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Thema: Eine polnische Geschichte

  1. #1
    Aussie

    Standard Eine polnische Geschichte

    Gdansk, 10.September 2007.
    Der Flug von Luebeck mit 'WIZZ AIR' war angenehm und verging schnell in seinen 55 Minuten.
    Im vorhergehenden Jahr hatte mich Paul Sarbiniarz von der Deutschen Minderheit mit einem grossen Schild in der Hand erwartet und meinen Bruder, Vetter und mich zu seiner schoenen Villa in das fruehere Oliva gefahren. "Lech Walesa wohnt nur um die Ecke herum," hatte er uns stolz verkuendigt. Aber so sehr ich auch meinen Kopf reckte, Lech war nirgendwo zu sehen.
    In diesem Jahr befand Paul sich, nach dem Danziger Treffen, im selben Flugzeug wie ich und wir hatten einigen Spass.
    Aber dieses Jahr war Puck mein Ziel. Der jugendliche, geschaeftstuechtige Touristenunternehmer, Hotelier, Restaurateur, Chef und Forummitglied Dirk Kersthold wartete treu und geduldig auf mich. Ich erkannte ihn bereits von Weitem. Nicht alleine weil wir zuvor Foto's ausgetauscht hatten aber besonders weil er die Menschenmenge bei wenigstens Kopfhoehe ueberragte. (Das fand ich besonders hilfreich von ihm.)
    Eine andere Ueberraschung wartete auf mich in Form von Forummitglied Beate Stein und ihrem Ehemann. Wir hatten alle eine Tasse Kaffee und waehrend Beate und Mann nach Deutschland flogen, begann ich den abenteuerlichsten Urlaub meines Lebens.
    Als wir aus dem Terminal traten war es bereits stockdunkel. Dirk fuhr mit mir in einem seiner Busse durch die stille, regenfeuchte Nacht zu dem einstuendig entfernten Puck.
    In Puck und im Vorbeifahren wies er auf eine Mauer und meinte dass dahinter seine Familienpension 'Willa Smiesznotka' lag, er aber mich zu 'Bubi's' Fischerkate bringen wuerde.

    Die 'Fischerkate' entpuppte sich als ein zweistoeckiges Haus dass in der Nacht bereits sehr vielverheissend und romantisch wirkte. Es hatte sicher vor ewigen Zeiten einmal einer besser gestellten Fischerfamilie gehoert, aber ist seitdem neu renoviert worden um trotzdem nichts von seinem alten Charme einzubuessen.
    Der aeussere Anstrich ist weisser Kalk, der besonders attraktiv von den erhalten gebliebenen dunklen, gekreuzten Eichenbalken absticht.
    'Bubi' erwartete uns bereits draussen.
    'Bubi?'
    Ich fand einen ueberaus sympathischen, freundlichen Mann in den Fuenfzigern vor. Beileibe kein 'Bubi' mehr. Das Innere des Hauses ist freundlich und gemuetlich wirkend wie der Eigentuemer. Fussbodenbretter und Waende wurden mit hellem Holz (Buche?) versehen. Hier, wie draussen waren die alten, dunklen Eichenbohlen erhalten geblieben. Sie wirken wie das zerfurchte Gesicht einer alten, weisen Frau, der das Alter eine besondere Schoenheit verlieh.

    Bubi und Dirk fuehrten mich die Treppe hinauf zu meinem Domain. Dirk erklaerte mir dass er Bubi ausdruecklich eingeblaeut hatte mir sein bestes Zimmer zur Verfuegung zu stellen, was natuerlich der Fall war. Bubi folgt allen Anweisungen von Dirk mit treuester, ergebenster Gehorsamkeit, wie ich spaeter zu meiner erstaunten Belustigung, ausfindig machte.
    Das Zimmer war sehr geraeumig mit abgeschraegten Waenden, einem Erkerfenster zu jeder Seite, einem 'en suite' Badezimmer und einem grossen Balkon.
    Beide verliessen mich darauf, nachdem sie ueberzeugt waren dass ich dort gut aufgehoben
    war und Dirk mir mitteilte dass ich morgens bei ihm zum Fruehstueck erwartet werde.

    Und somit begann fuer mich ein unvergesslicher Urlaub fuer den ich Dirk, Bubi und Tomek unendlich dankbar bin.
    Am naechsten Morgen inspizierte ich zunaechst mein zu Hause fuer die naechsten 16 Tage. Ich fand dass das eine Fenster auf ein kleines Hospital sah und das andere auf ein Gebaeude welches sich spaeter als ein Funktionszentrum entpuppte in welchem am Wochenende oftmals Hochzeiten statt fanden. Von der linken Seite des Balkons hatte ich einen Blick auf einen gruenen Rasen, einen riesenhaften samtbraunen Hund und einen Mann und Frau. Das waren Andreas, Bubi's Vetter (Hans in allen Gassen) und dessen Schwester.
    Ich stieg leise die Treppe herunter um niemanden zu stoeren, weil das geraeumige Haus in totaler Stille lag.
    Kein Grund dazu. Es stellte sich heraus ich war dort zur Zeit total alleine.
    Tuer auf, Tuer zu und ich war auf meinem Weg zu Dirks Restaurant, total bewildert ob ich es finden wuerde oder nicht.

    Dirk's Restaurant
    Kein Problem!
    Die Touristen waren bereits fleissig am Ruesten und mein Platz reserviert!!!
    Ha, nicht so einfach! Dirk, der Arrangeur hatte mich neben ein nettes Ehepaar platziert, dass bereits auf den Fremdling aus Australien wartete.
    Das Fruehstueck war vielseitig und geschmackreich. Dirk erschien und sagte, dass wenn ich wollte, koennte ich mit einem seiner Busse bis nach Oliva mitfahren. In der Regel fuhr der Bus Fahrraeder oder Gepaeck zu und von einem Hotel auf Hel und dann zu und von einem Hotel in Oliva. Ich koennte jederzeit mitfahren, was ich in den kommenden Tagen gehoerig ausnutzte.
    Den ersten Tag wanderte ich nur in Puck herum doch am zweiten Tag nahm ich meine Gelegenheit wahr und fuhr mit Dirk's Bus mit.
    Der Fahrer war ein wortkarger Pole mit Namen Ziegmund. Wortkarg? Nur fuer die ersten paar Minuten, dann machte er ausfindig dass ich mit den Polen grosse Sympathy hatte, mich fuer die Polen interessierte und redete wie aufgezogen.
    Am naechsten Tag kam meine Gegenwart fuer ihn unerhofft und so musste sein armer Adjutant hinter uns auf einem wackeligen Stuhl, zwischen dem vielen Gepaeck sitzen!!!
    Unser Bernsteinkoenig Tomek hatte bereits bei Dirk nachgefragt wann ich komme und so nahm ich am folgendem Tag ein Taxi von Oliva um ihn im Manhatten Zentrum aufzusuchen.

    Tomek
    Ich hatte keine Ahnung wo das Manhattenzentrum war und der Taxifahrer ebenfalls nicht! Er hatte einen Knueppel neben sich liegen und ich war etwas besorgt darueber.
    Verzweifelt kramte ich eine andere Adresse von Tomek hervor.und dieses Mal nickte er mit dem Kopf und begann in halsbrecherischer Fahrt durch die Stadt zu sausen. Mein Magen blieb irgendwo in Oliva zurueck und meine Haare standen zu Berge. Das Schlimmste befuerchtend, stiess er ploetzlich einen Schrei der Erleichterung aus und ich sah die anscheinend richtige Adresse.
    Mir war gesagt worden dass ich ins dritte Stockwerk musste.
    Nachdem ich Anderen ins Haus folgte und mit dem Fahrstuhl zum dritten Stockwerk hoch fuhr, stand ich da wie ein blinder Ochse vorm Tor ???
    Wieder runter und wieder rauf und runter. Dann bekam ich die brilliante Idee die Namen der Einwohner zu studieren. Und siehe da! Chabas!! Zaghaft drueckte ich auf den Knopf und bangte...
    Eine jugendliche Maennerstimme antwortete und mein Herz sank.
    Ich sagte wer ich war. Die Reaktion war explosive. Der junge Mann teilte mir ganz aufgeregt mit, dass er mich holen wuerde. Also wartete ich.
    Es stellte sich heraus dass ich Tomeks Privatadresse erreicht hatte. (Na, so etwas!)
    Von wegen dritte Etage! Tomek und seine Familie, nebst Dackel wohnen im 10ten Stockwerk!
    Mit meiner Hoehenangst wurde mir bei dem Gedanken schon ganz schwummelig zu Mute.
    Tomeks Sohn 'Raf' rief seinen Vater im Manhattan Zentrum an. Der sagte dass er schnell ein Taxi rufen und mit mir zu ihm fahren sollte.
    Tomek wartete bereits aufgeregt am Strassenrand auf uns, bezahlte sofort das Taxi, ehe ich Zeit hatte und fuehrte mich dieses Mal zum richtigen dritten Stockwerk des sehr modernen, glitzernden Manhatten Zentrums.
    Eine, sehr schoene, grosse Dame kam uns entgegen. Es war Barbara, Tomek's Assistentin.
    Eine blonde Dame und ein Herr sassen an einem Tisch und unterhielten sich.
    "Das ist meine Frau Jagoda, sagte Tomek." Jagoda spricht kaum deutsch oder englisch und ueberliess die Unterhaltung Tomek.
    Der Mann entpuppte sich als ein frueherer Prodigy von Tomek. Spaeter erzaehlte mir Tomek die Geschichte:

    "Eines Tages kam ein junger Pole zu mir und sagte dass er nach Kanada auswandern wollte.
    Er fragte, ob er evtl dort einen Bernsteinverkauf anfangen koennte. Tomek riet ihm zu, sagte aber dass es nicht einfach sein wuerde. Dieser junge Mann aus Danzig's Armenviertel war sehr bestrebt es zu etwas zu bringen. Er arbeitete ruhelos Tag und Nacht um Privatleute und Geschaefte zu interessieren. Der Erfolg, und ueber Jahre hinweg, kam nur langsam und auf sehr schwere Kosten seines Privatlebens. Ausserdem plagte ihn das Heimweh nach Danzig.
    Jetzt aber war er soweit und er hatte genuegend Geld gespart um bald wieder heim zu kehren."

    Wir redeten und redeten ohne dass ich den Bernstein naeher zu sehen bekam. Es gab frischen Kaffee und Kekse aber kein Bernstein bis ich endlich aufstand und danach fragte. Tomek zeigte mir Schubladen und Schubladen voll schoenster Schmuckstuecke und ich suchte mir eine gewisse Menge Anhaenger und Ringe aus.
    Der Preis nebst gehoerigem Rabbat war wirklich bedeutend niedriger als irgendwo in der Stadt.
    Tomek praesentierte mir einen tollen Bernsteinanhaenger als Geschenk. (Dirk warnte mich spaeter dass ich den Anhaenger ja nicht in Danzig tragen sollte, da der mir sonst wohl vom Hals gerissen wuerde.) Mir war es etwas peinlich sein grosszuegiges Geschenk anzunehmen, aber er erklaerte mir dass seine Grossmutter ihm immer sagte dass man Geschenke immer akzeptieren muss, aber von Pruegeleien weglaufen soll. (Unser lustiger Tomek!)

    Deutsche Minderheit
    Es war Mittwoch und daher der Versammlungstag bei der Deutschen Minderheit. Tomek sagte dass es nicht weit war und ich dorthin zu Fuss gehen koennte. Er begab sich mit mir auf die Strasse und erklaerte mir den Weg.
    Die Eisenbahnunterfuehrung war der Clue. Doch danach war es aus mit mir. Eine nette polnische Frau machte einen Umweg und brachte mich zu der gewuenschten Adresse. Wie nett von ihr!
    Etwas bewildert stand ich zunaechst herum bis sich Jutta und Regina meiner erbarmten. Paul Sarbiniarz war anwesend und Siegfried den ich beim Danziger Treffen kennengelernt hatte und der auch neben mir im Flugzeug auf dem Weg nach Gdansk sass.
    Die Zeit verging schnell mit Vortraegen und viel Gesang, waehrend in den Hinterraeumen eine Skatpartie mit Jutta's Mann zugange war.

    Als alle aufbrachen, war ich ganz schoen verloren. Doch ein paar hilfsbereite Klubmitglieder halfen mir zum Langfuhrer Bahnhof, erstanden mir eine Fahrkarte und zeigten mir den Bahnsteig von dem ich nach Gdynja abfahren musste.
    Gesagt, getan. Als ich in Gdynja ankam wollte ich natuerlich mit dem Zug nach Puck.
    Pustekuchen. Alles Fragen nuetzte nichts. Am Ende machte ich ausfindig dass es das Ende der Saison war und kein Zug mehr nach Puck zu haben war. Einen Bus dorthin fand ich trotz Dutzende Anderer nicht. So ging ich zu dem naechsten Taxi und machte dem Fahrer klar wo ich hin wollte. Erst war er entsetzt und dachte dass ich mit angestelltem Meter fahren wollte. Doch wir einigten uns dann ohne Meter und auf eine Summe von 100 Zloty.

    Was ist es mit polnischen Taxifahrern! Ich hielt mich mit beiden Haenden an meinem Sitz fest waehrend er in Rennfahrertempo durch die Gegend brauste. Ich fragte ob er der polnische SCHUMI waere und wurde mit einem Laecheln belohnt.
    Endlich Puck!
    Trotzdem ich einen Strassenplan und Dirks Adresse hatte, musste der arme Fahrer dreimal den ganzen Ort von vorne nach hinten durchqueren bis ich ploetzlich Dirks Mauer erkannte.
    Ich war so gluecklich dass ich heil und sicher an Ort angekommen war, dass ich dem armen Menschen 20 Zloty extra gab. Er protestierte zwar bescheiden, aber das war das Wenigste dass ich tun konnte.

    All das waere nicht noetig gewesen erklaerte Dirk mir. Zur linken Seite des Bahnhofs in Gdynja stehen immer Minibusse nach Hel, die in Puck am Bahnhof anhalten. Kostenpreis, wie ich von dann an ausfindig machte, sage und schreibe 6 Zloty.
    Ich hatte ein tolles, vielseitiges Abendessen bei Dirk und schluerfte mit meinen mueden, und schmerzenden Beinen zu Bubi's Fischerkate.

    Bubi's Familie
    Inzwischen hatte sich bei Bubi allerhand getan. Die Fischerkate und Bubi's Haus nebenan waren zum Bersten voller Leute. Der Anlass, wurde mir erklaert, war die Beerdigung von Bubi's 93 jaehrigem Vater, der von Dortmund, wo der Rest der Familie und auch Bubi ab und zu lebten, (Bubi's Frau hat eine Aerztepraxis in Gelsenkirchen) in seine Heimat ueberfuehrt worden war um auf dem Friedhof in Puck beigesetzt zu werden.
    Eigentlich haette ich wohl der Beerdigung und dem Beerdigungsschmaus beiwohnen sollen, obwohl ich von der Existenz der Familie erst seit drei Tagen wusste, doch war ich an dem Tag bei Tomek und der Minderheit.
    Als ich die Haustuer am selben Abend aufschloss standen mehrere Leute im Flur die mir sofort vorgestellt wurden. Da waren Bubi's Schwester, Mann, Mutter sowie ein Neffe.
    Am naechsten Morgen lernte ich besonders Bubi's schoene, blonde Schwester Lidia naeher kennen. sie erzaehlte mir etliches von ihrem Vater, dessem ereignisreicher Vergangenheit, und bei mir fiel ein Groschen.
    Ich erwaehnte dass ich unbedingt eine polnische Geschichte fuer mein neues Buch brauchte. Lidia sagte dass sie sowieso vorhatte ihres Vaters Erlebnisse niederzuschreiben, weil er laufend davon geredet hatte, aber dass ich mal mit ihrer Mutter reden sollte, die noch ein paar Tage laenger dort blieb.
    Ich sagte sofort mit Begeisterung zu.
    Zwei Tage spaeter hatte ich die Gelegenheit mit der netten Mutter zu reden, die mir aber nicht allzuviel sagen konnte, doch versprach dass ich die Geschichte haben koennte sobald Lidia damit begonnen haette.

    Nach ueber 5 Monaten bangen und Dirk's Hilfe, der dem armen Bubi zusetzte, erhielt ich eine E Mail von Lidia ob ich noch interessiert sei. Aber sicher!

    Eine polnische Geschichte

    Am 5. Maerz erhielt ich Lidias folgenden Bericht:

    Liebe Christa,
    Ich glaube ich fange von Anfang an. Also wuensche mir viel Glueck.

    Noch vor dem ersten Weltkrieg ist die Mutter meines Vaters nach Deutschland gefahren, um zu arbeiten. Wie Du mit Sicherheit weisst existierte Polen dann nicht mehr.
    Sie hatte eine uneheliche Tochter bei Ihren Eltern in Polen gelassen um Arbeit und ein besseres Leben in Deutschland zu finden.
    In Deutschland lernte sie einen anderen Polen kennen, der genau wie sie die gleiche Idee gehabt hatte
    Sie heirateten spaeter im Koelner Dom.
    Warum in Koeln und weil sie spaeter in Bremen landeten habe ich keine Ahnung. Jedenfalls hatten sie in Bremen spaeter 4 Kinder. In 1912 kamen zuerst eine Tochter, in 1914 mein Vater zur Welt, danach noch zwei Toechter.
    Inzwischen war der erste Weltkrieg ausgebrochen und Polen bekam danach seine Souveraenitaet wieder.
    Meine Grossmutter hatte immer heimliche Sehnsucht nach ihrer Tochter und ueberredete meinen Grossvater nach Polen zurueck zu kehren.

    Also kehrten sie 1919-1920 wieder nach Polen zurueck und lebten dann in der Naehe von Posen nicht weit von den Grosseltern in einem Dorf 'Sedowo' in der Naehe von Bydgoszcz.
    Sie kauften sich ein kleines Haus mit Garten, Teich und Ackerland. Ganz in der Naehe befand sich ein Wald.
    Also ein ganz schoenes Plaetzchen. Doch trotz alledem waren sie dort sehr arm.

    Kindlose Kindheit

    Die Kinder konnten kein polnisch und wurden von den anderen Kindern viel als "German" beschimpft und gehaenselt.

    Meines Vaters Kindheit war sehr schwer. Er musste jeden morgen in den Wald um Holz zu sammeln, damit der Herd zum Kochen geheizt werden konnte und genuegend Brennmaterial fuer den Winter da war.
    Wie mir mein Vater erzaehlte, hatte er die ganze Scheune voller Holz gesammelt und sich gefreut jetzt endlich etwas Ruhe zu haben, als seine Grosseltern das ganze Holz verkauften und er wieder erneut anfangen musste.

    Inzwischen kamen noch 2 Jungen und eine Tochter zur Welt. Die sieben Geschwister wollten essen.

    Zwischendurch musste er natuerlich zur Schule gehen. Zum Lernen blieb zu Hause keine Zeit, das musste er auf dem Weg zur Schule machen. Auch zum Spielen und rumtoben war keine Zeit. Wenn es im Wald Beeren und Pilze oder es etwas anderes essbares gab musste er dieses ebenfall sammeln.

    Schulende
    Kurz nachdem mein Vater sein letztes Hauptschuljahr absolviert hatte und im Alter von knapp 14 Jahren zog er von zu Hause weg um bei einem deutschen Bauern zu arbeiten damit er Geld verdienen konnte um weiter lernen zu koennen.
    Danach fand er eine Lehrstelle bei einem Schustermeister in Strzelno bei Posen, bei welchem er seine Lehre als Schumacher (wie sein Vater und auch Grossvater vaeterlichereseits) anfangen und die Berufsschule besuchen konnte.

    Nach 3.5 Jahren Lehre wurde er anerkannter Schumacher und machte kurz danach seine Meisterpruefung. Er entschloss sich danach nach Gdynia zu gehen. Dort wohnte eine Tante von ihm. Auf diese Weise hatte er erst einmal eine Bleibe und konnte gleichzeitig als Schumacher arbeiten.

    Als er 19 Jahre alt war wurde er zum Militaer einberufen und wurde eiin Ulan.
    Nach der Militaerausbildung ist er zurueck nach Gdynia gegangen und arbeitete weiter als Schumacher.

    Krieg

    Als mein Vater gerade 25 Jahre alt war brach am 1.September 1939 der Krieg aus. Also setzte mein Vater sich in den Zug und wollte zu seinen Eltern zurueck fahren.

    Leider kam der Zug nur bis Danzig, wo der Zug von deutschen Truppen angehalten wurde. Alle Maenner die im Militaeralter waren wurden sofort verhaftet.

    Mein Vater ist in das KZ Lager Stutthof bei Danzig gekommen und erhielt die KZ Nummer 5710

    Weil die Deutschen einen Schumacher brauchten, um die Wehrmachtsschuhe zu reparieren, benoetigten sie meinen Vater in deren Werkstatt. Trotzdem er schwer arbeitete waren die Essensrationene sehr knapp. Er hat staendig gehungert.

    Taeglich starben sehr viele Menschen an Hunger, Unterkuehlung und Krankheiten wie Tuberkulose und Typhus und wurden zum Krematorium gebracht um verbrant zu werden.

    Eines Tages erkrankte auch mein Vater an Typhus und wurde noch lebendig vor das Krematorium gelegt. Dort setzte sich ein Arzt 'Dr Wegrzynowicz', der ein Mithaeftling war bei der Gestapo fuer meinen Vater ein. Er erklaerte der Gestapo sehr ueberzeugend von der Wichtigkeit der Arbeit meines Vaters und durfte meinen Vater wieder zurueck holen, wo er ihn gesund pflegte. Und so ist mein Vater vom Verbrennen gerettet worden.

    Mein Vater erzaehlte mir, dass auch Menschen die noch am Leben waren in den Ofen geschoben und am lebendigen Leibe verbrannt wurden.
    Als der Winter kam sind viele erfroren, weil sie keine warme Kleidung hatten und so abgemagert waren dass sie keine Abwehrkraefte mehr besassen.

    Wenn jemand starb stuerzten sich die Menschen sofort auf das Bett und untersuchten ob vielleicht irgendwo noch ein wenig Brot versteckt war. Dieses wurde dann dem Schwaechsten gegeben, damit er weiterleben konnte.
    Der Kampf des Ueberlebens dauerte fuer meinen Vater 5 Jahre.
    Jedes Mal wenn die Menschen Flugzeuggeraeusche hoerten hofften sie auf Rettung, doch es passierte nichts.

    Todesmarsch nach Piasnica





    Fortsetzung folgt.
    Geändert von Aussie (10.03.2008 um 06:40 Uhr)

  2. #2
    Moderatorin Avatar von Helga +, Ehrenmitglied
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    Zitat Zitat von Aussie Beitrag anzeigen
    aber besonders weil er die Menschenmenge bei wenigstens Kopfhoehe ueberragte. (Das fand ich besonders hilfreich von ihm.)
    Hallo Christa,

    ein schöner Bericht. Besonders schön finde ich, daß Dirk so nett war, alle Anderen zu überragen.:surprised:Hab gar nicht gewußt, daß er so entgegenkommend ist.

    Schreib nur bald weiter, ich freu mich aufs weiterlesen.
    Viele Grüße
    Helga

    "Zwei Dinge sind unendlich, die menschliche Dummheit und das Universum, beim Universum bin ich mir aber noch nicht sicher!" (Albert Einstein)

  3. #3
    Aussie

    Standard

    Zitat Zitat von Helga Beitrag anzeigen
    Schreib nur bald weiter, ich freu mich aufs weiterlesen.
    Liebe Helga.
    Wie so oft wenn ich an einer Geschichte arbeite, bekommt diese ein stoerrisches Eigenleben und rennt mit mir in einer ganz anderen Richtung davon. Werde diese wieder versuchen zurueck in die eigentliche Bahn zu lenken, naemlich zu der geplanten polnischen Geschichte, kann aber nichts versprechen. Dein Danzig Bericht war sehr ergreifend. Was haette ich gegeben meinen Vater bei mir zu haben.
    Liebe Gruesse, Christa.

  4. #4
    Forum-Teilnehmer
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    Braunfels
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    870

    Standard Bubi's Familie

    Liebe Christa, eine außerordentlich lebendige Schilderung Deiner Danzigreise, die mich ganz gespannt macht auf Bubi usw. Auch fand ich schön, wieder etwas von Tomek zu hören. Er ist der einzige aus dem Forum, den ich schon einmal gesehen habe, nämlich bei meiner Danzigreise im Sommer 07.Auch da haben wir das Manhattan lange gesucht und sind 2 - 3 mal diese lange Straße in Richtung Oliva herauf- und heruntergefahren. Ja, also, schreib bald weiter, Grüße von Renate aus Braunfels

  5. #5
    Aussie

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    Gesagt Getan, ein Mann ein Wort! Am naechsten Tag schon fuhr er fort!
    (Christopher Kolumbus)

  6. #6
    Aussie

    Standard

    Zitat Zitat von Felicity Beitrag anzeigen
    Liebe Christa ! ein ganz frohes und gesegnetes Osterfest wuenschen im Kreise Deiner Familie und viel Spass beim Eiersuchen. Alles Liebe und Gute von Deiner Feli.
    Liebste Feli.
    Wuensche auch Dir ein gesegnetes Osterfest! Mit Eiersuchen hat sich nichts mehr. Die Zeiten sind leider vorbei, die Familie zu modern. Im alten Haus war es immer zu schoen. Wir hatten einen grossen Garten und viele Verstecke. Ich musste verstecken und mein Mann war der Erste draussen zum Suchen. All die vielen Enkel liefen herum mit ihren Koerben bewaffnet. Doch ich hatte eine grosse Schuessel auf dem Gartentisch wo alle Eier, je 10 pro Kopf, hineinkamen. Danach wurde redlich geteilt denn einige Kinder waren flinker als die anderen. Schoene Erinnerungen. Ich bin ja keine Schokoladentante aber meine Schwiegertochter sieht immer zu dass ich eine Schachtel erlesener Haigh Schokoladen bekomme. Viel besser als Eier.
    Liebe Gruesse, Deine Christa.

  7. #7
    Forum-Teilnehmer Avatar von Tomek
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    11.02.2008
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    Danzig
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    28

    Standard

    Hallo Christa!
    Gerade hatte ich Zeit genug, um Deine Geschichte im Ganzen lesen zu konnen. Vielen Dank fuer viele nette Berichte wo auch ich "gespielt" hatte. Es war doch nichts was ich Dir geholfen hatte! Ich feue mich (und meine ganze Familie freut sich auch daueber) dass ich Dir persoenlich kennenlernen konnte! Bis zum 2009!
    Alles Gute
    Tomek

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