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Thema: Danzigs Entwässerung / Kanalisation

  1. #1
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard Danzigs Entwässerung / Kanalisation

    Schönen guten Abend,

    Danzig war eine der ersten Städte Europas mit funktionierender Kanalisation.

    Bis dahin war es aber ein langer Weg. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Abwässer überwiegend in die Mottlau geleitet. Zu dieser Zeit wies die Mottlau eine gewisse Strömung auf und so wurde der ganze Schiet in die Ostsee abgeführt.

    Das änderte sich... - wann???

    Was heute kaum jemand weiß: Der Weichseldurchbruch 1840 bei Neufähr hatte zur Folge, dass sich der Wasserstand in der Mottlau kaum mehr veränderte. Das mittlere Gefälle zur Ostsee hin betrug nur mehr ca. 5cm. Die Mottlau war zum stehenden Gewässer, zur gesundheitsgefährdenden Kloake verkommen.

    Ich werde zum Thema "Danzigs Entwässerung / Kanalisation" in der nächsten Zeit mehrere Beiträge bringen.

    Hier ein Auszug aus dem Buch von 1865 "Die Reinigung und Entwässerung der Stadt Danzig" von E. Wiebe, Geheimer Ober-Baurath":

    =====
    Es handelt sich in erster Reihe um die Verbesserung des Gesundheitszustandes und um die Verlängerung des Lebens vieler Tausende von Einwohnern. Dazu kommt der Gewinn an Behaglichkeit für die Bewohner der Stadt, durch die reinere Luft auf den Straßen sowohl, als in den Häusern und Höfen, nach Beseitigung der Ursachen so vieler übelen Ausdünstungen und der Feuchtigkeit in den Kellern und Mauern, die Möglichkeit der Verbesserung des Straßen-Verkehrs und die Erleichterung des Wirthschaft- und Gewerbe-Betriebes. In letzterer Beziehung möge die Hindeutung genügen, mit welchen Schwierigkeiten und Misständen die Einrichtung von Bädern, Wasch-Anstalten, öffentlichen Abtritten und Urinir-Anstalten, Schlächtereien, Gerbereien, Seifensiedereien, Gas-Anstalten, chemischen Fabriken, ja selbst von Pferde- und Viehställen im Inneren der Stadt verbunden ist, so lange es an einer leichten und unschädlichen Ableitung der verunreinigten Abflüsse fehlt. Wie viel leichter und vollkommener lassen sich die oft beschränkten Räumlichkeiten eines städtischen Grundstückes ausnutzen, wenn allen derartigen Bedürfnissen, ohne polizeiliche Hemmung und ohne Belästigung der eigenen Wohnlichkeit, Abhülfe verschafft werden kann.
    =====
    -----
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  2. #2
    Forum-Teilnehmer Avatar von waldkind
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    Standard AW: Danzigs Entwässerung / Kanalisation

    Guten Morgen Wolfgang,
    schön den Text lesen zu können. Ich fragte mich soeben, ob meine Geschichte bezüglich der Wasserspeier, die ich schreiben wollte und auch geschrieben habe, anders ausgeschmückt worden wäre, wenn ich diesen Text aus dem Buch von E.Wiebe vorher gelesen hätte. Nee, Gottlob, passt schon, vielleicht wäre meine Geschichte an der einen oder anderen Stelle präziser geworden.
    Ich frage mich aber gerade, wie eigentlich die Abwässer in die Mottlau geleitet wurden. Vermutlich waren die Straßen gepflastert, also mit Fugen. Gab es an den Straßenseiten Rinnsteine?

    Ich freue mich schon über weiter Texte zur Entwässerung.
    Liebe Grüße vom waldkind (heute mal in Presserecht und Kinderbüchern versunken).
    Einen schönen Tag an alle.
    Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. (Karl Valentin)

  3. #3
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard AW: Danzigs Entwässerung / Kanalisation

    Schönen guten Morgen,

    in Meyers Konversations-Lexikon von 1888 wird detailliert auf den Stand der Kanalisationstechnik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingegangen. Dort wird u.a. auch aufgeführt, dass Danzig zu diesem Zeitpunkt das modernste Kanalisationssystem auf dem europäischen Kontinent hatte.
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  4. #4
    Forum-Teilnehmer Avatar von Mariolla
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    Standard AW: Danzigs Entwässerung / Kanalisation

    Hallo Wolfgang und alle Interessierten,

    anbei ein Plan -Wasserleitung u. Kanalisation von Danzig.
    Stand: 1904
    Herausgegeben im Auftrage des Magistrats, Danzig 1904
    Viele Grüße Mariolla alias Marion
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  5. #5
    Forum-Teilnehmer Avatar von Mariolla
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    Standard AW: Danzigs Entwässerung / Kanalisation

    Das ist alles, was ich bis jetzt zur Entwässerung/Kanalisation
    gefunden habe.
    Quelle: Die Stadt Danzig, Herausgegeben im Auftrages des Magistrats,
    Danzig 1904
    Gruß Mariolla alias Marion
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  6. #6
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    Standard AW: Danzigs Entwässerung / Kanalisation

    "Neben Frankfurt a. M. und Stettin gebührt der Stadt Danzig das Verdienst, als erste Städte Deutschlands die sanitären Verhältnisse durch die Aufstellung und Ausführung eines umfassenden Kanalisationsplanes von Grund aus gebessert zu haben" (...)

    Zitat aus: Westpreußischer Architekten- und ingenieur-Verein zu Danzig (Hrsg.),Danzig und seine Bauten, Berlin 1908.

    Mit Stadtentwässerung und den Wasserwerken beschäftigen sich dort die S. 353ff.

    Man kann sich diese (antiquarisch teure) "Inkunabel" der Danzig-Literatur übrigens jetzt aus der wunderbaren Polnischen Digitalen Bibliothek herunterladen:

    http://pbc.gda.pl/dlibra/docmetadata...1&from=FBC

    Zur Digitalen Bibliothek:.
    http://forum.danzig.de/showthread.ph...nzig-Literatur

  7. #7
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Themenstarter

    Standard AW: Danzigs Entwässerung / Kanalisation

    Schönen guten Abend,

    Danzigs Oberbürgermeister v. Winter (nach dem auch der Winter-Platz benannt war) schrieb ein Vorwort in dem bereits erwähnten Buch "Die Reinigung und Entwässerung der Stadt Danzig". Darin wird sehr deutlich gesagt, wie es in Danzig Mitte des 19. Jahrhunderts aussah:

    =====
    Die großen Übelstände, welche der Mangel reinen und gesunden Trink- und Gebrauchs-Wassers für die Bewohner der Stadt Danzig im Gefolge hat, veranlassten uns im Jahre 1863 gründliche Untersuchungen darüber anzustellen, auf welchem Wege der Stadt besseres Wasser zugeführt werden könne. Wir nahmen hierbei die Mitwirkung des Herrn Oberbauraths Moore in Anspruch und wir dürfen hoffen, durch die baldige Ausführung eines, jetzt der speciellen Prüfung unterliegenden Projectes die Klagen verstummen zu machen, welche über jene, täglich fühlbarer werdenden Übelstände mit vollem Grunde schon seit Jahrhunderten erhoben worden sind.

    Wir durften indes bei der Wasserversorgung nicht stehen bleiben.

    Die Entwässerungsanlagen unserer Stadt sind so mangelhaft, daß es in hohem Grade bedenklich erscheinen muss, ihnen ein vermehrtes Quantum gebrauchten und verunreinigten Wassers zuzuführen. Die überaus gesundheitsschädliche Anhäufung von Unrath aller Art in den Häusern und Höfen, in den Straßentrummen und Faulgräben und in den öffentlichen Wasserbassins macht uns die Herbeiführung besserer Zustände durch Herstellung eines neuen Entwässerungs-Systems ohnehin zur dringendsten Pflicht.

    Wir wandten uns daher an den Herrn Geheimen Oberbaurath Wiebe in Berlin mit dem Ersuchen, ein Project für die Reinigung und Entwässerung Danzigs auszuarbeiten, indem wir die Aufgabe dahin präcisirten, daß unter Beseitigung der Straßen-Rinnsteine und Trummen in gleicher Weise für den Abfluss des Tagewassers von den Straßen und Höfen, wie für die Abführung des Wirthschaftswassers und der Unreinlichkeiten aus den Häusern und für die Drainirung des Erdbodens gesorgt, eine Verschlämmung und Verunreinigung der öffentlichen Wasserläufe aber vermieden werden müsse. Dabei sollte, so weit als möglich, darauf gerücksichtigt werden, daß die Düngstoffe der Boden-Cultur nicht verloren gehen.

    Mit dankenswerther Bereitwilligkeit hat Herr Geheimer Rath Wiebe unter Mitwirkung des Herrn Civil-Ingenieurs Veit-Meyer unserm Gesuche entsprochen. Nach den umfassendsten Vorarbeiten hat er uns ein Project entworfen, welches die großen Schwierigkeiten, die sich der Lösung der Aufgabe grade für unseren Ort entgegenstellen, auf das Glücklichste überwindet, und welches in seiner Einfachheit die Gewähr der Ausführbarkeit trägt.

    Das Bedürfniß, den Gesundheitszustand der größeren Städte zu verbessern, wird jetzt allgemein gefühlt. Je größer aber die Zahl der städtischen Behörden ist, die sich, gleich uns, mit Plänen zur Entfernung der in den Städten sich anhäufenden unreinen Stoffe beschäftigen, und je mannigfaltiger die Gesichtspunkte sind, welche bei dem für unsere Stadt entworfenen Plane festgehalten und mit einander in Einklang gebracht werden müssen, einen desto größeren Dienst glauben wir jenen Behörden und dem Publicum überhaupt zu erweisen, wenn wir die Arbeit des Herrn Geheimen Oberbauraths Wiebe der Öffentlichkeit übergeben. Dem Herrn Verfasser selbst aber wissen wir den Beweis von dem hohen Werth, den wir seiner Arbeit beilegen, nicht besser als dadurch zu liefern, daß wir dieselbe Allen zugänglich machen, welche sich für derartige Anlagen interessiren.

    Die Einfachheit und Klarheit der Darstellung wird auch denen, welche mit unserer Stadt nicht bekannt sind, ein anschauliches Bild der Lokalverhältnisse und der für dieselben berechneten Anlagen verschaffen, und die Übertragung der Ideen des Herrn Verfassers auf andere Örtlichkeiten erleichtern.

    Danzig, den 2. April 1865.
    Der Magistrat.
    v. Winter.
    =====
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  8. #8
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    Standard AW: Danzigs Entwässerung / Kanalisation

    Schönen guten Nachmittag,

    hier einige hochinteressante Ausführungen dazu wie in früheren Zeiten die in der Stadt anfallenden Regen- und sonstige Abwässer abgeführt worden sind und welche Probleme sich daraus ergaben. Auszug aus dem Buch von 1865 "Die Reinigung und Entwässerung der Stadt Danzig", seiten 5-9, von E. Wiebe, Geheimer Ober-Baurath":

    Die Beschwerden über die gesundheitswidrigen Zustände in Danzig, welche in der Schrift des Stadtbauraths Licht vom Jahr 1860: „betreffend die Verbesserung der Gesundheitszustände in Danzig," ausführlich angegeben werden, sind außer einigen durch zufällige Ursachen hervorgerufenen Uebelständen, meistens auf die Oertlichkeit der Stadt zurück zu führen. Sie bestehen im wesentlichen in dem Mangel an hinreichendem guten Wasser und in der unvollkommenen Abführung der unreinen Flüssigkeiten. Die durch die vorhandenen Abtrittsgruben erzeugten Uebelstände sind zwar gross; eine noch so sehr verbesserte Einrichtung der Abtritte ist aber allein nicht im Stande, den bestehenden Uebeln abzuhelfen. Wo eine durchgreifende Abhülfe an so vielen Stellen Noth thut, wie hier, da ist die Verbesserung der Abtritte zwar ein höchst wichtiger Theil, dennoch aber immer nur ein Theil der zu lösenden Aufgabe.

    Dem bisherigen Mangel an reichlichem guten Wasser soll durch die bereits in Aussicht genommene Anlage einer neuen Wasserleitung abgeholfen werden. Diese Abhülfe kann jedoch nur dann eine vollständige werden, wenn zugleich dafür gesorgt wird, dass das zugeführte Wasser auch unbehindert benutzt werden kann.

    Durch die neue Wasserleitung sollen künftig alle Häuser der Stadt bis in die obersten Stockwerke mit klarem reinen Wasser versorgt werden. Dadurch wird diese Wohlthat in ausgedehntestem Maaße der Benutzung dargeboten, und es ist durch zahlreiche Erfahrungen außer Zweifel gesetzt, daß von ihr bald in so großem Umfange Gebrauch gemacht wird, daß der Wasserverbrauch sich in eimem vorher ungeahnt hohen Maaße vermehrt.

    Diese im Interesse der Gesundheit und Behaglichkeit ebenso, wie im Interesse der Industrie, angestrebte und nur mit erheblichen Kosten zu beschaffende Vermehrung der Wasserbenutzung würde aber aufs Nachtheiligste behindert, ja in ihrer vollen naturgemäßen Ausdehnung unmöglich sein, so lange die Ableitung des gebrauchten Wassers in der jetzigen ungenügenden Weise besteht. Die Einführung der Wasserleitung ohne vorherige oder mindestens gleichzeitige Fürsorge für genügende Abführung des gebrauchten Wassers, würde daher weniger als ein halb vollbrachtes Werk sein, sie würde zwar einzelnen Uebelständen abhelfen, dagegen aber bei der erheblichen Vermehrung der Zuflüsse alle diejenigen Uebel vergrössern, welche schon jetzt in ungenügender Entwässerung ihren Grund haben. Wie sehr es endlich im Interesse der Rentbarkeit der Wasserwerke liegt, ihre Benutzung nicht durch Mangel an Abfluss zu unterbinden, bedarf keines näheren Beweises. Die Uebelstände, welche in Danzig theils direct in der Unvollkommenheit der Entwässerung ihren Grund haben, theils indirect damit zusammenhängen, indem Verbesserungen erst möglich werden, wenn die alten Entwässerungs-Anlagen nicht mehr hindernd im Wege stehen, sind im Wesentlichen folgende:

    Zur Abführung des Regen- und Hauswassers dienen gegenwärtig
    meistens die Straßen-Trummen. Es sind dieses mit Bohlen eingefasste und mit Bohlen überdeckte Wasser-Abzüge, welche in Stelle der Rinnsteine in den Straßen entlang führen. In die Trummen gelangen aber vielfach feste Küchen-Abgänge, Straßenschlamm und andere Unreinigkeiten, namentlich auch Abtrittsstoffe.

    Von diesen Unreinigkeiten müssen die Trummen bei dem Mangel an genügender Spülung oftmals durch lästiges und kostspieliges Räumen befreit werden, wenn sie sich verstopft haben, oder wenn die Verunreinigung der Luft durch den faulenden Inhalt unerträglich wird.

    Da die Sohle der Trummen selten tief genug unter der Straße liegt, um vor dem Froste geschützt zu sein, so pflegt man sie im Winter mit Dünger zu bedecken. Dennoch kommt es vor, daß sie einfrieren, und daß beim Abgange des Frostes nicht nur die Straße mit dem unreinen Wasser überfluthet werden, sondern daß dasselbe auch in ungünstig gelegene Keller fließt. Durch die in die Trummen geleiteten Abzugsröhren aus den Küchen wird der Geruch von den abgelagerten faulenden Stoffen nicht selten auch in die Häuser geführt.

    Die Trummen münden innerhalb der Stadt, theils unmittelbar, theils durch Vermittelung der durch sie verunreinigten Faulgräben und Radaune-Kanäle, in die fast stillstehende Mottlau. Hier machen sie nicht allein das Wasser stinkend, sondern setzen auch vielen Schlamm ab, welcher im Interesse der Gesundheit und namentlich auch der Schifffahrt, in lästiger und kostspieliger Weise von Zeit zu Zeit ausgebaggert werden muß. Bei den Radaune-Kanälen in der Altstadt wird das Uebel noch dadurch größer, daß auch die Abgänge der Schlächtereien in dieselben abgeführt werden.

    In der Niederstadt, wo die Trummen zum Theil in völlig stillstehende Gewässer münden, gelangt der Schlamm zwar nicht immer bis in die Mottlau, desto mehr belästigt die dort permanent stattfindende Fäulniß aber die Umgegend, weßhalb dieser Stadttheil auch vorzugsweise als ungesund gilt.

    Die Bohlenbedeckung der Trummen ist einer baldigen Zerstörung durch Fäulniss ausgesetzt, muß daher mit namhaften Kosten oft erneuert werden. Da diese Bohlen zum Theil in der Ebene des Strassenpflasters liegen, so müssen sie vor den Wagenrädern geschützt werden, um ein gefährliches Durchbrechen zu verhüten. Hierzu bedient man sich, oft in doppelter Reihe, hoher Pfähle und starker Prellsteine, welche den Verkehr in den ohnehin engen Straßen erheblich beeinträchtigen. Besonders in der Rechtstadt, wo seit Eröffnung der Eisenbahn der Wagenverkehr mehr als früher in die sehr beschränkten mit der Mottlau pararallel laufenden Quergassen gewiesen ist, wird diese Beengung der Straßen nicht bloß störend, sondern selbst gefährlich.

    Die nachtheiligen Folgen der unvollkommenen Abtritts-Anlagen machen sich in Danzig in besonders hohem Maaße geltend. Abgesehen davon, daß ein namhafter Theil derselben unter den obwaltenden ungünstigen Verhältnissen in die offenen Radaune-Kanäle, in die für die Abführung ganz ungeeigneten Faulgräben, ja selbst in die Straßentrummen geleitet wird, befinden sich in den Höfen und Häusern meistens Abtrittsgruben. Solche Gruben sind niemals ganz wasserdicht. Die faulenden Flüssigkeiten aus denselben ziehen daher in den Untergrund. Ist derselbe auch ursprünglich durchlässig gewesen, so sind die Zwischenräume doch im Laufe der Zeit durch die eingedrungenen Unreinigkeiten verschlämmt, und jene faulenden Flüssigkeiten werden nahe unter der Erdoberfläche zurück gehalten. Hier müssen sie sich seitwärts ausbreiten, und so haben sie unter einem großen Theile der Stadt die oberen Erdschichten bereits so durchzogen, daß sie bei Aufgrabungen oft in beträchtlicher Menge zu Tage quellen. Außer den stinkenden Ausdünstungen, welche die im Gebrauche befindlichen Abtrittsgruben in den Häusern und Höfen verbreiten, ist besonders deren Ausräumung und Abfuhr in so hohem Grade lästig, daß sie zuweilen ganz unterlassen wird. Die gefüllten Gruben werden dann verschüttet und tragen dauernd dazu bei, die Luft und den Untergrund immer mehr zu verschlechtern.

    Eine ähnliche Wirkung haben diejenigen Gruben, welche angelegt werden, um das gebrauchte Wasser in die Erde zu versenken. Auch sie versagen diesen Dienst nach einiger Zeit und verbreiten dann die Unreinigkeiten in die umgebenden Erdschichten.

    Außer der hierdurch erzeugten ungesunden Ausdünstung des Erdbodens leiden auch viele Keller von dieser stinkenden Nässe. Dieselbe theilt sich weiter dem Mauerwerk mit, verdirbt die Häuser und macht oft auch die höher liegenden Wohnungen ungesund. Viele Keller werden außerdem noch durch Quertrummen verschlechtert, durch welche man zuweilen gezwungen ist, das Hofwasser durch die Keller, und zwar über der Höhe der Kellersohle, in die Strassentrummen abzuführen.

    Der Grund dieser erheblichen Uebelstände liegt zunächst in der höchst mangelhaften Anordnung der bestehenden Wasser-Ableitung, außerdem aber vorzugsweise in dem Mangel an Gefälle in der Mottlau, indem dieser Mangel es unmöglich macht, das verunreinigte Wasser auf natürlichem Wege schnell und unschädlich von der Stadt zu entfernen. Soll hier geholfen werden, so müssen die bisherigen Wasser-Ableitungen in der Stadt beseitigt und durch brauchbare ersetzt, zugleich aber muß, trotz des mangelhaften Gefälles, die sofortige Entfernung der verunreinigten Abflüße aus der Nähe der Stadt möglich gemacht werden.

    Nur Abzugskanäle, welche durchschnittlich tiefer liegen, als die Keller und dennoch vermöge ihres Gefälles im Stande sind das Wasser von den Straßen und aus den Häusern ununterbrochen abzuführen, können hier helfen. Solche Abzugs-Kanäle dürfen bei der Oertlichkeit der Stadt aber nicht in die vorhandenen Wasserläufe fließen. Bei der tiefen Lage dieser Abzüge würde ein solcher Abfluß mit natürlichen Gefällen ohnehin nicht möglich sein. Es ist da her für die Reinigung von Danzig unabweislich geboten, den erforderlichen Abfluß durch künstliche Mittel herzustellen.

    Die Anwendung eines solchen künstlichen Mittels liegt in Danzig weniger fern, als an vielen anderen Orten. Seit Generationen schon hat man in den nahen Niederungen kleinere und größere Polder durch Roß- und Windmühlen, in neuerer Zeit mit noch größerem Erfolge schon durch Dampfmaschinen, ausgeschöpft, um sie im Interesse der Landwirthschaft vom Wasser zu befreien.

    Abgesehen von den verschiedenen Constructionen der Schöpfwerke selbst, ist die gewöhnliche Anordnung zur Trockenlegung eines für die Boden-Cultur sonst zu tiefliegenden Niederungs-Grundstückes höchst einfach: Nachdem ein solches Grundstück eingedeicht ist, um Zuflüße von Außerhalb abzuhalten, wird es mit einem größeren Sammelgraben durchzogen, in welchem der Wasserspiegel durch Ausschöpfen allmälig gesenkt und so tief gehalten wird, daß die in ihn einmündenden kleineren Entwässerungsgräben ungehindert abfließen können. Der Sammelgraben liegt selbstverständlich da, wo das Terrain am tiefsten ist, um den Entwässerungsgräben ein Gefälle dahin geben zu können. Das Gefälle, welches dem Sammelgraben selbst fehlt, um auf natürlichem Wege abfließen zu können, wird künstlich durch die Schöpfmaschine ersetzt. Der Erfolg dieses Ausschöpfens ist im Wesentlichen derselbe, als hätte man die betreffenden Grundstücke um so viel höher gelegt, als die Maschine schöpft, denn in diesem Falle würde die gleiche Entwässerung durch natürliches Gefalle erfolgen können.

    In ganz ähnlicher Weise ist man im Stande, sich für die Entwässerung Danzigs ein künstliches Gefälle zu verschaffen, indem man Maschinenkraft zu Hülfe nimmt.

    Da man die Kosten der Anlage und des Betriebes solcher Schöpfwerke nicht scheut, schon um auf feuchtliegenden Ländereien einen höheren Erndte-Ertrag zu sichern, so kann auch die Rücksicht auf die Kosten nicht hinderlich sein, ein solches Schöpfwerk für ein viel werthvolleres städtisches Terrain, mit kostbaren Häusern bebaut und von einer großen erwerbreichen Einwohnerzahl bewohnt, zu errichten und zu betreiben. Es handelt sich hier um viel größere Werthe, als um die Sicherstellung reicherer Erndten. Es handelt sich in erster Reihe um die Verbesserung des Gesundheitszustandes und um die Verlängerung des Lebens vieler Tausende von Einwohnern. Dazu kommt der Gewinn an Behaglichkeit für die Bewohner der Stadt, durch die reinere Luft auf den Straßen sowohl, als in den Häusern und Höfen, nach Beseitigung der Ursachen so vieler übelen Ausdünstungen und der Feuchtigkeit in den Kellern und Mauern, die Möglichkeit der Verbesserung des Straßen-Verkehrs und die Erleichterung des Wirthschaft- und Gewerbe-Betriebes. In letzterer Beziehung möge die Hindeutung genügen, mit welchen Schwierigkeiten und Misständen die Einrichtung von Bädern, Wasch-Anstalten, öffentlichen Abtritten und Urinir-Anstalten, Schlächtereien, Gerbereien, Seifensiedereien, Gas-Anstalten, chemischen Fabriken, ja selbst von Pferde- und Viehställen im Inneren der Stadt verbunden ist, so lange es an einer leichten und unschädlichen Ableitung der verunreinigten Abflüsse fehlt. Wie viel leichter und vollkommener lassen sich die oft beschränkten Räumlichkeiten eines städtischen Grundstückes ausnutzen, wenn allen derartigen Bedürfnissen, ohne polizeiliche Hemmung und ohne Belästigung der eigenen Wohnlichkeit, Abhülfe verschafft werden kann.

    Die Bau- und Betriebskosten einer solchen Entwässerungs-Anlage machen sich erfahrungsmäßig schon durch den höheren Werth der Häuser und Baustellen bezahlt. Für die Danziger Commune werden sie sich ferner bezahlt machen durch höhere Verwerthung der entstehenden Wasserwerke; denn der Wasserverbrauch erhöht sich in außerordentlichem Maaße, sobald der leichten und unschädlichen Ableitung des gebrauchten Wassers keine Hindernisse mehr im Wege stehen. Bei der großen Zahl von berechtigten Anforderungen an eine Stadt-Entwässerung ist die Anordnung einer solchen zwar nicht eben so einfach, als das Ausschöpfen eines Niederungspolders, mannigfache gelungene Anordnungen dieser Art zeigen jedoch, daß der Erfolg, ohne unverhältnißmäßige Kosten mit der selben Sicherheit erreicht werden kann.
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  9. #9
    Forum-Teilnehmer Avatar von Bartels
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    25.07.2012
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    Frankenthal, Partnerstadt von Sopot
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    Standard AW: Danzigs Entwässerung / Kanalisation

    Schönen guten Abend,

    die Danziger Rieselfelder waren auch etwas besonderes:
    1. Sehr früh angelegt.
    2. Die Tote Weichsel wurde für die Abwässer unterdükert.
    Beste Grüsse
    Rudolf H. Böttcher

    Max Böttcher, Ing. bei Schichau (aus Beesenlaublingen & Mukrena);
    Franz Bartels & Co., Danzig Breitgasse 64 (aus Wolgast);
    Familie Zoll, Bohnsack;
    Behrendt, Detlaff / Detloff, Katt, Lissau, Schönhoff & Wölke aus dem Werder.
    Verwandt mit den Familien: Elsner, Adrian, Falk.

    http://bartels-zoll.blogspot.de/2012/07/ahnentafeln-zoll.html

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