Aus "Unser Danzig", Weinachten 1964, Nr.24, Seite 5-6

Von Thorner "Katharinchen" und vom Pfefferkuchenteig
von Käthe Austin

Wie die Chronik erzählt, lebte einst im Kloster der Zisterzienserinnen zu Thorn an der Weichsel eine fromme Nonne namens Katharina. Anno domini 1312, just am Tage ihrer Namensheiligen Katharina, buk sie nach selbsterdachtem Rezept aus Mehl, Honig und mancherlei Gewürz flache, gezackte Küchlein von länglicher Form, und weil sie ihr so gut gerieten, verteilte sie sie freigebig unter die Leute. Als die Nonne nun sah, dass ihr Backwerk gut aufgenommen ward, wurde es ihr eine liebe Gewohnheit, auch im nächsten und übernächsten Jahre und so fort am Katharinentage solche braunen Küchlein zu verfertigen und die Menschen damit zu beschenken. Sowohl um die Bäckerin als auch um die Schutzpatronin zu ehren, nannte das Volk das Gebäck "Katharinchen". Und da das Nönnchen auch das Backrezept allen mitteilte, die es wissen wollten, duftete es fortan in allen Gassen Thorns am 25. November nach den würzigen Küchlein, denn in fast jedem Hause wurden sie jetzt gebacken.

Als dann die Sitte aufkam, sich am Christtag zu beschenken (1. Weihnachtstag), tat man es jetzt mit den "Katharinchen", an Stelle der bis dahin üblichen, künstlich zum Erblühen gebrachten Zweige von Schlehen. Vielleicht ist es seit jener Zeit unbewusst gepflegter Brauch bei uns in der Heimat gewesen, dass auf keinem bunten Teller "Katharinchen" fehlen durften.

Der Name jenes findigen Thorner Bäckers, der als erster die "Katharinchen" gewerbsmäßig buk, um den geplagten Hausfrauen die Bürde des Backens abzunehmen, ist nicht bekannt. Tatsache ist, dass es schon um 1500 eine "Pfifferkücherlerzunft" zu Thorn gegeben hat, das Backen der Würzküchlein also schon in größerem Umfange betrieben wurde. Die Zunft war so angesehen, dass sie Sitz und Stimme im Rat der Stadt Thorn hatte. Sie besaß sogar eigene Schiffe und Gefährte und verschickte ihre Erzeugnisse nach Danzig, Königsberg, Warschau, Krakau und nach anderen Orten, und zwar jahrüber. Waren doch die "Thorner Katharinchen" nicht nur "Hauptverzehr des gemeinen Volks zu den Fasten", man fand sie auch auf fürstlichen Tafeln, so dass sie für die "Nürnberger Lebzelten" keine kleine Konkurrenz waren. Anno 1640 - in deutschen Landen tobte noch der Dreißigjährige Krieg - taucht zum ersten Male der Name des Pfefferkuchenbäckers Gustav Weese auf. Damals hat noch keiner ahnen können, dass er der Stammvater jenes großen Betriebes werden sollte, der die leckeren Pfefferkuchenerzeugnisse in aller Welt populär machen und damit der Stadt Thorn gewissermaßen zu Weltruhm verhelfen sollte. Ein weiter Weg aus der Klosterbäckerei zur Weltgeltung.

Man sollte es nicht für möglich halten, dass die Thorner Pfefferkuchen einst Ursache einer über 200 Jahre andauernden Fehde zwischen Thorn und Königsberg gewesen sind und es diplomatischen Geschicks bedurft hat, dass sie unblutig verlaufen ist. Und das kam so: 1557 gab Herzog Albrecht von Preußen der Thorner Pfefferküchlerzunft das landesherrliche Privilegium, dass sie fortan den Königsberger Johannimarkt mit ihren Erzeugnisssen beschicken dürfe. Natürlich zogen sich die Thorner dadurch die Feindschaft der Königsberger Pfefferküchler zu, die zum Vernichtungskampf gegen die Thorner aufriefen, zum Boykott. Jede der streitenden Parteien versuchte nun, die wohlschmeckendsten und wohlfeilsten Pfefferkuchen herzustellen, um die Käufer für sich zu gewinnen und den verhassten Feind aus dem Felde zu schlagen. Besonders die Königsberger erwiesen sich da sehr listenreich und sorgten dafür, dass die Erzeugnisse der Thorner mehrere Male beschlagnahmt und den städtischen Armenhäusern "zum Verzehr" übergeben wurden. So zog sich der erbitterte Streit durch Generationen hin. Als 1757 den Thornern gar erlaubt wurde, auch noch auf dem Königsberger Weihnachtsmarkt zu verkaufen, da entflammte die Wut der dortigen Bäcker zur Weißglut. Nun griff die Stadtobrigkeit ein und befahl den Streithähnen, Proben ihrer Backkünste beim Königsberger Magistrat zu dessen Entscheidung abzuliefern. Nach langwierigen Sitzungen und nachdem die amtlichen Prüfer sich die Bäuche bis zum Überdruss mit Pfefferkuchen gefüllt hatten, wurde der Sieg doch den - Thornern zugesprochen. Zwar versuchten die Königsberger zu guter Letzt, ihre Pfefferkuchen als die "echten Thorner" unterzuschieben, aber der Plan misslang. Und damit hatte der "Pfefferkuchenkrieg" endlich sein Ende gefunden.

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Wolfgang