begann die lose Vereinigung der Danziger Basis und Form zu erhalten. Der erste größere Selbständigkeitsversuch war eine Aktion für die in Dänemark befindlichen Landsleute (Frage der Rückführung, Familienzusammenführung und Postverbindung).

Es ist verständlich, dass die Bemühungen, den Zusammenschluss der Danziger über die kirchliche Form hinaus weiterzuführen, auch weiterhin verfolgt wurden. Das war schon deswegen nötig, um den Danzigern aller Konfessionen die Hand zu reichen, und auch, weil die Danziger kirchlichen Behörden, schließlich nur als Abwicklungsorganisation bestehend, in Auflösung begriffen waren, weil Pfarrer Gülzow zunehmend für kirchliche Aufgaben beansprucht wurde und weil endlich das Selbstbewusstsein der Danziger danach verlangte.

So wurde am 25. März 1946 durch eine zehnköpfige Gründer-Versammlung der „Bund der Danziger“ gegründet und zunächst ein dreigliedriger Vorstand berufen. Am 25. April 1946 erfolgte Eintragung in das Vereinsregister des Amtsgerichts Lübeck und vorgesehen war die baldige Wahl eines endgültigen Vorstandes auf demokratischer Grundlage. Die Form dieser Grundlage zu finden war sehr schwierig, zumal Wechsel der Persönlichkeiten durch teils ungeeignetes Verhalten, teils durch Fortzug den Vorstand zeitweise auf die Person des Unterzeichneten zusammenschrumpfen ließen.

So erfolgte das erste Rundschreiben „An die Danziger in allen Zonen“ erst im Dezember 1946 und zur gleichen Zeit der Aufruf zur Gründung von Ortsstellen. Dieser Aufruf hatte ungeahnte Erfolge und brachte den Bund innerhalb weniger Wochen auf über 10.000 Mitglieder. In diese wirkungsvolle Aufbauarbeit traf wie ein Blitz im März 1947 völlig unerwartet die Anweisung der britischen Militär-Regierung zur Auflösung des Bundes. Begründet war sie damit, dass die erste Genehmigung irrtümlich erfolgt sei. Nun übernahm wieder die „Hilfsstelle beim evangelischen Konsistorium Danzig“ die soziale Betreuung und die Bearbeitung der Kartei. Es hat mehr als ein Jahr nervenzerrüttender Kämpfe gekostet, bis nach Eingabe an den Kontrollrat in Berlin und an die Militärregierung in Holstein endlich im Juli 1948 die Genehmigung zur Weiterarbeit erhalten werden konnte. Es war in der Zwischenzeit gelungen, die Auflösung des Bundes in eine Stilllegung zu verwandeln, so dass mit dem vorhandenen Material unverzüglich an die weitere Arbeit herangegangen werden konnte.

Neben der weiteren Mitgliederwerbung und dem bekannten immer größer werdenden Bereich sozialer Arbeit, die durch die völlige Mittellosigkeit nach der Währungsreform besonders schwierig war, ging man nun daran, den Vorstand auf demokratischer Basis zu verankern und eine Vermittlung und Aufgabenabgrenzung zu dem im Juni 1947 erstmalig gebildeten Rat der Danziger und der daraus hervorgegangenen Vertretung der Freien Stadt Danzig, also zu den ausgesprochen politischen Organisationen zu bilden. Am 6. August 1948 ergab sich auf Grund der neuen Statuten des Bundes die Wahl des jetzt noch amtierenden Vorstandes durch die Bezirksbeauftragten, die ihrerseits durch die Masse der überall verstreuten Landsleute gewählt sind. Auf der Tagung des Rates der Danziger Ende August 1948 in Travemünde wurden diese Beschlüsse bestätigt und wertvolle Abgrenzung durchgeführt.

Die Aufgaben des Bundes
Es handelt sich bei den Aufgaben des Bundes um folgende:

1. Die Weiterführung und Bearbeitung der Kartei. Diese im Mai 1945 mit einem kleinen Feldpostkasten begonnene Kartei ist jetzt auf über 160.000 Adressen in fast 100 festen Kartenkästen angewachsen. Sie steht seit Anbeginn unter der bewährten Leitung von Fräulein Schütz. Neben ihrer laufenden Erweiterung ist im Aufbau begriffen eine Orts- und Straßenkartei, die in schwierigen Fällen schon oft geholfen hat. Sie steht in Zusammenarbeit mit allen Suchstellen auch in der Ostzone, dem DRK und IRO-Hilfsdienst für Kriegsgefangene, den Entlassungslagern, Jugendämtern, allen konfessionellen karitativen Verbänden usw. Entlassene Kriegsgefangene fragen nach ihren Angehörigen, mit denen sie jahrelang nicht in Verbindung standen, gesucht wird nach ehemaligen Vorgesetzten, Lehrherren und Lehrern betr. Zeugnisse und Bescheinigungen. Landsleute suchen Zeugen, die bestimmte Versicherungsverhältnisse beglaubigen können oder auch Renten- und Pensionsansprüche; Reichsdeutsche nach jungen Mädchen, die sie in unserer Heimat kennen lernten. Der Versuch, die Kartei noch nach verschiedensten Richtungen auszubauen, wird leider erschwert durch mangelhafte Angaben der Ortsstellen, Nichtmeldung der Landsleute, die in Dänemark waren oder nach Süddeutschland umgesiedelt sind, oder derer, die seinerzeit als Soldaten entlassen worden sind. Das Danziger Adressbuch als Beilage des Mitteilungsblattes hat großen Anklang gefunden und soll auch weiter fortgeführt werden.

2. Das Mitteilungsblatt, Nach vielen Bedenken und pessimistischen Voraussagungen erschien es zunächst im Dezember 1948 als Rundschreiben. Auch hier hat es monatelange Mühen und Rückschläge gegeben, bis die einwandfreie Lizenz auf Grund des Namens des Unterzeichneten als Lizenzträgers erfolgen konnte. Die Auflagehöhe ist auf über 14.000 gestiegen. Dies ist ein Hundertsatz, der im Verhältnis zu der Zahl der Danziger weit über dem der Blätter aller anderen Vertriebenen-Verbände liegt. Die Leitung des Bundes glaubt, dass gerade den außerhalb der großen Ortsstellen wohnenden Landsleuten mit diesem Blatt viel Heimat- und Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben werden kann. Der unerwartete Tod des ersten Redakteurs Wolfgang Federau hat uns große Schwierigkeiten bereitet, zumal die Arbeit an dem Blatt von Mal zu Mal größer wird. Es wird versucht, durch große Vielseitigkeit allen Landsleuten etwas zu geben.

3. Der immer größer werdende Aufgabenbereich im Kampf um Pensionen, Rentenansprüche, Versicherungsansprüche, Kredite hat zu weitgehender Verzahnung mit den Stellen des Sekretariats und der Vertretung geführt Die Leitung des Bundes ist unablässig bemüht, grundsätzliche Fragen zu klären, und glaubt, dass durch ihr Gewicht und das Ansehen, das der Bund zweifellos bei zahlreichen Behördenstellen gewonnen hat, schon manchem geholfen werden konnte. Trotz diesem großen und immer größer werdenden Aufgabenbereich ist die Leitung unentwegt bestrebt, mit einem Mindestmaß an Mitarbeitern und bezahlten Hilfskräften auszukommen, und sie glaubt, dass dies bisher auch gelungen ist. Es sei hier ausdrücklich hervorgehoben die große Uneigennützigkeit, mit der zahlreiche in Recht und Wirtschaft erfahrene Landsleute uns mit Rat und Tat helfend zur Seite stehen.

4. Die Hilfe für unsere Jugend erscheint besonders dringlich. Die Leitung des Bundes hat versucht, durch Übertragung dieser Aufgabe auf eine besondere Jugendorganisation, Jugendgruppen bei den Ortsstellen zu gründen und diese auch mit dem notwendigen Hilfsmaterial und der notwendigen Unterrichtung für ihre Arbeit zu versehen. Diese Arbeit ist noch in vollem Aufbau begriffen.

5. Eine besonders schwierig zu lösende Frage ist die Stellung des Bundes zu den anderen Organisationen der Heimatvertriebenen. Diese Frage ist besonders heikel, weil wir einerseits verpflichtet sind, der besonderen Rechtslage Danzigs Rechnung zu tragen und hiervon nichts aufzugeben, weil wir andererseits die Ansprüche der Danziger als Vertriebene innerhalb Deutschlands wahrzunehmen ebenso gehalten sind. Die Zurückhaltung des Bundes gegenüber den in Gärung begriffenen und fortlaufend sich umformenden Vertriebenenverbänden ist berechtigt gewesen, wenn sie auch uns manches Missverständnis nicht nur vonseiten der anderen Deutschen, sondern leider auch von Landsleuten, die die Schwierigkeiten nicht übersahen, eingetragen hat. Der Bund ist im Augenblick dabei, dieses Problem befriedigend zu klären und wird in diesen Bestrebungen durch die Arbeit vor allem von Dr. Dr. Langgut in dankenswerter Weise unterstützt. Es ist zu erwarten, dass hierin bald eine feste, dauerhafte Stellung bezogen werden wird.

6. Auf weite Sicht gesehen wird mit dem zunehmenden Aufgabenkreis auch der Vertretung der Freien Stadt Danzig die Frage aufgeworfen und geklärt werden müssen, wie weit der Bund, als die große Sammlungsbewegung aller Danziger, in die großen Gesamtziele unseres Danziger Strebens endgültig eingebaut werden wird. Die Beziehungen zur Vertretung der Freien Stadt Danzig sind so eng und freundschaftlich und werden durch das Verständnis der führenden Männer der Vertretung auch für den Bund so erleichtert, dass die Leitung des Bundes auch hierin vertrauensvoll in die Zukunft blickt und überzeugt ist, dass auf die Dauer und im Großen gesehen alle dem Wohl Danzigs dienenden Einrichtungen auf dasselbe Ziel hinsteuern. Es sei hier besonders dankbar der Landsleute Dr. Sternfeld und Dr. Dr. Langguth gedacht, deren opfervolle Arbeit für die Vertretung der Freien Stadt Danzig es ihnen immer noch ermöglicht, auch dem Bund der Danziger ihren Einfluss, ihre juristischen und staatsrechtlichen Kenntnisse zur Verfügung zu stellen. Beide und eine ganze Reihe anderer Landsleute sind seit Jahren auch stets und unermüdlich bereit, Einzelpersonen, deren Anliegen und Nöte aus dem Bund heraus an sie herangetragen werden, uneigennützig und selbstlos zu helfen. Ebenso ist es eine Pflicht der Dankbarkeit, der Bezirksbeauftragten, der Ortsstellenleiter und zahlreicher anderer Landsleute zu gedenken, auf die sich der Bund jederzeit verlassen kann und die jederzeit ihre Zeit und Kraft in den Dienst unserer gemeinsamen guten Sache stellen. Grade die Rolle und Stellung der genannten Persönlichkeiten in der Danziger Gesamtarbeit ist ein beglückender Beweis für die absolute Einigkeit, die über unser Ziel besteht.

Am Ende dieses Überblicks sei der eigentlich überflüssige Appell an alle Landsleute wiederholt, den Bund, als einzige Willensorganisation der Danziger Bevölkerung, durch Mitgliedschaft in den Ortsstellen, durch finanzielle Zuwendungen, soweit ihnen die Lage das ermöglicht, aber auch durch Arbeit bei den Ortsstellen und am Mitteilungsblatt nachdrücklichst zu unterstützen. So sehr wir dankbar jede, auch kritische, Mitarbeit an unseren Bestrebungen seitens zahlreicher Landsleute anerkennen, so müssen wir andererseits ebenso leider feststellen, dass es immer noch unzählige Danziger gibt, die, obwohl sie materiell, zeitlich und ihren Fähigkeiten nach es könnten, uns nicht helfen. Unser seinerzeit von vielen belächelter Optimismus hat schon Früchte getragen. Wie schon früher einmal gesagt, wissen wir, dass aus Nichts Nichts kommt, dass aber der Versuch, unsere Lage durch Einigkeit und Mitarbeit zu meistern, doch einmal zum Ziel führen und zum mindesten uns in die Lage versetzen wird, dass wir uns vor unseren Kindern, in Not geraten, nicht zu schämen brauchen.

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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang