Übernommen aus Danzig-L
Beitrag von Wolfgang am 14. März 2006



VERKEHRSSCHULUNG

Erschien in den Danziger Neuesten Nachrichten am 03. Februar 1934

(Ende Januar und Anfang Februar veranstaltete die Danziger
Schutzpolizei eine Verkehrsschulungswoche, in der sie in Wort und
Schrift das Publikum mit Höflichkeit aber auch mit Nachdruck über die
Regeln des großstädtischen Verkehrs belehrte. Schupobeamte geleiteten
Fußgänger, die falsch gingen, auf den rechten Weg.)

Willste, Mänsch, nich unterm Auto kejeln,
wo dir reif fierm Krematorium macht,
Acht jenau auf des Väkehres Rejeln,
Wo ma uns so nätt jätz beijebracht!

Dänn ma lebt nu mal inne Epoche,
Wo ei'm leicht miteins was ieberfeehrt,
Däshalb is de Danzjer Schulungswoche
Fierm Väkehr hier all en Liedchen wert.

Ma tat's uns nich bloß mit Worte sagen,
Wie ma richtich im Väkehr väfeehrt,
Schwarz auf weiß konnt ma nach Haus es tragen,
Kunigunde sogar wurd belehrt.

Sie, bei die ma staunend all seit Jahren,
Sich jewundert, Kinder, noch und noch,
Daß die nich all längst is ieberfahren,
Is bekehrt sälbst durch die Schulungswoch!

Einsam fiehrt' en stilles Meedchenleben
Freilein Kunigunde Querkopp hier,
Hätt mit keinem Mänsch sich abjejeben,
Und kein Mänsch nich kimmert' sich um ihr.

Keine Kinder saachten auf ihr Tante,
(Zwar ne Katz hätt se zu Haus', na ja),
Sonst hätt se von wejen Anväwandte
Bloß en Stiefkuseng in Affrika.

Und so fiehlt sich Kunigunde wandeln
Außerhalb von jede Väkehr,
Und se tat de ganze Wält behandeln,
Als wänn kein Väkehr vorhanden weer.

Wie ein Stachelkaktus abjeschlossen
Lebt se ganz fier sich so stumm und still
Und se dacht sich einsam und vädrossen:
"Mir kann keiner, ich jeh, wo ich will!"

Doch de Woch, da lärnt ma es västehen,
Kunigunde sälbst wurd's beijebracht,
Daß kein Mänsch nich, wo er will, kann jehen,
Dänn das Auge des Jesätzes wacht.

Wieder sah man Kunigunde kraufen
Querkoppsch, schußlich, wie se's oft jetan,
Durch de Gassen, um was einzukaufen:
Glumse, Kamferspiritus, Baldrijan.

Wieder länkt in die Diagonale
Iebre Straßenkreizung sie dem Schritt,
Als en Schupo ihr mit einem Male
Feierlich vor de Pupille tritt.

Und was nie sie dacht je zu äleben
(Kunigunde steht und staunt und horcht),
Sieht sie: daß es doch en Mann tut jeben,
wo sich liebend um ihr Leben sorcht!

Dänn es bot der Schupo Kunigunde,
Ritterlich als Kawalier den Arm,
Und sie fiehlt: im tiefsten Härzensgrunde
Wurd's ihr wie in ihre Jugend warm.

Und obowhl's doch kalter Winter wieder
Und das olle Danzich weiß väschneit,
War es ihr, als blieht rings lauter Flieder
Weit und breit wie einst zur Maienzeit.

Und nu tat's ihr doch västohlen reizen,
Was ma ihr vleicht nich vädänken kann:
Ieberall, wo sich zwei Straßen kreizen,
Jing se quer! Schon kam der Schupo an,

Hielt ihr an, daß er ihr richtig leite,
bot dem Arm ihr, und se hakt sich ein,
Selich schritt se hin an seine Seite,
Nicht allein, o nein, nei fein zu zwein!

In de Hand drickt er ihr en Konziechen
("Rejeln fierm Väkähr"), hach, war das nätt!
Das väwahrt'se sich wie'n Liebesbriefchen,
Las es ahmds sogar noch speet im Bätt.

Und so lärnt se, wie im Stadtjetriebe
Ma zu jehn hat, vom Väkehr umtost,
Se studiert's nu gradezu mit Liebe,
Um es ändlich zu begreifen! Prost!