Das Hotel Waldfrieden der Familie Bench in Steegen
von Max Büchau (+)
(aus den Tiegenhöfer Nachrichten 2006)
"Wenn auch die Jahre enteilen, bleibt die Erinnerung doch ..."
Heute möchte ich noch einmal mit meinen 89 Jahren, 61 Jahre nach der Vertreibung, in Gedanken das Vertraute meines Heimatortes, das "Damals" vor 1945 in Erinnerung zurück rufen um es vor dem Vergessen zu bewahren. In diesem Sinne werde ich noch einmal die alten Wege meines Ostseebades Steegen gehen und aus der damaligen Zeit erzählen.
Der Kleinbahnhof ist der Ausgangspunkt meines Weges. Hier auf dem Bahnhof ging es im Sommer an schönen Tagen fast wie in Zoppot, Glettkau, Brösen oder Heubude zu, wenn Ausflügler aus Danzig und dem Großen Werder zum Baden kamen. Vom Bahnhof geht nun mein Weg durch die Lindenstraße mit ihren gut gewachsenen Bäumen in Richtung Weißens-Seeweg. Ich überquere die Dorfstraße und an der linken Seite vorbei befindet sich das Kolonialwarengeschäft Zimmermann und die Gaststätte Engels. Danach erreiche ich den Weißens-Seeweg an der Hinterheide und befinde mich schon vor dem jüngsten Hotel vom Ostseebad Steegen dem "Hotel Waldfrieden", dem mein heutiger Bericht gewidmet ist.
Das Hotel gehört der Familie Bench. Sie hat vier Kinder, zwei Sölme und zwei Töchter. Mit der ältesten Tochter Grete ging ich in der Steinschule und in der Bergschule in den Klassen 6-7 und 8 zum Unterricht. Die Grete war bei den Mädchen eine gute Schülerin und hatte den zweiten Sitzplatz inne.
Auf das Hotel zurück zu kommen, es war für die damalige Zeit schon hervorragend ausgestattet, was auch die Werbung in den Danziger Zeitungen zeigt:
Steegen (Freie Stadt Danzig) "Hotel Waldfrieden"
fließendes Wasser vorhanden, Autohalle.
Preis für 1 Zi. mit Verpflegung 4.- Gulden.
Herrlich gelegen an Wald und See.
Inhaber Familie Bench
So war das Hotel sehr beliebt bei den Urlaubern und Sommerfrischlern, so wurden die Feriengäste in meiner Jugend genannt, und sie kamen Jahr für Jahr wieder, denn das Heilklima war wohltuend und bot den großen und kleinen Feriengästen eine gesunde Erholung und viel Abwechslung am Strand. Ein Prädikat wie "Luftkurort" oder "Ostseebad" konnte Steegen zwar noch nicht aufweisen, wurde aber von der Gemeindevertretung und dem Vorsitzenden des Verschönerungsvereins Rektor Tümmler angestrebt. Als Bade- und Ferienort war Steegen ein Kleinod an der Danziger Bucht und wurde auch die Perle der Danziger Bucht genannt.
Vom Hotel geht nun mein Weg weiter durch den Wald in Richtung Strand. Es ist der kürzeste Weg von den drei Seewegen die vom Ortsteil zum Strandteil führen.
Der Strandteil beginnt bei der Waldhalle und hier an der Düne befinden sich die Parkplätze für Omnibusse, Personenkraftwagen, Fahrräder und Jagdwagen mit edlen Pferden, die meist als Trakehner, den Brand der doppelten E1chschaufel des Westpreußischen Stutbuchverbandes trugen.
Nach der Waldhalle erreiche ich mein zweites Ziel dieses Berichtes, die Strandhalle. Sie wurde 1930 von dem Steegener Bauunternehmer Karl Dröfke erbaut, ist ein Holzbau mit Schindeln gedeckt und einem Turm. Sie fand bei der Eröffnung großen Anklang, wie später bei Urlaubern, Feriengästen und Dorfbewohnern. In den Sommermonaten wurde die Strandhalle von der Familie
Bench bewirtschaftet, die sie von der Gemeinde gepachtet hatte. Hier in der Strandhalle hat dann auch die Tochter Grete Bench viele Jahre gewirkt für das Wohl der Besucher und den Lebensunterhalt er eigenen Familie. Nun nehme ich mir die Zeit, um meinen Gedanken nachzugehen. Sie gehen zurück bis in die Kindheit, wo ich mich beim Baden mit meinen Schulkameraden in die schäumenden Wellen stürzte und wir uns danach in den Dünen von der Sonne bräunen ließen - eine schöne, unvergessliche Zeit. Später als Lehrling, Geselle und Soldat kehrte ich bei meinen Aufenthalten im Elternhaus in Steegen immer wieder zu diesem Strand zurück, denn nirgends erfüllt sich die Sehnsucht des Menschen nach Weite, Feme und Romantik so, wie am Strand, wo Land und Meer sich treffen. Hier erfühlt die Haut regelrecht den Wind, der so wunderbar frisch und prickelnd vom Meer ins Land weht. Im gleichen Augenblick fällt einem auch ein unbestimmbares Brausen und Rauschen ein, das in der Luft liegt, keine Richtung hat und keinen irdischen Klang. So singt das Meer! Es ist der unablässig gegenwärtige Dreiklang von Wellenschlag und Brandung, der Tag und Nacht - bald leiser, ferner, bald lauter, mahnender - in den Ohren klingt. Noch unter dem Eindruck dieser inneren Sammlung reagiert die Lunge von selbst durch tiefes, kräftiges Ein- und Ausatmen und ein wohliges Gefühl durchpulst dabei den Körper. Nach dieser Besinnung am Strand trete ich den Rückweg an und erreiche im Ort den Kleinbahnhof. Hier auf dem Bahnhof war eine Gaststätte. Sie diente allen Reisenden und Ausflüglern, die Wartezeit zu den einzelnen Zügen zu verkürzen.
Diesen Bericht will ich schließen mit den Worten einer indischen Diplomatenfrau, die in den zwanziger und dreißiger Jahren mit ihren beiden Töchtern in Steegen im Privatquartier der Familie Bär Ferien machte. Auf die Frage, warum sie so oft in Steegen Urlaub macht, antwortete sie: "Steegen ist ein kleines Städtchen, hat einen sehr schönen Badestrand, einen herrlich gepflegten Wald und ist durch den Kleinbahn- und Busverkehr sehr gut zu erreichen. Aber auch für Unterhaltung wird in der Sommerzeit sehr viel in diesem Städtchen für die Gäste getan".
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Anmerkung: Die "Tiegenhöfer Nachrichten" werden jährlich vom "Gemeinnützigen Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder e.V" herausgegeben. Nähere Infos zum Verein und den Tiegenhöfer Nachrichten sind zu finden unter: www.tiegenhof.de