Schönen guten Abend,
es gibt Dinge, die Einen beschäftigen, über die man trotzdem (warum übrigens?) nicht oder nur ungerne spricht.
Ist es, weil man häufig nicht ernst genommen wird? Weil selbst die Elterngeneration nur müde lächelt oder -nach eigenem Gefühl- nicht immer intelligente Kommentare loslässt?
Auf der einen Seite wird von vielen alten Danzigern beschworen, dass selbst deren Kinder und Kindeskinder noch Ur-Danziger sind (was bei diesen nicht selten ebenfalls ein müdes Lächeln hervorruft). Diese alten Danziger wissen was es heißt eine Heimat zu haben. Sie haben ja auch eine verloren.
Was ist mit der unmittelbaren Nachkriegsgeneration, die nie eine Heimat hatte, logischerweise deswegen nie irgendwo heimisch werden konnte geschweige denn etwas besaß was sie verlieren konnte?
Mag sein, dass mein Thema nach "vorgestern" klingt, anachronistisch ist.
Ich hatte nie Heimat gehabt. Wusste nicht, was das ist. Es hat Jahre gedauert bis ich als unbewusst Suchender eine Antwort fand. In Danzig, im Werder.
Was liegt in den Genen? Eine verrückte Frage! Als ich die Familiengeschichte entdeckte -überliefert war nichts, es gab nichts und ich fragte als Kind auch nicht-, hatte ich die 40 Jahre überschritten. Antworten fand ich in Archiven, Antworten konnte ich meinen Eltern geben, nicht sie mir.
Von Kindesbeinen an liebte ich Holz. Von Kindesbeinen an liebte ich Wasser. Den Sturm. Nicht wischi-waschi-Mittelmeer, sondern das Wasser das kalt ist und wo ein Wind nicht nur ein Wind ist, sondern schon ein ganz besonderer Wind sein muss um von Danzigern als Sturm empfunden zu werden.
Auf meines Vaters Seite, und das erfuhr ich erst aus den Kirchenbüchern und anderen archivalischen Quellen, waren es seit Urgenerationen die Zimmerleute, die das Brot brachten. Warum mein Großvater Schneider war, weiß ich nicht und auch mein Vater war kein Zimmermann. Aber beide Urgroßväter väterlicherseits waren Zimmerleute. Es geht zurück bis zum Zimmermann Matthes Durchholzer (Salzburger Glaubensflüchtling bzw. -vertriebener) der für den litauischen Pfarrer (und "Martin Luther") Christion Donalitius als Kirchenbaumeister dessen Kirche baute.
Ich mag Holz. Ohne dass ich wusste, was väterlicherseits seit Generationen im Blut steckt, baute ich im Württembergischen ein verrücktes Holzhaus.
Meine Mutter! Im Werder verwurzelt! Einfache Fischer, aber auch einmal ein Fischmeister in Scharpau! Strandreiter, Windmüller, Einsassen, Nachbarn, Mitnachbarn, meist einfache Leute die täglich um ihr und ihrer Familie Überleben kämpfen mussten!
Ich war in Schiewenhorst vor gut 15 Jahren, fühlte dass dort meine Wurzeln sind, wusste dass ich dort hingehöre.
Gelächter. Bei wem? Bei den Älteren (bei wem sonst?), bei den "Danzigern" (ich setze das bewusst in Apostrophe) die immer ihr Recht und das Recht ihrer Nachkommen beschwören, in ihre seit Urzeiten angestammte Heimat zurückzukehren.
Was können Eltern weitergeben? Können sie etwas weitergeben wovon sie nichts wissen? Gibt es Generationensprünge? Kann es sein, dass etwas von den Ur- oder Ururgroßeltern auf die Nachkommen übergeht und dort plötzlich erwacht?
Je näher der Zeitpunkt rückt an dem ich die Zelte in Deutschland abbrechen werde um mich in die Heimat meiner Eltern zu begeben, desto mehr muss ich mich (bei den Älteren) rechtfertigen. Die Jungen sagen "Respekt, Respekt, Du wirst Dir das sicherlich gut überlegt haben!"
Ist es Neid, ist es Unverständnis, ist es Borniertheit, wenn der eine oder andere Ältere meine Absicht verurteilt mit meiner Mutter in deren heute polnische Heimat zurückzukehren? Ich erlebe das in den Kreisen der (älteren) in Stuttgart lebenden Danziger, aber auch in manchen Email-Zuschriften. Bisher jedoch noch nicht in unserem Forum, da mag sich der/die Eine oder Andere noch zurückhalten.
Zurück zur Kernfrage: Was liegt in den Genen? Bin ich plemplem, bin ich verrückt? Oder kommt das, wessen ich mir bewusst werde, auch bei Anderen vor?