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Thema: Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

  1. #1
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

    Schönen guten Nachmittag,

    heute führte uns (meine Mutter und mich) unser Weg in die Niederung, wo wir auch in Bohnsack Station machten. Nicht nur in Danzig, sondern auch in den umliegenden Ortschaften sind vielfach neue Hinweis- und Informationsschilder aufgestellt worden. Schön ist, wenn man nun auch häufiger deutschsprachige Hinweise findet. Obwohl man das, was man liest, manchmal gar nicht lesen will.

    Beispiel: Bohnsack. Dort gibt es nun ein neues Schild auf dem dreisprachig auf Mennonitengräber bzw. "Authentic Mennonite Steles" hingewiesen wird.

    Aber worauf wird nun hingewiesen? Auf den brachial zerstörten und auch heute noch verlotterten und verwahrlosten ehemaligen evangelischen Friedhof Bohnsacks bzw. auf einige (sehr sehenswerte) Grabsteine die links vor der Kirche aufgestellt sind.

    Nur: Das sind alles Grabsteine EVANGELISCHER Verstorbener. Zwei Grabsteine sind besonders beeindruckend und erwähnenswert, nämlich die auf denen die Namen der evangelischen Kirchenvorsteher Gerhart Bartsch und Kornelius Kohn stehen.

    Es gibt dort nicht den leisesten Hinweis der vermuten lassen könnte, dass dort Gräber oder Grabtafeln von Mennoniten vorhanden sind.

    Bohnsack ist aber nicht das einzige Beispiel in dem auf Deubel komm raus versucht wird, praktisch alles was dort vor dem Krieg lebte zu Mennoniten zu machen. Man muss nur mal nach Tiegenhof ins Museum gehen...

    Ist Geschichte unerwünscht wenn sie deutsch war? Oder versucht man sich die Geschichte so zurecht zu biegen, wie man sie gerne hätte oder durch eine ideologisch gefärbte Brille sieht (siehe z.B. meine Rezension über das Buch "Insel im Strom" des Historikers Waldemar Nocny: http://forum.danzig.de/showthread.ph...Insel-im-Strom)

    Schade, wirklich schade, dass man nicht die Chance ergreift, korrekt zu informieren.
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  2. #2
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard AW: Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

    Und hier noch eine Aufnahme der evangelischen "Mennoniten"-Gräber bzw. Grabsteine.
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  3. #3
    Forum-Teilnehmer Avatar von Regina
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    Standard AW: Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

    Guten Abend
    Ueber die Mennoniten wird jetzt positiv gesprochen. Es gibt sogar ein Programm und Geld fuer den Aufbau der Mennonitenspuren. Angefangen wurde mit der Sanierung alter Kirchen.
    Nur warum wurden die Mennoniten nach dem Krieg als Deutsche rausgejagt ?
    Liebe Gruesse
    Regina

  4. #4
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard AW: Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

    Schönen guten Abend,
    hallo Regina,

    es ist unbestritten, dass große Teile des Werders maßgeblich von Mennoniten urbar gemacht wurden. Es waren holländische Mennoniten UND -was heute vollkommen vergessen zu sein scheint- deutsche Mennoniten. Sie alle hatten im 18. Jahrhundert unter etlichen Beschwernissen zu leiden und viele von ihnen wanderten aus, nach Bessarabien, wo sie Dörfer gründeten und ihnen Namen aus der alten Heimat gaben.

    Die Mennoniten hatten meist eigene Kirchen bzw. Gebetsräume und wurden auch auf eigenen Friedhöfen beigesetzt. Einer der bekanntesten Friedhöfe im Werder befindet sich in Bärwalde (Niedźwiedzica). Soweit mir bekannt waren vor dem Krieg die zwei größten Mennonitengemeinden des Werders Marienau (Marynowy), Fürstenwerder (Żuławki) und Heubuden (Stogi). All diese Mennoniten waren voll assimiliert und fühlten sich als Deutsche. Auch in meiner Familie gab es in etlichen Zweigen zahlreiche Mennoniten, aber auch diese konvertierten im Laufe der Zeit zum Protestantismus.

    Es gibt im Werder einen "Szlak Mennonitów", eine spezielle Touristentour mit mennonitischen Sehenswürdigkeiten. Aber auch da finden sich Ziele die definitiv nicht mennonitisch sind.

    Ich halte es für sehr gut und unterstützenswert, wenn mennonitische Spuren erforscht und bekannt gemacht werden. Ich empfinde es aber als Affront und Unsinn, wenn krampfhaft versucht wird, Allem was einmal im Werder lebte, kreuchte und fleuchte eine mennonitische Identität überzustülpen.
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  5. #5
    Forum-Teilnehmer Avatar von Herbert Claaßen
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    Standard AW: Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

    Hallo!
    Auf der Neuen Binnennehrung (Bohnsacker Insel) hat es bis 1945 meines Wissens keine Mennoniten gegeben. Ich wüßte auch von keiner Kirche.
    Die Bohnsacker Kirche war rein evangelisch. Um die Kirche war der deutsche evangelische Friedhof, auf dem auch meine Vorfahren ruhen.
    In Schiewenhorst gab es eine kleine Kirche der Baptisten. Das Gebäude an der Straße steht noch.
    Die Mennoniten waren vorwiegend im Werder ansässig und sie besaßen die deutsche Staatsbürgerschaft.
    Viele Grüße!
    Herbert

  6. #6
    Forum-Teilnehmer Avatar von Herbert Claaßen
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    Standard AW: Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

    Hallo !
    Ich muß mich in einem Punkt berichtigen.
    Zur Freistaatzeit waren wir ja Freistäätler deutscher Abstammung.
    Herbert

  7. #7
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard AW: Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

    Schönen guten Abend,
    hallo Herbert,

    Mennoniten wird es in früheren Jahrhunderten auch auf dem Gebiet der heutigen "Bohnsacker Insel" gegeben haben. So vermutet man z.B. bei den Lebbes vom Kronenhof einen mennonitischen Ursprung.

    Das alles ist Geschichte und es ist spannend, sie zu entdecken und darüber zu informieren. Auch Angehörige meiner Familie wurden über die Jahrhunderte hinweg bis zum Kriegsende auf dem Bohnsacker Friedhof beigesetzt.

    Dass alte Grabsteine und -denkmäler des evangelischen Friedhofs gerettet und neu aufgestellt wurden, ist eine wunderbare Sache. Dass diese nun aber "authentisch" mennonitisch sein sollen ist schlichtweg hanebüchen. Man muss nur die Inschriften der Grabsteine lesen um zu wissen dass das nicht stimmt.

    Ist es wirklich nur Unwissen?

    Ich werde bei der Stadtverwaltung versuchen Näheres zu erfahren.

    Viele Grüße aus dem gar nicht mehr frühlingshaft kalten Danzig
    Wolfgang

  8. #8
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    Standard AW: Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

    Zitat: "Ist Geschichte unerwünscht wenn sie deutsch war? "

    Hallo Wolfgang,

    vor 20 Jahren hätte ich noch "ja" gesagt, aber heute?
    Außerdem schließt die Bezeichnung "Mennonite" nicht automatisch das Deutsche aus.
    Mennoniten kamen sowohl aus Holland, Flandern als auch Deutschland (nicht nur Friesland).

    Meiner Meinung nach handelt es sich hier wohl eher um Unwissen. Die Frage ist nur: wessen Unwissen.

    Da ich mich momentan selber mit der Bevölkerung Westpreußens und ihrer Zu-/Abwanderung befasse, habe ich bei der Recherche folgenden Link im Netz gefunden.
    1. Auswanderungswelle der Preußischen Mennoniten (1789-1809)

    Demnach waren die ersten mennonitischen Auswanderer im März 1788 6 Familien (50 Personen) aus Bohnsack.

    Zuvor hat die Gemeinde Johann Bartsch und Jakob Höppner als Delegierte nach Rußland geschickt.

    Auf der Seite http://www.taeufergeschichte.net/index.php?id=80 kann man auch einiges Interessantes erfahren.
    Ich habe in diesem Zusammenhang ebenso gelesen, dass ihnen der Bau eigener Gebetshäuser nicht erlaubt war und sie vielmehr die evangelische Pfarrei mit Geldern unterstützen mussten. Finde aber jetzt die Passage nicht mehr.

    Von den Bräuchen der Mennoniten und ihrer damaligen Lebensweise weiß ich allerdings nicht sehr viel. Bei "Youtube" gibt es einen 5tlg. Film "Mennoniten in Mexiko". Es erinnert mich an die "Amish-Gemeinde". Sie bevorzugen eher das Schlichte und verabscheuen den Fortschritt, leben also genauso noch wie damals. Heute bleiben sie eher unter sich, was damals irgendwann mal nicht mehr der Fall war, bei denen die zurückblieben. Es wurden auch Mischehen geschlossen.

    Ich denke, das hatte Auswirkungen auf die Nachkommen, insbesondere da der mennonitische Glaube immer mehr Beschränkungen unterlag.
    Es könnte sich durchaus um evangelische Gräber handeln, deren Vorfahren jedoch als Mennoniten ins Land kamen.

    Hast du schon bei der Stadtverwaltung nachgefragt?

    Viele Grüße
    Magdalena

  9. #9
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    Standard AW: Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

    Hallo !

    Ich habe grad diese Diskussion entdeckt und möchte nur kurz anmerken, dass Mennoniten nicht allesamt den Fortschritt ablehnen. Dokumentationen im Fernsehen zeigen oft die besonders konservativen Gruppen wie die Old Order Mennonites, die an die Amischen erinnern. Jedoch gibt es ganz unterschiedliche mennonitische Gruppen (auch in Deutschland). Die einen sind sehr konservativ und ziehen sich aus der Welt zurück, andere dagegen sind liberal und rationalistisch geprägt. Das verbindene Element ist die gemeinsame Geschichte und die Erwachsenentaufe, die Ablehnung von Gewalt und Eid, der freie Wille und möglichst Unabhängigkeit vom Staat.

    Im Danziger Raum waren die Mennoniten meines Wissens vor allem Bauern und Kaufleute (ähnlich wie in Hamburg/Altona und den Niederlanden).

    Über Mennoniten in Bohnsack kann ich leider nicht viel sagen. Die Seite Mennonite Genealogical Resources führt für das Jahr 1818 9 Mennoniten in Bohnsackerweide an (Quelle: http://www.mennonitegenealogy.com/prussia/1820danz.htm). Das spricht eher gegen eine feste Gemeinde mit eigenem Friedhof, es sei denn die Gemeinde ist im März 1788 relativ geschlossen nach Russland ausgewandert.

    Die Verärgerung kann ich aber gut verstehen! Interessant wäre natürlich, wie es dazu gekommen ist, dass ein (wahrscheinlich) lutherischer Friedhof für einen mennonitischen ausgegeben wurde (vielleicht um das Dorf für Touristen interessanter zu machen?). Ich hab auch mal die Umschreibung "Mennonite houses" für Vorlaubenhäuser gefunden. Das scheint mir auch nicht ganz zutreffend zu sein.

    viele Grüße

  10. #10
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    Standard AW: Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

    Hallo Magdalena,

    im Juli 2012 besuchte ich die Gemeinde Steinbach (Manitoba) in Kanada. Dort ist ein phantastisches Museum, mit vielen Exponaten und Erläuterungen zum Werdegang der Bohnsacker bzw. Danziger Mennoniten. Sie sind über Rußland nach Kanada gekommen. Meine mich zu erinnern, dass dort im Museum beispielsweise die alte Höppner-Bibel ausgestellt war.Vielleicht interessiert der kleine Hinweis? Suchanfrage unter: steinbach manitoba mennonite heritage village
    Herzliche Grüße
    Barbara

  11. #11
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    Standard AW: Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

    NS. Im Museum Steinbach steht ein Johann Bartsch Denkmal....
    http://www.mennoniteheritagevillage.com/heritage/tour

  12. #12
    Administratorin Avatar von Beate
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    Standard AW: Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

    Guten Abend zusammen,

    für das Thema "Jacob Höppner" wurde hier ein neues Thema eröffnet...

    Schöne Grüße Beate
    ..wirklich? Taktgefühl ist nicht nur ein Begriff in der Musikwelt?

  13. #13
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    Standard AW: Geschichtsfälschung, Geschichtsklitterung oder nur Unwissenheit?

    Wolfgamg 7- Ist es wirklich nur Unwissen?
    Gerhard Jeske/ Mir dringt sich der Verdacht auf, dass hier ehemalige Linke oder humanistische Aufklärer mit den Mennoniten, aber auch mit den Babtisten die Katholische Kirche schwächen wollen. Es ist ebenso erstaunlich, dass die neue evangelische Frei - Kirche in Groß Walddorf den Zuschlag
    von der Stadtverwaltung erhielt, auf dem Gelände des Gutes an der Mottlau, Ihre Kirche zu bauen und das Gutshaus als Gemeindeverwaltung und Zentrum zu renovieren, Diesen Zuschlag erhielt die Kirche gegen mehrere andere Bewerber. Auf jeden Fall wird dadurch ein Zeichen gesetzt für Religionsvielfalt

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