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Thema: Schöner frischer Aal

  1. #1
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard Schöner frischer Aal

    Schöner frischer Aal

    Samstag Vormittag, 24. Juli 2010

    Fisch... - wenn ich in Danzig bin, gibt's zu Hause kein Fleisch. Da muss frischer Fisch auf den Tisch. Sommers ist das mitunter ein bisschen schwierig, weil frischer Fisch ohne Kühlung nicht sehr lange frisch bleibt. Selbst in Danziger Supermärkten ist es nicht überall üblich, für ausreichend Eis zu sorgen. Gute Chancen, frischen Fisch zu finden, hat derjenige der sich früh morgens aufmacht nach Glettkau, Zoppot oder Adlershorst, um den einlaufenden Fischern ihre fangfrische Ware abzunehmen. Manchmal ist frischer Fisch auch auf den verschiedenen Märkten zu finden. Der Saspe nächstgelegene Markt befindet sich in Przymorze (Konradshammer) und so zieht es mich immer wieder dorthin um nach schönem Fisch Ausschau zu halten. So auch an diesem Samstag.

    Mein Weg zu den neuen Fischständen auf dem "Grünen Markt" (Zielony Rynek) führt mich vorbei an einer Fülle verschiedenster Obst- und Gemüseauslagen. Ich kaufe gleich Blaubeeren, Himbeeren, Süßkirschen, einheimische Pfirsiche, Dill, Gurken, Knoblauch natürlich, ein paar neue Kartoffeln. Dann erreiche ich auch schon die Fischstände. Die Hälfte der Stände ist geschlossen, die Jalousien sind herabgelassen, aber einige Fischverkäufer haben doch ihre Waren ausgelegt. Was sofort auffällt: Trotz drückender Schwüle, es ist rund 23 Grad warm, wird nirgendwo der Fisch gekühlt. An den ersten Ständen an denen ich vorbei komme, gibt's keinen Frischfisch, sondern deutlich erkennbar nur Gammelfisch. Nirgendwo nur eine Spur von Eis, dafür aber angetrocknete Lachsfilets, verdorrte Pomuchels, in einer braunen Brühe schwappende Flunderfilets. Brrrrrr....!!!

    Rotaugen gibt's, unausgenommen, auch nicht mehr frisch. Schleien, deren wunderschöne goldgrüne Farben für immer vergangen sind. Zander, deren eingetrocknete Augen an Lederknöpfe erinnern. Ausgenommene Heringe, rostbraun, von Fliegen umschwirrt, aber keine traut sich, darauf zu landen.

    Eigentlich ein bekanntes, ein übliches Bild. Das war schon immer so auf den Märkten. Aber diese neu errichteten modernen Fischbuden auf dem "Zielony Rynek" verfügen über Leitungswasser und einen elektrischen Anschluss. Eismaschinen könnten hier ihren Dienst verrichten, der Fisch könnte, müsste gekühlt werden. Mit ein wenig Wasser ließe sich zumindest der Anschein von Sauberkeit wahren.

    Ich komme an einem Stand vorbei, merkwürdige Gerüche umwabern mich. Ich schaue ein Mal, zwei Mal, und glaube kaum was ich sehe. Alte tote Fischleichen in schmutzigen Wannen, auch sie in einer muffelnden wässrigen Brühe schwimmend. Auf den Wannen glimmen chinesische Räucherstäbchen, die den Gestank durch Wohlgerüche ersetzen sollen. Vergebliche Liebesmüh!

    Ich gehe ein paar Stände weiter, finde wider Erwarten einen Stand mit frischen Aalen. Sie sehen gut aus, der Stand wirkt aufgeräumt, fast sauber. Auch hier scheint "Eis" zwar ein Fremdwort zu sein und Kühlung ein überflüssiger Luxus. Unter den vielen Aalen sehe ich auch ein Prachtexemplar. Lang, rund, fett. 55 Zloty kostet das Kilo. Ich weiß, dieser Aal wiegt mehr.

    Wir haben eine Freundin meiner Frau zu Besuch, aus Breslau, und ich hatte ihr schon vor einer Weile mal gesagt, ich briete bei Gelegenheit einen ordentlichen Aal. Nach erneutem Begutachten, entscheide ich mich. 70 Zloty kostet der 1.300 Gramm schwere Aal, aber ich freue mich schon darauf, ihn zuzubereiten.

    Zu Hause angekommen ist es schon fast Mittagszeit. Ich mache mich ans Werk, wetze -wie immer- das bereits scharfe Messer, hole den Fisch aus der Einkaufstüte. Schon beim Anfassen fühle ich, dass der Aal nicht ganz so frisch sein kann, wie ich zuvor vermutet hatte. Nachgebendes Fleisch unter der zähen Haut, weiche Bauchhöhle, kein Schleim. Der Fisch war nicht frisch, sondern muss zuvor eingefroren gewesen sein. Mindestens ein Mal. Na ja, denke ich, er kann trotzdem noch in Ordnung sein.

    Beim Öffnen des Fisches schauen sich meine Frau und ich ungläubig an. Stechend scharfer penetranter Gestank, die Innereien bereits in Auflösung. Trotzdem reinige ich ihn schnell, wasche ihn aus, wasche ihn nochmals aus, wische ihn mit essiggetränktem Küchentuch aus. Es hilft nichts, der Gestank ist zwar nicht mehr ganz so intensiv, trotzdem riecht das Fleisch nach Ammoniak.

    Es gibt keine andere Möglichkeit, der Fisch wird entsorgt. Es ist zu spät, noch einmal zum Markt zu gehen um sich zu beschweren oder dem Fischhändler den Aal um die Ohren zu hauen. Die Stände sind bereits geschlossen.

    Ich sage meiner Frau, in Deutschland würde ich sofort den Wirtschaftskontrolldienst rufen. Sie erwidert, in Polen nähme diese Aufgabe die "Inspekcja Sanitarna" wahr. Ich muss mir die Telefonnummer heraussuchen. Ich denke, ich werde sie noch brauchen.
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    Das ist die höchste aller Gaben: Geborgen sein und eine Heimat haben (Carl Lange)
    Zertifizierter Führer im Museum "Deutsches Konzentrationslager Stutthof" in Sztutowo (deutsch/englisch)
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  2. #2
    Forum-Teilnehmer Avatar von Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
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    Standard AW: Schöner frischer Aal

    Ohhh Wolfgang
    Schade .... als ich in meiner Jugend geangelt habe bekamen unsere Katzen den Großteil ( Weißfische / Rotaugen)... war für mich nur ein Spaß.
    Naja Deinen Aal hast Du ja entsorgt und nicht Eurer Katze gegeben.
    Beim nächsten Mal dann mehr Erfolg.

    Viele Grüße
    Hans-Jörg

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