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Thema: Zivilistenschicksale am Ende des Krieges

  1. #1
    Aussie

    Standard Zivilistenschicksale am Ende des Krieges

    Hallo Belcanto-Joachim,
    Ich finde dieses Thema sehr wichtig. Nicht nur alleine fuer mich, aber auch fuer die juengere Generation. Wie sollten diese denn die Wahrheit erfahren? Es schwimmt sehr viel sachliches im Internet herum, doch viele wissen nicht wie sie an Erlebnisberichte herankommen. Hier nun besteht eine der Moeglichkeiten.
    Vor einigen Jahren setzte ich in unserem deutschen Klub eine ganz-seitige Annonce auf in der ich nach Danzigern suchte. Leider war der Erfolg nicht sehr gross, jedoch zwei Frauen waren darunter die sich in 1945 in Danzig befanden. Beide waren total seelisch zerstoert. Man konnte sich kaum mit ihnen unterhalten. Eine von ihnen lieh mir eine Kopie von Peter Poralla's Buch dass sie sich auf dem Computer abgedruckt hatte. (Nicht legal aber sie konnte sich nichts leisten, schon alleine nicht das gesalzene Porto nach Australien.)
    Was ich dort las veranlasste mich dazu dass ich das Buch unbedingt haben musste. Und so kam ich zu Erwin Voelz der den Auftrag nach Peter Poralla's Tod uebernahm die Baende dessen aufgeloestem Verlag zu verkaufen.
    Ohne recht zu wissen was ich tat uebersetzte ich 3 der ergreifensten Geschichten. Dann bat ich Erwin mir die Erlaubnis einzuholen diese benutzen zu duerfen. Und so entstand mein Buch: 'No Glory in War'.
    Es enthaelt viele Leidensschicksale, von Juden, Polen, russischen Kindern, etliche unserer Forummitglieder zu der Zeit in Danzig und die drei Poralla Geschichten. Feli's ist besonders aufstoerend und Helga ist sehr verstaendlich an dieser interessiert. Feli hatte ihre Erlebnisse kurz in englisch geschrieben aber ich habe sie mehr zusammengefasst und groesser ausgebaut.
    Mir wurde zuerst gesagt dass dieses Buch zu grausam waere, doch fand ich dass sich besonders Kinder fuer dieses interessieren. Die Wahrheit hat noch niemandem geschaded.
    Feli kommt mich im Oktober besuchen. Ihr Flug ist bereits gebucht. Ich habe noch eine Millionen Fragen an sie wie es damals in Danzig war und werde es Euch wissen lassen.
    Liebe Gruesse,
    Christa.

  2. #2
    Aussie

    Standard AW: Exekutionen an deutschen Wehrmachtsangehöriger

    Fiel mir gerade ein als ich hier irgendwas ueber hysterisch gelesen habe.
    Dieses kleine Gedicht ging unter uns Luebecker Krankenschwestern herum:

    "Krank sein darf die Schwester nie
    Und ist sie krank ist's Hysterie
    Und stirbt sie noch das arme Vieh,
    So war es trotzdem Hysterie.

    Dieses Gedicht steht nicht unter Copyright und kann frei benutzt werden.
    Viele Gruesse,
    Christa.

  3. #3
    Forum-Teilnehmer
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    Standard AW: Exekutionen an deutschen Wehrmachtsangehöriger

    Aussie!
    Irgendwie habe ich den Eindruck dass du dich wohl fühlst wenn du von all dem furchtbaren Geschehen in Peter Porallas Buch liest. Man könnte glauben du geniesst es. Die meisten von uns älteren haben dieses Buch schon Jahrzehnte lang. Viele unter uns im Forum haben eigene schreckliche Erlebnisse in Erinnerungen über die wir nicht hinwegkommen. Wir sind mehrere die damals dabei waren. Wer will seinen Kindern von den eigenen Vergewaltigungen erzählen? Wer will von den Vergewaltigungen und der Schande unserer Mütter. Grossmütter, Tanten usw. erzählen? Vielleicht kann man es wenn man nicht dabei war, wenn man es nur aus Büchern kennt. Meine beste Freundin damals gerade 13 Jahre alt wurde tagelang von mehreren Russen vergewaltigt und misshandelt bis sie ihren Verstand verlor und an den Folgen starb. Auch von anderen Mädchen die damals im Alter zwischen 13-17 Jahren waren kann ich tragische Geschehen erzählen - noch heute leiden einige von ihnen an ihren Alpträumen und Traumen.
    Nicht einmal meine eigene Urgrossmutter blieb verschont ihre Verzweiflung ist schwer zu beschreiben.
    Nein, meinen Kindern und Enkelkindern erzähle ich nicht alles. Ich erzähle vom 2. Weltkrieg was ich meine was sie wissen müssen, was zur Geschichte gehört

    Gruss
    /Elfi

  4. #4
    Forum-Teilnehmer Avatar von Belcanto
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    Standard AW: Exekutionen an deutschen Wehrmachtsangehöriger

    Hallo Christa, Hallo Elfi
    Wir kommen jetzt schon wieder in einen Bereich, den ich garnicht angestoßen habe.Jeder-das wurde schon betont- geht mit den Ereignissen anders um. Viele Frauen empfanden es als Schande, dass sie vergewaltigt wurden, weil unsere Gesellschaftsordnung eben so reagiert hat, und sich an falschen Wertmaßstäben orientierte. Es war eine Schande, wenn so etwas geschah! Als die Männer aus dem Krieg kamen und vielleicht auch noch Kinder aus diesen Vergewaltigungen hergegangen waren, wurden diese Frauen verstoßen. Hätte sie das fremde Kind umbringen sollen, damit niemand etwas merkt? Die Frauen haben geschwiegen und sollten jetzt-wenn auch nicht öffentlich darüber sprechen. Aber das war nicht mein Thema und verstehe wohl zu wenig davon, obwohl ich mich gerade mit diesen Frauenschicksalen-auch in meiner eigenen Familien beschäftigt habe.
    Das Frauen missachtet, unterdrückt und ausgebeutet werden, ist doch heute leider immer noch an der Tagesordnung- nur das sich die Geografie verschoben hat.Und deshalb möge uns Gott, vor Kriege, Elend, Not und Vergewaltigungen verschonen!
    Viele Grüße
    Belcanto

  5. #5
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    Standard AW: Exekutionen an deutschen Wehrmachtsangehöriger

    Das Frauen missachtet, unterdrückt und ausgebeutet werden, ist doch heute leider immer noch an der Tagesordnung- nur das sich die Geografie verschoben hat.Und deshalb möge uns Gott, vor Kriege, Elend, Not und Vergewaltigungen verschonen!

    Ja, Belcanto leider ist es so, Frieden auf Erden ist eine Utopie, Illusion und ein unerreichbarer Wunsch.

    Gruss //Elfi

  6. #6
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    Standard AW: Exekutionen an deutschen Wehrmachtsangehöriger

    Hallo Elfi,

    ich glaube kaum, dass Aussie diese Geschichten genießt. Ich habe auch sehr viel über den 2. Weltkrieg gelesen, insbesondere die persönlichen Erlebnisse. Darüber hinaus habe ich auch meine Familie befragt. Die einzige Genugtuung, die ich dabei empfand war die der Dankbarkeit, dass ich und meine Kinder es nicht erleben mussten.
    Was du sagst, dass du nicht alles deinen Nachkommen erzählen möchtest, wurde auch so in der Familie meines Vaters gehalten……..und das war falsch. Alles wurde verschwiegen, was Negativ war…….

    ……bis vor ca. 10 Jahren. Ich fing mit der Familienforschung an und es offenbarten sich so viele Fragen, denen man zunächst auswich.
    Dann fuhr ich nach Danzig und nahm meinen Vater mit. Ich wollte mitunter auch wieder das KZ Stutthof besuchen, wo mein Großvater umgekommen ist, also meines Vaters Vater. Dieses KZ habe ich zum ersten Mal als Kind in den 60er Jahren mit meiner Oma (Vaters Mutter) besucht.
    Welch eine Überraschung für mich als mein Vater kurz vor dem Besuch plötzlich sagte: „ Weißt du, ich war noch nie dort“. Ich dachte o.k., kann ich verstehen, zu viele Wunden, die aufgerissen werden, zumal ich von ihm wusste, dass er seinen Vater sehr vermisste und irgendwie sein Umkommen nie verwunden hat. Also sagte ich: „Wenn du nicht willst, dann gehe ich alleine, kein Problem.“ Seine Antwort war: “Nein. Ich komme mit. Einmal muss es ja sein.“ Irgendwie war das für mich schwierig, weil ich wusste, alleine wäre er auf die Idee nicht gekommen. Also hackte ich noch mal nach, ob er es wirklich will. Er bestätigte es und wir fuhren los. Ich hatte auch meine Kinder dabei. Meine Tochter war damals gerade 7 Jahre alt. An dem Eingang zum Stutthof steht ein Warnschild, dass man so junge Kinder nicht hineinnehmen soll. Ich orientierte mich aber an meinen eigenen Erlebnissen über Stutthof und wusste, dass es meiner Tochter nicht schaden wird, weil es inzwischen zu einer friedlichen Gedenkstätte mutiert ist, anders als ich es noch in den 60er Jahren erlebt hatte. Damals war es noch ein Ort, wo man das Grauen spürte, weil es noch nach 20 Jahren so geblieben ist, wie man es bei der Befreiung vorgefunden hat.

    In der ersten Baracke waren Zeichnungen von Insassen ausgestellt über die Foltermethoden und auf einer Zeichnung war ein Erhängter zu sehen. Als mein Vater diese Zeichnung sah, fing er an zu weinen. Meine Kinder, und ich glaube auch ich, haben meinen Vater zum ersten Mal weinen gesehen. Meine Tochter kam zu mir und fragte leise: „Mama, warum weint der Opa“. Ich erklärte ihr, wo wir waren und das an diesem Ort sein Papa umgekommen ist und zwar durch Erhängen. Darauf hin ging meine kleine Tochter zu ihm, schmiegte sich an ihn und tröstete ihn.

    Danach war der Knoten bei meinem Vater gelöst, er fing an zu erzählen. Als wir wieder zu Hause waren und ich Fragen hatte, erfuhr ich alles. Von der Angst vor den Bomben, seiner Sehnsucht nach seiner Mutter als er wegen den Bomben nach Dirschau zur seiner Tante geschickt wurde, die Sehnsucht nach seinem Vater bis zum Groll und die Vergewaltigung seiner Mutter, die er mitansehen musste.

    Ich hatte dabei das Gefühl, dass es ihm gut tat und auch seine Bemerkung: „Warum soll ich das alles ins Grab mitnehmen“ bestätigte mein Gefühl.

    Heute kann ich ihn alles fragen und er antwortet mir; dadurch ist auch unser Verhältnis inniger geworden.
    Ich kann ihn jetzt eher, aber auch seine Mutter, verstehen, auch deren Macken nachvollziehen, die ich früher verurteilt habe. Schade, dass ich es meiner Oma nicht mehr zeigen kann.

    Diese Verständigung und Innigkeit zwischen meinem Vater und mir wäre nie zustande gekommen, wenn ich sein wahres Leben nie kennengelernst hätte, sondern nur die erzählte (bzw. verschwiegene) Fassade.

    Wir betreiben Familienforschung und werden bestimmt über den einen oder anderen Vorfahren manches Positives aber auch Negatives erfahren. Dann werden wir denken: „O Gott …..von dem stammen wir ab?“
    Wissen wir aber, was ihn dazu getrieben hat, warum er so gehandelt hat?
    Wir können uns erst ein Urteil bilden, wenn wir seine Lebensgeschichte mit allen Einzelheiten kennen.

    Aber abgesehen davon, finde ich, dass die direkten Nachkommen, die mit uns noch Kontakt haben und uns kennen, erst recht ein Recht darauf haben, zu erfahren, was uns geprägt hat. Das sind wir Ihnen schuldig, damit sie kein falsches Bild von uns haben. Damit sie wissen, auch wir „Alten“ sind nur Menschen, die durch das Erlebte geprägt wurden.

    Liebe Grüße
    Magdalena

  7. #7
    Forum-Teilnehmer Avatar von Belcanto
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    Standard AW: Exekutionen an deutschen Wehrmachtsangehöriger

    Hallo Olaf
    Ja.
    Dieses Kapitel der Nächstenliebe- die es trotz des Krieges auch gab-, hat es verdient mal beachtet zu werden. Es gab auch viele polnische Familien, die elternlose Kinder, die in Danzig und anders wo herumirrten, eine Familie gaben. Viele Kinder haben es erst jetzt im Erwachsenen Alter erfahren, dass sie bei Pflegeeltern aufgewachsen sind. Das Fernsehen berichtete darüber.
    Damals gab es gegen solche humanen Menschen aus den eigenen Reihen, Vorbehalte und Ablehnung. Neben der finanziellen Not, hatten diese Familien auch gegen Vorurteile anzukämpfen.Deshalb kann man vor diesen Menschen, die mit anderen geteilt haben, ohneweiteres den Hut ziehen.
    Viele Grüße
    Belcanto

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