Folgenden Beitrag schrieb Erwin Völz im Oktober 2001 in unserem Vorgängerforum Danzig-L




Liebe Danziger Freunde,

im August 1945 stand unsere Familie in Danzig-Praust vor der Entscheidung in der Heimat zu bleiben. Wieso? Mein Vater Reinhold Völz, damals 41 Jahre alt war Lokomotivführer und das schon vor dem 01.09.1939. Er hat von 1918-1920 in Dirschau Maschinenschlosser gelernt. Meine Mutter stammte aus Landau in der Danziger Niederung. Mein Großvater Franz Völz war ebenfalls Eisenbahner in Konitz, stammte aus Schlochau, arbeitete als Oberweichensteller und verließ nach dem Versailler Vertrag den polnischen Korridor, ging nach Hohenstein im Freistaat Danzig. Und es ist den Danzig-Kundigen bekannt, dass die Danziger Eisenbahn in der Freistaatzeit unter polnischer Bahnverwaltung stand. - Mein Vater lehnte die nationalsozialistische Bewegung ab, hat dieses auch mal seinem damaligen Heizer vor 1939 gesagt als er ihm einen "STÜRMER" verkaufen wollte. Kannst ihn zerschneiden und auf dein Klo hängen, hatte er geantwortet.

Am 01.09.1939 hatte mein Vater um 6:00 Uhr Dienstbeginn und wurde mit anderen Polen und Deutschen als unzuverlässige Person an die Wand gestellt. Der Heizer war bei der SS-Heimwehr und sortierte hier die Eisenbahner aus. Er hatte Glück im Unglück des Kriegsbeginns. Sein Dienstellenleiter holte ihn dort weg. - Diese Maßnahmen waren auch der Beginn des KZ Stutthof. -

Mein Vater war im 2. Weltkrieg nicht Soldat, sondern UK als Lokführer. Am 28.03.1945 kam mein Vater in sowjetische Zivilgefangenschaft, war in Graudenz als Schlosser im Brückenbau und später ab etwa Juni 1945 in NARVIKLAGER in Danzig. Die Gefangenen demontierten die Danziger Werften. - Wer hierzu etwas berichten kann, der schreibe bitte dazu !!! Ich werde auch hierzu später noch berichten. Ende Juli 45 wurde unser Vater entlassen. Er war totkrank, hatte die Ruhr, sehr dicke Wasserbeine, 50% seines Körpergewichtes verloren, er konnte nicht mehr gehen. - Die Kranken, die nicht mehr arbeiten konnten wurden, sofern sie noch lebten vor das Tor geworfen. Die Toten der Nacht - es sind nach Angabe meines Vaters 2 Anhänger voll gewesen, wurden zur Müllhalde Richtung Saspe gefahren und dort verscharrt.

Ich habe mit meiner Familie damals, abwechselnd, oft auf jenen Tag der "Entlassung" gewartet. Viele Frauen und Kinder lagerten dort und suchten ihre Väter. Wenn es den Sowjetischen Posten zu viel wurde und die Menschen durchdrehten und zu nahe zum Zaun liefen, wurde auch scharf geschossen. Es gab Tote Frauen und Kinder.

Danach wurde unser Vater mit Handwagen und Zug bis nach Praust geschafft und dort hochgepäppelt. In dieser Zeit kam in unser Einfamilienhaus im August die polnische Militz und ein Vertreter der PKP zu meinem kranken Vater. Sie hatten Informationen. Er solle sich verpflichten als Lokführer in Danzig zu bleiben. Das Haus konnten wir allerdings nicht behalten und die Situation des Völkerhasses war damals so brutal seitens der Polen, dass meine Familie nicht für Polen optierte.

Unsere Eltern fanden eine Möglichkeit sofort und fluchtartig unsere Heimat zu verlassen. Wir haben für unsere Abreise mit dem Zug, am 13. August 1945 1050 Zloty bezahlt. Das Geld hatten wir schon vorher durch Handel erworben und versteckt. -Dieser Handel ist noch eine besondere Geschichte. Über Dirschau - Konitz - Küstrin - Schneidemühl - Küstrin - Berlin - nach
Magdeburg sind wir sind wir 14 Tage unterwegs gewesen. Wir wurden überfallen, beraubt, geschlagen und verjagt. In Küstrin wurden wir in Viehwaggons gesperrt und in Freddersdorf bei Berlin, waren wir dann endlich frei beweglich. Einzelheiten hierzu habe ich in umfangreicheren Aufzeichnungen geschrieben.

Ein Vetter von mir kam mit der Tante erst 1960 aus Nikolaiken. Sie wurde als Arbeitskraft auf einem Gut festgehalten. Damals durfte im täglichen Leben dort kein deutsch gesprochen werden. Erst hier hat er dann noch einmal zur Schule gehen müssen. - So blieb aber auch eine Tante, die Kaschubin war und polnisch konnte dort. Später ist sie aber als Spätaussiedler mit ihrem deutschen Mann, Bruder meiner Mutter in der DDR, in Herzberg gelandet. So nun will ich Euch nicht länger damit langweilen.


Herzliche Grüße aus Freiburg von Erwin.