Übernommen aus Danzig-L
Beitrag von danziger1708 am 23. März 2001

[SIZE="3"]Abschied aus Westpreussen

ABSCHIED VOM HOF IM DANZIGER WERDER
am 24. Januar 1945 von Ernst Regehr

"DEIN WILLE GESCHEHE" SO SPRACH ICH STETS GERN;
ALS NOT MIR UND SORGE UND ELEND NOCH FERN.
WIR WAREN ZUFRIEDEN UND GLUECKLICH DAHEIM;
UND ES WAR UNS; ALS MUESSTE ES IMMER SO SEIN.

DA KAM JENER MORGEN; BESPANNT WAR DER TRECK.
DER FUEHREN UNS SOLLT' VON DER HEIMAT HINWEG,
VON UNSEREM LIEBEN UND TRAUTEN ZUHAUS.
HINWEG IN DIE KAELTE, IN NACHT UND GRAUS.
"LEBT WOHL UND GOTT SCHUETZ' EUCH!"
ES WAR MIR ZU SCHWER ZU SPRECHEN:
"DEIN WILLE GESCHEHE O HERR."
ICH KONNTE NUR SAGEN: "HERR, MUSS ES DENN SEIN?
NUR DAS NICHT, NUR DAS NICHT, O VATER MEIN!"

ICH GING DURCH DIE STUBEN, MICH SAH ALLES SO AN,
SO DASS ICH MICH WIRKLICH NICHT TRENNEN KANN:
DIE MOEBEL, DIE BILDER, DER VOLLE SCHRANK,
DIE TRAUTE ECKE, DIE OFENBANK.
HIER VERLEBT' ICH DIE SCHOENEN JUGENDJAHRE
HIER STAND MEINER ELTERN TOTENBAHRE:
HIER HAB' ICH GELEBT UND GELIEBT UND GESCHAFFT
MIT ALLER LUST UND ALL' MEINER KRAFT.
HIER WOLLT' ICH AUCH BLEIBEN, BIS
EINST ICH AUCH STERBE
UND ALLES DANN MEINEN KINDERN VERERBE.

DANN BEGANN SIE ZU SCHLAGEN, DIE ALTE UHR.-
EIN WENIG ZAGHAFT, O GLAUBT ES MIR NUR!
SIE MAHNTE IN PFLICHTERFUELLENDER ZUCHT:
DIE STUNDE IST DA, DIE STUNDE DER FLUCHT!
ICH BAEUMTE MICH AUF IN SCHMERZ UND IN PEIN:
MEIN GOTT, MEIN GOTT, KANN ES MÖGLICH WOHL SEIN?
MEIN HERZE,ES STRÄUBT SICH, DEN WEG JETZT ZU GEH' N
ES KANN DEN ALLMÄCHTIGEN NICHT MEHR VERSTEH' N

DIE HAEHNE KRAEH'N IN DEN FRUEHEN MORGEN
WER WIRD JETZT DAS LIEBE VIEH VERSORGEN?
DIE KUEHE WOLLTEN GEMOLKEN SEIN,
ICH MUSS IN DEN STALL, MUSS FUTTER STREU'N.
ICH LOESE DIE KETTEN, STREU' HEU IN DEN GANG,
SIE TRETEN DRIN' RUM, --SO REICHT ES NICHT LANG.
SO UNSINNIG ALLES ! - ACH, WASSER FEHLT NOCH .
DIE KRIPPE IST VOLL, UND WAS FEHLT JETZT NOCH?
EIN GANZER WEIZEN FUER'S FEDERVIEH-
SO TOERICHT GEFUETTERT HAB ' ICH NOCH NIE !

ICH LEHNTE MICH GANZ VERSTOERT AN DIE WAND,
DA KOMMT UNSER KAELBCHEN UND LECKT MIR DIE HAND.
ICH STREICHEL ES ZART. - WAS SOLL ES BLOSS WERDEN?
DAS IST DER UNFRIED' DER MENSCHEN AUF ERDEN!
ICH SCHAEM' MICH VOR'M VIEH, DAS ICH' S LASSE ALLEIN,
UND KANN ES NICHT GLAUBEN, DASS FUER IMMER 'S SOLL SEIN.

SCHON MAHNT MICH EIN RUFEN VOM WAGEN HER,
ICH HEB' AUS DEN ANGELN DIE STALLTUER SO SCHWER.
HIER KOENNT IHR HINAUS, WENN FEUER EUCH DROHT.
ICH SCHLEPP' MICH ZUM WAGEN.- DER MORGEN GLUEHT ROT.
DIE ALTE LINDE AM VATERHAUS.
STRECKT GRUESSEND DIE KAHLEN AESTE AUS.
DIE GAERTEN UND AECKER AM WEGESRAND
DIE MIR SO VERTRAUT UND WOHL BEKANNT,
VERBERGEN IHR ANTLITZ IN EIS UND IN SCHNEE,
SO LEICHENWEISS VOM TRENNUNGSWEH.

VOR VIERHUNDERT JAHREN WAR'S WUEST HIER UND LEER,
SUMPF, MORAST UND TUEMPEL - EIN BINSENMEER.
MAN RIEF EURE VAETER AUS NIEDERLAND
DA WURDE GEDEICHT UND ENTWAESSERT DAS LAND
DA WURDE GEPFLUEGT UND GESAET UND GEBAUT
UND FEST AUF GOTTES HILFE VERTRAUT.

WIR FELDER, WIR DANKEN EUCH EURE MUEH'
WIR TRUGEN DEN WEIZEN, WIR NAEHRTEN DAS VIEH.
IHR HABT UNS BESTELLT UND GEPFLEGT IM GLUECK:
WAS LASST IHR UNS NUN ALLEINE ZURUECK?
WIR WERDEN VEROEDEN, VERWILDERN, VERMODERN. --
RINGSUM SCHON DIE DOERFER IM FLAMMENSCHEIN LODERN.

SO MUSS ES DOCH SEIN, WAS NIE ICH GEGLAUBT !
DIE AUGEN VOLL TRAENEN, GEBEUGT DAS HAUPT,
DA DREHEN DIE PFERDE, WIE GEWOHNT SIE ES WAREN,
AM SONNTAG DEN WEG IN DIE KIRCHE ZU FAHREN
AUCH JETZT AM KREUZWEG GLEICH WIEDER EIN.
DOCH HEUTE GIBT ES EIN HARTES NEIN.
ICH GRUESS' NUR VON FERNE MEIN GOTTESHAUS,
ICH GRUESS' EUCH, IHR LIEBEN , DIE IHR DORT RUHT AUS.

ICH GRUESS' DICH O HEIMAT DU BLEIBST DOCH MEIN,
UND, WILL'S GOTT, WERD ICH BALD WIEDER BEI DIR SEIN!
WILL' S GOTT, WILL' S GOTT - O VATER, VERGIB
MEINE ZWEIFEL. HAST DU MICH NOCHLIEB?
UMWEHT VON KAELTE, ENTBEHRUNG UND NOT,
DA TRAT IN UNSERE REIHEN DER TOD.
ER SCHLOSS SICH UNS AN, ER BLEIBT BEI DEM TRECK
UND NAHM UNS DANN UNSERE LIEBEN WEG.
ES STARBEN DIE ALTEN, DIE KINDERLEIN,
MAN GRUB SIE SCHNELL EIN AM WEGESRAIN.

ES HEULTEN GRANATEN UND BOMBEN SO SCHRILL
ICH KONNT' ES NICHT GLAUBEN, DASS GOTT ES SO WILL.
WIR HABEN KEINEN MEHR AUFGEBAHRT,
DENN WEITER UND WEITER GING UNSERE FAHRT.
ENDLOS DER WEG, DIE HEIMAT ENTSCHWAND.
BEHUET' DICH GOTT, DU MEIN HEIMATLAND.
ENDLOS DER WEG, DER DIE FREMDE UNS BRINGT,
ENDLOS DIE SEHNSUCHT IM HERZEN NACHKLINGT.

WIR WANDELN IM GLAUBEN UND JETZT NICHT IM SCHAU' N ,
HERR, LEHR' UNS DAS EINE, DAS GOTTVERTRAU' N.
UND LEHR DU MICH SPRECHEN VON HERZENSGRUND,
DASS ICH SPRECH' MIT DEM HERZEN, UND NICHT MIT DEM MUND:
"DEIN WILLE GESCHEHE, UND NICHT WIE ICH WILL: "
SO WIRD MEIN UNRUH'GES HERZ DOCH STILL.
UND SIND RAUH MEINE WEGE UND DORNENVOLL,
ICH WEISS: DU FUEHREST MICH DENNOCH WOHL.

UND KANN ICH AUCH JETZT NOCH NICHT ALLES ERKENNEN,
WARUM ICH MICH MUSST' VON DER HEIMAT LOSTRENNEN:
"DEIN WILLE GESCHEHE, HERR, LASS MICH NICHT LOS!"
UND EINSTMALS IM STERBEN NICHT HEIMATLOS!"
DANN STRECKE, O HERR, NACH MIR AUS DEINE HAENDE
UND NIMM MICH ZU DIR: DEIN TRECK ZU ENDE."

"ICH FUEHRE DICH HEIMWAERTS MIT SICHERER HAND
INS VATERHAUS UND INS HEIMATLAND:
UND WAR AUCH IM FINSTEREN TALE DIR NAH
UND FUEHRE DICH RECHT, DENN MEIN WILLE GESCHAH. "