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Thema: Poguttke: Iebaschwämmung auf Neugarten

  1. #1
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard Poguttke: Iebaschwämmung auf Neugarten

    Schönen guten Abend,

    Fritz Jännicke ließ in den Danziger Neuesten Nachrichten den Maurerpolier und Rentier Franz Poguttke wöchentlich zu Worte kommen. Ich weiß nicht, wann die folgende Geschichte veröffentlicht wurde, aber sie ist wie alle anderen Erzählungen auch, unvergleichlich.

    Iebaschwämmung auf Neugarten

    Na, heeren Se mal, von wejen "de linden Lifte sind äwacht", ich danke, Komma. Bitt Ihn', son Unwätter is ja noch nie nich jewesen. Das hat mich jestern frieh diräktemang de Luft väschlagen, wie ich bis vorm Jeneralkommando de Kartoffeln anjesehwämmt sah und draußen - nach Ohra raus wo ich was zu besorjen hätt - sah, die de Hiehner aus dem Ieberschwämmungsschlamm sich de jungen Roggenkeime rauspickten. Es is en Jammer!

    Ja, wie ich das jästern sah, vägaß ich ganz mein eijenen Kummer ieber das Unwätter. Ich bin neemlich mitten mang jeraten. Und nich zu knapp! Und was das schlimmste is, meine gute Ollsche auch. Junge, Junge!

    Wir waren neemlich vorjästern bei en Freind von mir aus unsern Kejelklub in Schidlitz zum Heringsässen einjeladen. Alles is wunderscheen, wä ahnen nuscht beeses nich, unser Gastgeber äzeehlt aus seine Jefangenschaft, und seine Frau väabred't sich mit meine Ollsche fier Montach zu eine Väsammlung in de Scherlersche Schul'. Es wird von dies und das jered't, und schließlich kemmt ma auch auf das iebliche Thema von wejen Väbrächertum in Danzich, na, und da weiß nu jeder was Besondres drieber zu äzeehlen, und indem is draußen das Riesenjewitter im Gang.

    Nanu wissen Se ja, wie unberächenbar de Langhaarjen sind. Weiß der Deiwel, was pletzlich in meine Ollsche jefahren is, wo doch sonst so resolut und mutich is, aber mach' ja sein, dass ihr das unheimliche Jeblitze näwjees jemacht hat, na, und dann kamen noch die grauliche Väbrächerjeschichten zu und woll auch der Kaffee, kurzum, auf einmal, wie es draußen im Dustern blitzt und donnert und wie mit Mollen jießt, äkleert se ganz pletzlich, se muss nach Haus, se hat keine Ruh nich mehr, es kennt da was passieren, se kennten am Änd wieder einbrächen und so weiter.

    De Frau von unsern Gastjeber war noch so freindlich und gab uns ihren Rejenschirm, weil wä keinen mithatten, na, und nu ich also "raus mit de Ollsche an de Friehlingsluft" und in de Düsterkeit und dem Unwätter rein.
    Neehere Beschreibungen kann ich mir ja woll sparen. Se wissen ja alle, was los war. Und so kennen Se sich ja sehr leicht vorställen, wie wir beid da nu loszoddeln in die Sintflut und immer wieder stehn bleiben missen und aufen neechsten Blitz warten, um zu sehn, wo wä jehn und reintreten.

    Na, und die, was das da draußen jesehn hahm vor jästern ahmd, werden sich auch leicht ausmalen kennen, dass das natierlich nich lang so jing mit meine Ollsche, und dass ich ihr mißd schließlich doch warraftich aufem Arm nehmen. Es jing nich anders! Se hätt ihr gutes Grienes an und de Sonntachsschuh, das weer ja alles zum Deiwel jegangen. Also los!

    Älassen Se mir ne neehere Schilderung. Wie ich so mit meine "sieße Last" ieberhaupt bin durchen Neigarter Tor jekommen, is mich heit noch schleierhaft. Auf das Brickenjeländer vorm Tor hab ich ihr einmal abjesätzt, um mir zu väpuhsten.

    Aber ich hätt doch meine Kräfte ieberschätzt. Wie ich an die Bäckerei auf Neigarten gleich am Tor vorbeikam, wo all große Aufrejung war, weil da das Wasser all inne Backstub reinlief, da kennt ich nich mehr und keichte: "Olga, bevor wä uns jeheirat' hahm, hab ich dir väsprochen, dir immer auf Händen zu tragen. Nimm es mich nich iebel, ich kann das jätz nich mehr, ich muss dir huckepack nehmen! Mich sind de Arme all ganz abjestorben!"

    Indem hätt wä, Gott sei Dank, auch all die Träppenstufen vorm Justizpalast äreicht, wo ich ihr wieder absätzen kennt. Son Seifzer der Äleichterung, wie ich ihm dabei ausstieß, hat das Jerichtsportal sicher all lang nich mehr jeheert. Sie zeterte natierlich nu wie am Spieß und schrie: "Nei, huckepack lass ich mir nich nehmen! Wie mecht das aussehn!“

    Aber nu wurd' ich meinerseits enärrjisch und äkleerte ihr, bei die Düsterkeit weer das egal, wie das aussieht, fierm Kientopp filmen kennt uns keiner nich, und anders jings eben nich, dann en Bot weer nich da, um nach Haus zu rudern. Se sollt nu man bloß keine Faxen machen, ich wirde mich de Stiebein und de Socken ausziehn und de Bixen aufkrämpeln, und dann rauf auf mein Puckel, wä kennten doch nich de Nacht da bleiben.

    So wurd es jemacht. In ein Portalchen zooch ich mir ab und krämpelt mich de nasse Bixen bis ieberm Knie auf, und dann nach einjes Zieren und Zureden hätt ich se mir ändlich aufjepuckelt und trat nu meinen schweren Weech an durch de Fluten wie einstmals der Heilije Christoforus.

    Dass das auch fier ihr nich so einfach war, kennen Se sich leicht dänken, wann Se sich vorställen, dass se dabei in de eine Hand meine beid nasse Stiebel mit de Socken drin halten sollt, und zwar so, dass se mir mit die Stiebel nich dräckich macht'. Na, und außerdem mißd se sich doch vor allen Dingen mit de Hände auch an mir fästhalten!

    Also kurz jesaacht: es war firchterlich! Unten brach ich mich mehrmals fast dem großen Zeh ab inne Straßenbahnjeleise, und oben hätt ich ihr ganzes Lebendjewicht auf mir, und ihr Korsätt drickt von hinten so infam auf mein Kragenknopp im Jenick, dass ich hätt bälken meejen vor Schmärz! Dazu war mich auch noch der Hut im Jesicht jerutscht, so dass ich man grad noch so mit en halbes Aug drunter wach schielen kennt. Prost!

    Mit einmal jibbts en firchterlichen Blitz, und der Donner prasselt - mach woll der Schlach jewesen sein, was da am Olivaer Tor reinjehaut hat - und se kreischt und wimmert: "Das hat einjeschlagen! Hachjees, hachjees, Franzchen, mich is so Angst, und um Gottes willen, daran hab' ich ja noch gar nich jedacht: de Schirmstang is ja aus Stahl, das zieht ja dem Blitz diräkt an, wann ma ihm so hoch hält!"

    Ich war so abjemarracht, dass ich nich viel Teene rauskricht und rechelte bloß: "Na, dann klapp dem Schirm meintswejen zu!"

    Also was soll ich Ihnen sagen? Da jeht doch hinten ieber mich son großes Jewurrach los, ich fiehl, wie se ihre Arme von mein Hals loslässt, und eine Stiebelspitz haut mich anne Back, und se wird ja nu warraftich väsuchen, oben ieber mir dem Schirm zuzuklappen!

    Auf einmal her ich en Aufjuchen, en Platschen und spier 'en Schlach am Schienbein: meine Stiebel sind ihr aus de Hand jerutscht und schwimmen ab! Ställen Se sich das vor! Mein einzjes noch halbweechs anstandjes Paar Stiebel - bloß einmal beriestert - wäch! Gonn!

    Der Schräck gab mir ne Väzweiflungskraft, so dass ich trotz meine Ollsche ihr Jewicht anfing zu traben. Bei jedem Blitz kickt ich mit mein eines Aug scharf unterm Hut aus, ob ich in dem braunen Strom, wo vor mir hinschoss, nich meine Stiebel äntdäck. Nuscht zu machen!

    Nu sätzt ich mir in Galopp! Und die iebermänschliche Ansträngung hätt Äfolch! Wie grad so zwei, drei Blitze hintrenander aufflammen, seh ich deicht vor mir, wie da der eine dunkle Stiebel hinschwimmt!

    Ich mach noch en Galoppsprung, bin glicklich deicht dran und bick mir, um ihm fix zu fischen, da jibbt's ieber mir en äntsätzlichen Schrei, der sogar dem Donner ieberteent, und meine Ollsche saust im Bogen vorne ieber mir wäch, wie son einjeehrjer Fäldartillrist in de erste Reitstund ieberm Ferdehals! Mein Hut platscht natierlich mit rein, und im neechsten Mommang lieg' auch ich drin und fiehl, wie mich das lehmje Wasser all inne Ärmel hochkriecht!

    "Na, das Jeschäft is richtich!" war das einzje, was ich in dem firchterlichen Augenblick rausgurjeln kennt. Bei de neechsten paar Blitze sah ich, dass aus meine arme gute Ollsche ne "Dame ohne Unterleib" jeworden war, dann es war von ihr bloß das Oberteil zu sehn, alles andre war in die Schokoladenwällen väschwunden. Wie es wieder blitzt, fraacht' ich ganz ästaunt: "Was hältst dann immer dem einen Arm so steif hoch?" Da saacht se: "Dass dem Schirm nich auch noch was passiert, der jeheert uns doch nich!" Aus die Bemärkung äkannt ich zu mein Erstaunen, dass se pletzlich wieder die alte war und ihre fimf Sinne trotz das Malleer wieder inne Jewalt hätt. Prost!

    Ich saacht ja woll erst schon, meine Härren, dass de Langhaarjen unberächenbar sind. Ma hätt doch meinen missen, nu wird se ohnmächtich oder kricht en Schreikrampf, oder brillt um Hilfe. Aber nuscht zu machen! Jätz, wo das Unglick nu mal passiert war, war se ganz de besonnene Danzjerin, und es galt fier ihr bloß: "Kalt Blut! Ruhe und rätten, was zu rätten is!"

    Und wie ich mir nu hochrappelt aus dem Blott und grad wieder paar Blitze flimmern, schreit se laut: "Da, da, Franz, kick, fix, fass zu, da schwimmt dein Hut! Fix, fix, dass du dem wenichstens wiederkriechst!"

    Ich bemärk nu auch, wie so was Rundes da lang krieselt, und beim neechsten Blitz seh ich ganz deitlich de Krämp, spring zu und fass mein Hut — aber jawoll doch vleicht von wegen "Hut". — Scheener "Hut"! Prost! Wissen Se, was ich da inne Hand hätt? Na, ich will's Ihnen sagen, meine Harren, wä sind ja hier ganz unter uns: en ganz jeweehnlichen ollen emalljierten Nachtstopp mit ohne Hänkel! Jawollja! Der muss doch woll aus de Große Muld' oder von de Millbärje runterjeschwommen sein.

    Indem schreit meine unjeduldje Ollsche mit Kommandostimm von drieben: "Hurrjes, was stehst dann nu? Nu is doch alles ganz egal! Nu schittel ihm ab, sätz ihm auf und komm mir holen!"

    "Was?" brillt ich nu, "aufsätzen? Ich das Dings aufsätzen?"

    "Aber jewiß!" schreit se zurick. "Nu kemmt's doch nich mehr drauf an! Reinjemacht wird er zu Haus. Nu los, sätz ihm all ändlich auf!"

    "Nei", äkleerte ich darauf äntschieden und laut, "nei, Olga! Alles kannst von mich välangen, und ich queel mir als guter Gatte, um dir jeden Jefallen zu tun. Das hab ich dir heit Ahmd wieder bewiesen! Aber, dass ich nu nach allem, was uns hier passiert is, die Äeichnisse noch dadurch kreenen sollt, dass ich nu zum Schluß mich noch dies Dings aufem Kopp sätzen tu — nich in de Hand!!"
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    Das ist die höchste aller Gaben: Geborgen sein und eine Heimat haben (Carl Lange)
    Zertifizierter Führer im Museum "Deutsches Konzentrationslager Stutthof" in Sztutowo (deutsch/englisch)
    Certyfikowany przewodnik po muzeum "Muzeum Stutthof w Sztutowie - Niemiecki nazistowski obóz koncentracyjny i zagłady"

  2. #2
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    Standard AW: Poguttke: Iebaschwämmung auf Neugarten

    Hallo, Wolfgang, köstlich diese Geschichte, besonders die Anhäufung von Ausdrücken, die mir als Kind so vertraut waren.
    Danke
    Gisela

  3. #3
    Administratorin Avatar von Beate
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    Standard AW: Poguttke: Iebaschwämmung auf Neugarten

    Ährbarmung! Hab mich dem janzen jrad so vorjestellt- Junge, Junge!

    Großartig! Hab tatsächlich hier über'm Schreibtisch gehangen...

    Fröhliche Grüße Beate

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