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Thema: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

  1. #51
    Forum-Teilnehmer Avatar von Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Wolfgang
    Und noch etwas ... der Ausdruck " pfiffig " fand ich total unpassend !!!!!!!!!!!!!!!!!!!
    Das könnte ich meiner Mutter nicht erzählen ... leider geht es Ihr nun so schlecht das ich heute
    darüber mir Ihr nicht mehr reden kann.
    Gute NACHT ( wenn möglich)
    Hans-Jörg

  2. #52
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hans-Jörg,

    Du bringst Deine Mutter als Einzelschicksal ohne zu sagen, wann sie "nein" und wozu sie nein sagte. Deine Aufforderung, KEINE Bücher heranzuziehen, hieße letztendlich, Fakten zu ignorieren um dumm zu sterben. Das ist Ignoranz in Reinkultur!!!

    Nicht immer wissen die damaligen Kinder und Jugendlichen, was tatsächlich war, was sich hinter den Kulissen abspielte, was in Verordnungen und Gesetzen festgehalten war. Deine Aufforderung, Bücher zu ignorieren heißt nichts anderes, als gesicherte Erkenntnisse denen Forschungen zugrunde liegen, einfach vom Tisch zu wischen. Sorry, unser Forum dient nicht dem Zweck, doof zu bleiben.

    Bis zum Zeitpunkt der Machtübernahme war die HJ eine reine Parteijugend. Ab 1933 war sie "Staatsjugend" mit dem Ziel, eine für ALLE Jugendliche verpflichtende dritte Erziehungsinstanz neben Elternhaus und Schule zu werden. Und das wurde auch massiv durchgesetzt. So wurde z.B. am 01.11.1937 die "Verordnung über die Staatsjugend in Danzig" erlassen, veröffentlicht im Gesetzesblatt der Freien Stadt Danzig 1927, Nr.70. Dort heißt es auf Seite 585:
    "Die Jugend ist der Träger der Zukunft des Volkes. Es ist notwendig, die Jugend auf ihre künftigen Pflichten dem Volk gegenüber vorzubereiten. Daher wird [...] Folgendes mit Gesetzeskraft verordnet:
    §1 Die DEUTSCHSTÄMMIGE Jugend der Freien Stadt Danzig wird zu einer Staatsjugend zusammengefasst. Aufgabe der Staatsjugend ist die körperliche, geistige und sittliche Erziehung der Jugend zum Dienst am Volk und der Volksgemeinschaft"

    Es gibt da noch einige weitere Paragraphen, die klipp und klar zum Ausdruck bringen, dass die deutschstämmige Jugend per Gesetz vereint wurde.

    1939 gab es weitere Verordnungen mit denen nun auch per Gesetz festgelegt wurde, dass die Hitler-Jugend die Staatsjugend ist. Dort heißt es u.a.: "Der Führer der Hitler-Jugend in Danzig hat als STAATSJUGENDFÜHRER die Stellung einer Landesbehörde..."

    Abhängig von der Zeit und vom Alter der Kinder der Jugendlichen waren teils mehr als 90% der erfassten Jugend Mitglied der HJ. Im Danziger Vorposten (23.05.1934) hieß es z.B.: "Bis zum 30. April 1934 waren 90 Prozent der Schüler des Realgymnasiums Oliva in die Hitlerjugend eingegliedert..."

    Hans-Jörg, Deine Mutter war sicherlich kein Einzelfall. Es hat auch Andere gegeben, die "nein" sagten. Diese waren aber eine Ausnahme. Die weit überwiegende Mehrzahl der Jugendlichen gehörte der Staatsjugend an und die meisten machten auch aktiv mit. Es gibt zahlreiche Bücher und Biografien älterer Danziger in denen der Druck zur HJ zu gehen, sehr eindringlich beschrieben ist.
    -----
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  3. #53
    Forum-Teilnehmer Avatar von Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
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    Standard

    Hallo Wolfgang
    Zu den " Büchern" ... ok .... kann und muss sein.
    Aber das in dem Zusammenhang BDM meine Mutter von Dir als "pfiffig" bezeichnet wurde hat mich doch getroffen .....! Überleg Dir mal ob dies der richtige Ausdruck war.
    Und Sie hatte später keine Nachteile im Berufsleben usw.

    Viele Grüße
    Hans-Jörg

    Hallo Wolfgang
    und nur noch zur Klarstellung.... ich mache niemand einen Vorwurf der in der HJ / BDM war....
    wäre wohl selbst vielleicht dabei gewesen (?) -- statt Pfadfinder DPSG.
    Was mich heute manchesmal stört sind Aussagen von Menschen die diese Zeiten selbst nicht
    erlebt haben und nun sagen ...." ich hätte das Nie gemacht / mitgemacht ".

    Viele Grüße
    Hans-Jörg

  4. #54
    Forum-Teilnehmer Avatar von JuHo54
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Hans-Jörg,
    jetzt mal unabhängig von Danzig , ich hatte bei meinen Eltern beides. Mein Vater, der bei der HJ war und mein Großvater war wahrscheinlich als Oberpostdirektor in der Partei. Meine Mutter war nicht im BDM , sie war in der Kirche ( kath) sehr stark engagiert wie auch meine Großeltern mütterlicherseits, mein Großvater als Bahnbeamter nicht in der Partei , was ihm sofort Nachteile einbrachte, er wurde nicht befördert....Nur weil er kriegsbeschädigt aus dem 1. WK war, wurde er nicht eingezogen... Wenn mein Vater nicht in der HJ gewesen wäre, hätte er nicht das Gymnasium besuchen können ... es gibt also alles , das breite Spektrum. Als Beamter war es mit Sicherheit sehr schwierig , sich zu entziehen, ob nun in Danzig oder anderswo, deshalb gilt mein Respekt denjenigen , die es trotzdem getan haben und ich kann nicht diejenigen verurteilen, die sich dem Druck gebeugt haben...

    Viele Grüße
    Jutta
    Jeder Tag ist ein kleines Leben für sich.

    Artur Schopenhauer* 1788 Danzig

  5. #55
    Forum-Teilnehmer Avatar von TT72SN
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo, hier nur zwei Beispiele das man nicht überall unter Diktaturen mit dem Strom schwimmen musste. Meine Mutter (Jahrgang 1931 Danzig) war nicht im BDM und ich selber (Jahrgang 1972 DDR) war weder in den Pionieren noch in der FDJ, geschweige habe ich die Jugendweihe erhalten. Und Nachteile in unserer Jugend durch den Staat hatten weder meine Mutter noch ich. Man musste halt nur seinen Standpunkt verteitigen, was in unserem Fall die Religion war.
    Dominus meus et Deus meus.

  6. #56
    Forum-Teilnehmer Avatar von wenzkauer
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Thomas,
    die Religion und der stark gelebte Glaube spielte eine gewisse Rolle. Aus Erzählungen heraus hörte ich, Familie Bieschke und Gdaniec blieb manch eine Mitgliedschaft erspart. Recht streng katholisch ging es auch noch in meiner Kindheit zu.
    Gelang es dir, zu den beiden Bieschkes in Schwerin Kontakt aufzunehmen ? Beide können zu diesem Thema bestimmt einiges berichten. Schließlich haben wir als Kinder, deren Vater Heinz und meiner Familie einige Gottesdienste besucht.
    Im Sommer ging es danach oft nach Zippendorf zum baden...
    Liebe Grüße nach Schwerin Michael

  7. #57
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo
    Frage! wenn Ihr Berufswunsch Mediziner, Jurist ,Chemiker oder der gleichen gewesen waere haetten die Machthaber der DDR dan auch so großzuegig entschieden???
    Freundliche Grüße v Heinz Mandey

  8. #58
    Forum-Teilnehmer Avatar von wenzkauer
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Heinz,
    nach meinem Wissen war es nicht möglich mit höheren Berufszielen neutral zu bleiben. Ich bekomme jedoch immer wieder das Gegenteil erzählt und ich glaube es nicht.
    Gruß Michael

  9. #59
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Michael
    ich weiß es nicht, ich war nie in der DDR gewesen , aber ich denke soweit waere die Grozügigkeit der Genossen wohl nicht gegangen,ich habe viel ueber die Ziele der Kommunisten gelesen aber das heisst noch lange nicht, das ich darueber groß Bescheid weiß
    Freundliche Grüße v.Heinz Mandey

  10. #60
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Das ist es nämlich, Rüdiger.Das Leben ist auch in den schlimmsten Zeiten irgendwie normal verlaufen.Meine Schwester trällerte "In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine..." oder "Wenn ein junger Mann kommt...".Ich weiß gar nicht, ob wir überhaupt eine Tageszeitung hatten. Nachrichten kamen sicher nicht sofort und so bedrohlich in die Familien wie jetzt.War bei uns wohl auch etwas einfach, weil mein Vater keine besondere Stellung hatte.
    Dafür, dass in der DDR für ein Studium die Grundvoraussetzung die Parteimitgliedschaft war, gibt es bestimmt auch genügend Beispiele.
    ______
    Schöne Grüße, Christa

    ______
    Schöne Grüße von Christa.
    Auge um Auge- und die ganze Welt wird blind sein.
    (M. Gandhi)

  11. #61
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Zu meinem letzten Beirag gestern möchte ich noch etwas anmerken.
    Es soll nun nicht der Eindruck entstehen, dass doch eigentlich "alles nicht so schlimm war." Zumindest möchte ich den Eindruck nicht erwecken.
    Es konnten Nischen gefunden werden, in die man sich zurückzog.Aber es waren die Ausnahmen, nicht die Regel. Genau so wie Namensänderungen oft mit Druck durchgeführt wurden, und doch nicht alle betroffen waren.Bei uns war immer die Kirche die Nische.
    Eine DDR- Nostalgie verwischt die Tatbestände ebenso.
    Keiner von uns Geschwistern war bei den Pionieren. An Ferienspiele kann ich mich erinnern.Da wurde für uns Kinder Beschäftigungen und Mittagessen geboten.Sehr gern ging ich da auch nicht hin, ich weiß nicht, warum.Als Jugendliche wurden wir gar nicht mehr gefragt. Ich zumindest nicht.Ich war am IfL Magdeburg,wir bekamen unsere Blauhemden, das Halstuch und wir waren FDJ- Mitglieder.Hatten aufzumarschieren, wenn Anlass war.
    Im Chor aufzutreten ohne Blauhemd??? Wie das ? Fähnchen schwingen inbegriffen.
    Dass ich kein Parteimitglied war, wundert mich heute noch.Vielleicht war ich bisschen stur, oder zu uninteressant als Agitprop.Ich habe mich immer herauswinden können, wenn ich gefragt wurde.
    Und letztendlich entzog ich mich dem allen durch Flucht.
    Einen guten Tag wünscht
    Christa
    Auge um Auge- und die ganze Welt wird blind sein.
    (M. Gandhi)

  12. #62
    Forum-Teilnehmer Avatar von buddhaah
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Ich möchte mich bei euch bedanken für diesen Diskussionsstrang. Finde ich sehr informativ.

    Gruss,

    Michael

  13. #63
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Schönen guten Abend,

    danke, Michael, für Deinen letzten Beitrag.

    Das Thema ist interessant, aufwühlend, emotional eingefärbt, und im Rückblick würde ich vielleicht die eine oder andere Formulierung in einem früheren Beitrag etwas anders ausdrücken. Vielleicht. In meinen Beiträgen liebe ich Klartext, auch spontan, selbst dann, wenn sie manchmal undiplomatisch klingen, selbst dann, wenn der/die Eine oder Andere es in die falsche Kehle bekommt. Wenn dies der Fall ist, bitte ich um Verständnis - mir geht es um Diskussionen, die uns weiterbringen, nicht um Diskussionen zum Thema "Friede, Freude, Eierkuchen".

    Es gibt kein Stigma im oder vor dem Krieg geboren zu sein. Genauso wenig wie es eine "Gnade der späten Geburt" (ein Kohl'scher Ausdruck) gibt. Statt dessen: Es gibt eine gemeinsame Verantwortung und eine gemeinsame Geschichte. Generationenübergreifend. Und darum geht es mir.

    Eigene Erfahrung, eigene Erlebnisse, prägen uns alle bis zu unserem Ende. Natürlich -und damit komme ich zu unserem Thementitel zurück- stimmt das (glückliche?) Schicksal vieler Nachkommen alter Danziger "Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen".

    Nur -und da entzündet sich offensichtlich so manche Meinungsverschiedenheit-, was ist darunter zu verstehen, welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus oder sollten daraus gezogen werden?

    Ich weiß, dass mein Vater, hochgebildet, -er ist vielen Punkten mein Vorbild- ein geschichtliches Bild Danzigs in sich trug, das dort wo er es aufgrund persönlicher Erlebnisse erfuhr absolut korrekt war, aber in so manchen historisch vermeintlichen Fakten eine gewisse Schieflage aufwies. Wir haben, zu seinen Lebzeiten, mitunter darüber gestritten. Und er war stets bereit, dort wo die Faktenlage keine anderen Schlüsse zuließ, seine Ansichten zu revidieren. Er gestand mir zu, dass ich über Unterlagen, Dokumente, Bücher (Hans-Jörg, das ist eine meine wesentlichen Quellen) und Erkenntnisse verfüge, die in sich schlüssig sind. Trotzdem: Wir alle sind Suchende, oder sollten es zumindest sein. Eine Aussage, man glaube nur das, was man selber gesehen oder erlebt habe, ist nicht immer hilfreich. Jeder Staatsanwalt, jeder Richter, wird bestätigen, dass zehn Zeugen eines Sachverhalts zehn verschiedene Schilderungen geben können.

    Kommen wir auf Danzig zurück! Wir wollen erfahren, wie es war. Wir möchten Erlebnisse und Schilderungen aus der Jugend alter Danziger hören. Wir müssen uns damit abfinden, dass die wenigen Zeitzeugen langsam verstummen. Was aber ein wenig sprachlos macht ist, wenn uns bei der Suche nach diesen Zeugenberichten, wortreich klar gemacht wird, dass wir, die Suchenden, ja gar keine Ahnung von Danzig haben. Eine zielorientierte Antwort wäre da hilfreicher.

    Übrigens, eine weitere vielleicht etwas provozierende Frage: Wenn den Nachkriegsgeborenen vorgeworfen wird, sie hätten keine Ahnung von dem tatsächlichen Geschehen, dann möchte ich gerne wissen, worauf sich das Wissen der noch im alten Danzig Geborenen beruht über die Zeiten in denen sie noch nicht geboren waren... - Erzählungen? Bücher? Überlieferungen? National eingefärbtes (Schul-) Wissen?

    Über all das verfügen viele aus den nachgeborenen Generationen auch... - jedoch ohne den belastenden "Ballast" nationalsozialistischer Propaganda der seinerzeit in den Schulen vermittelt wurde.
    -----
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  14. #64
    Forum-Teilnehmer Avatar von Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Wolfgang
    Und ganz wichtig ist nun einmal .... das läßt sich nicht aufhalten ( die Zeit !!!! ).... bald wird es
    niemand mehr geben der persönlich das " alte " Danzig erlebt hat !!!!!!!!!

    Viele Grüße
    Hans-Jörg

  15. #65
    Forum-Teilnehmer Avatar von Heinzhst
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Karl-Heinz Tepper schrieb:

    Danzig gibt es nicht mehr.-----
    Danzig und Gdansk muss etwas besser sortiert werden, sonst
    denken die jungen Leute wenn Sie zu Besuch dort hinfahren:
    sie sind wirklich in Danzig. Alleine die fremden Leute überall,
    wo kommen die alle her?

    Vor 66 Jahren , Ende März 1945, wurde Danzig in Gdansk
    umbenannt und die Danziger gegen Gdansker Bevölkerung
    ausgetauscht.

    Betrachtet das mal aus dieser Sichtweite, vielleicht wird man
    dann K. H. Tepper besser verstehen.


    Schönen Abend oder Gute Nacht wünscht
    Heinz S.
    Ich glaube nur das,was ich gesehen und erlebt habe.
    A.G.

  16. #66
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Schönen guten Abend,
    hallo Heinz,

    Danzig wurde zwar 1945 aus deutscher Sicht in Gdansk umbenannt, nicht jedoch aus polnischer Sicht. Im Polnischen heißt Danzig schon seit langen Zeiten Gdansk. In deutscher Sprache heißt es dagegen auch in Polen heute "Danzig".

    Die frühere Bevölkerung starb, flüchtete, wurde vertrieben, ausgesiedelt oder musste in Danzig bleiben. Danzig aber blieb. Zerstört, zerbombt, verbrannt, aber die Stadt selber und deren Geschichte sind nicht untergegangen. Danzig, auch das alte Danzig, lebt weiter. In Erinnerungen, überliefert, schriftlich festgehalten, in unserem Forum, in Zeitungen, anderen Dokumenten, festgehalten in vielen Kapiteln im Buch der Geschichte.

    Die heute in Danzig lebenden Danziger -ich verwende in der deutschen Sprache bewusst nicht das Wort "Gdansker" da es häufig ausgrenzend verwendet wird- haben das alte Danzig, auch das deutsche, als verpflichtendes Erbe angenommen.

    Danzig ist nicht untergegangen. Es ist ein Kapitel abgeschlossen. Das Kapitel in der Geschichte Danzigs, in der die Geschicke der Stadt weitgehend deutsch bestimmt und geprägt waren. 1945 wurde im Buch der Geschichte der Stadt Danzig ist ein neues Kapitel aufgeschlagen, es ist polnisch, aber es handelt nach wie vor von Danzig.
    -----
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  17. #67
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    1945 war ein Identitätsabbruch des deutschen und der Neubeginn des rein polnischen Danzig.

    Jedenfalls seit dem Sturz des Kommunismus haben überall in den ehemaligen deutschen Ostgebieten die heute dort lebenden Polen aber die deutsche Geschichte als originäre Regionalgeschichte sich zu eigen gemacht (rezipiert). Die Identität des 1945 "zerbrochenen" Danzig ist von daher wieder zusammengewachsen oder mindestens im Zusammenwachsen begriffen. Dieser zum Teil erstaunliche bis berührende Prozess kann ruhig ablaufen, weil auch in Deutschland kein ernst zu abnehmender Mensch mehr die Grenzen Polens und damit z. B. die Zugehörigkeit Danzigs zu Polen bestreitet.

    Jeder weiß heute, das Danzig zu Polen gehört. Und wer sich für Geschichte interessiert weiß zudem, dass man dort deutsches Kulturerbe findet und eine gemeinsame deutsch-polnische Verantwortung für das gemeinsame Geschichtserbe besteht.

    Mein, dein, unser, euer Danzig ? Verstehe ich nicht. Danzigs Gegenwart und Zukunft ist polnisch, die Geschichte vor '45 war deutsch-polnisch und zum besseren Verständnis sind die persönlichen Erinnerungen alter Danziger deutscher oder polnischer Muttersprache unverzichtbar.

  18. #68
    Forum-Teilnehmer Avatar von Heibuder
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Sehr gut ausgedrückt, Rüdiger!
    Ich könnte es nicht besser. So denke ich auch.

    Das ist doch tröstend und versöhnlich.
    So kann man (als Gegenbeispiel) über Königsberg/Kaliningrad ja leider nicht denken.
    Ich habe nicht vernommen, dass sich die Kaliningrader mit dem alten Königsberg so geschichtsbewahrend indentifizieren.
    Es grüßt der Heibuder!

    "Erinnerungen sind Wärmflaschen fürs Herz." (R.Fernau)

  19. #69
    Forum-Teilnehmer Avatar von Uwe
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Rüdiger,

    ich finde auch Du hast es gut ausgedrückt, in einem bin ich aber anderer Meinung, die Zukunft Danzigs ist europäisch. Denke die Zeiten der Nationalstaaten ist in Europa vorbei. In ein paar Jahren werden wir wissen wer von uns näher an der Wirklichkeit ist, also warten wir es ab ...

    Herzliche Grüße

    Uwe
    Geschichte kann man nicht ändern ... aber man kann aus ihr lernen!

    Suche Informationen zu den Familiennamen Block, Gehrt, Kirschke, Kirsch, Haak, Happke, Hoffmann, Makowski, Namowicz, Patzer, Rehberg, Tolk(e) und Vierling aus Danzig

  20. #70
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    ....auch ich nicht.Eigentlich finde ich diese Diskusion gar nicht schlecht,aber meiner meinung nach am Thema vorbei.Erzählt doch lieber den" Nachgeborenen" wie es war.Viele von uns können es nicht kennen,weil nichts erzählt wurde , man vielleicht gar nicht zugehört hat oder weil man zu klein war.

    Arme und Reiche gab und wird es immer geben,auch heute noch,überall auf der Welt.

    Was ich heute ganz genau weiß,mein Vater hat seine Heimat geliebt.Wie ich jetzt erfahren habe,hat er aus dem Gedächtnis eine Kirche und von einem Fensterbild davon die Mutter Gottes mit Jesuskind gemalt,was unser Pfarrer in seiner neuen Heimat ihm immer abkaufen wollte und obwohl es uns auch nicht so rosig ging,es war unverkäuflich.Dann war da noch ein Bild,wo man von ausgehen kann,das es der "Karlsberg"war.Oh ja,mein Vater konnte wohl wunderbar zeichnen.Und wenn ich bei Google maps die Bilder sehe ,von seiner alten Heimat und wo er später mit seiner Familie ein Haus baute,in BW,es gibt keine großen Unterschiede."Heimat",nicht mit dem Herzen,aber mit den Augen.

    So, und nun erzählt uns vom Danzig was wir nicht kennen,denn eines weiß ich,die Ohren sind offen und frei dafür!

    Schöne Grüße
    Angelika

  21. #71
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Angelika
    Bitte Frage mal Präzise zu welchen Themen du etwas wissen möchtes!den Allgemein wäre wohl etwas viel auf einmal, der eine oder andere Formum Teilnehmer wird Dir gern etwas Berichten,wo kommt deine Familie den her? aus Danzig oder aus der Umgebung, den Danzig hatte und hat auch weiterhin ein Großes Umfeld
    Freundliche Grüße v.Heinz mandey

  22. #72
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Heinz .ich stimme mit Dir ein. Hansgeorg aus Lauental

  23. #73
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Heinz & Hansgeorg Bark

    Meine Familie ,väterlicherseits, stammt aus Danzig-Oliva.Wenn ich mir meinen Beitrag heute durchlese,war es für mich eher eine verteidigung für meinen Vater ( Namensänderung / Wehrmacht ),denn ich glaubte aus einigen Beiträgen doch einen leisen Vorwurf heraus zu lesen,das man sich doch hätte weigern können.Sorry,das es bei mir so ankam.

    Was ich gerne wissen würde,wie sah so ein Alltag aus (elektr. Geräte gabs ja nicht),grins.Wie wurden die Frauen damit fertig?Wie sah die schulische Versorgung aus (weite Wege?).Auch die ärztliche Versorgung,konnte man sich die überhaupt leisten?

    Würde mich sehr über den einen oder anderen Beitrag freuen.

    Viele Grüße Angelika

  24. #74
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Wenn du nach dem Alltag in Danzig fragst, Angelika,dann weiß ich so ein bisschen aus unserem Familienleben.
    Meine Eltern heirateten 1926.Vater war häufig arbeitslos, die gesamte wirtschaftliche Situation in Danzig wurde von Jahr zu Jahr schlimmer.Mit Gelegenheitsarbeiten und Arbeitslosenunterstützung hielt sich die Familie über Wasser.Mit der Zeit waren noch bis 1938 Kinderchen dazugekommen, 6 Stück an der Zahl. Wäsche wurde im großen Bottich gewaschen. Die Gasuhr musste immer mit Dittchen gefüttert werden, sonst gab es kein Gas.Wasser hatten wir in der Wohnung. Toilette im Flur, für zwei Mietparteien.Schule - meine Schwester ging anfangs in die Schule am Leegetor. Weil sie gute Leistungen zeigte, sollte sie eine eine höhere Schule, wie man so sagte,besuchen.
    Aber Mobbing gab es schon früher unter den Menschen, und so fühlte sie sehr bald, dass sie ausgegrenzt wurde von den .... gut situierten Mitschülerinnen.Es war ihr peinlich, wenn sie, wie die anderen minderbemittelten, ein Brötchen und Milch umsonst bekamen als Frühstück.Ihre Leistungen wurden so schlecht, ihr Widerstand so groß, dass die Eltern sie wieder abmeldeten.
    Besonders in den Notzeiten war dann der einzige Halt die Familie.Für die Mutter die Kirche Trost.
    1939 verbesserte sich die Situation, denn der Vater hatte regelmäßig Arbeit.
    Meine Großeltern und Tanten lebten in Dirschau.Wir fuhren oft hin. Mit dem Zug ging es dann hinein in die freie Natur.Weit reichte der Blick aus dem fahrenden Zug. Wiesen und Felder wechselten ab.Eine wunderbar ebene Landschaft.Mama achtete darauf, dass das Fenster geschlossen war, denn sie hatte Angst, dass uns der Kopf verloren ging.Anscheinend gab es solche Unfälle. Oder es war drastische Erziehung ihrerseits.
    Die Fenster des Zugabteils wurden mit einem Gurt hochgezogen, der dann an einem Eisenknopf befestigt wurde.War dann Dischau erreicht, ging es noch zu Fuß weiter bis nach Lunau, wo die Großeltern wohnten.Hier machte ich die Bekanntschaft mit einem Kuhfladen, in den ich voll reintrat.War wohl so eindrucksvoll, dass ich mir sogar noch den Weg vorstellen kann, der zum Haus über eine Wiese führte.
    Bei meinen Großeltern in Dirschau haben drei meiner Brüder auch zeitweise die Schule besucht.Vermutlich auch ein Weg,die Kinder irgendwelchen politischen Erziehungseinflüssen zu entziehen.
    Was die ärztliche Betreuung betrifft, da muss ich sagen, dass die Mutter viel selbst behandelte. Ichthyolsalbe, Essigsaure Tonerde,Kampferspiritus,Zinksalbe.... damit hat meine Mutter so ziemlich jede Beschwerde in den Griff gekriegt.Und natürlich Kernseife, die half sogar bei Verstopfung.War es kalt, kam ein warmer Ziegelstein ins Bett.Bei Fieber Wadenwickel um die Beinchen und ab unter die Bettdecke.
    Natürlich machten wir auch alle Kinderkrankheiten mit. Aber während die meisten Geschwister meines Vaters noch solchen Epedemien zum Opfer fielen,haben wir alle überlebt.Einige Narben erinnern mich, dass ich auch im Krankenhaus war.
    Als meine Schwester aus der Schule entlassen wurde, begann sie eine Lehre beim Landesforstamt in Oliva. Wenn sie mal nach 20 Uhr abends nach Hause kam, musste sie unterwegs an einem Polizeiamt vorbei.Dort stand immer ein Wachmann, und sie musste sich ausweisen, warum sie nach allein auf der Straße war.Kommt mir komisch vor, aber sie sagte,dass sie regelmäßig gefragt wurde und eine Bescheinigung vorlegen musste.
    Mehr fällt mir im Moment nicht ein.
    Schöne Grüße, Christa
    Auge um Auge- und die ganze Welt wird blind sein.
    (M. Gandhi)

  25. #75
    Forum-Teilnehmer Avatar von wenzkauer
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Danke Christa für diesen lehrreichen Beitrag.
    Sag mal, wie ging das auf dem Lande zu. Aus meiner Familie sind einige aus Wenzkau nach Danzig gezogen. Danzig hatte eine große Anziehungskraft und trotzdem war es wohl nicht so einfach zu überleben. Ich habe noch im Ohr, auf dem Lande war alles noch viel schlimmer und ich frage mich heute, wie ich das verstehen muß. Leider kann ich heute niemand mehr fragen. Nach 1945 waren etliche heilfroh in Wenzkau wieder unterzukrauchen.
    Viele Grüße Michael

  26. #76
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Christa

    Schön deine Geschichte hier zulesen,so bringst du mir die Heimat meines Vaters und seiner Familie wieder ein stückchen näher.Man kann es sich heute gar nicht mehr vorstellen,da für uns alles so selbstverständlich geworden ist.Freue mich auf weitere,du schreibst so schön!

    Liebe Grüße, Angelika

  27. #77
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Danke Christa fuer diesen Beitrag.Danzig wurde bevor 19/39 durch den Zoll ,die Luft abgedrickt Gruss Hansgeorg und Hannelore

  28. #78
    Forum-Teilnehmer Avatar von buddhaah
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Es würde mich interessierem, wie restriktiv (falls überhaupt) die Politik des polnischen Zolls gegenüber Danzig (zu Freistadtzeiten war).

    Gruss,

    Michael

  29. #79
    Forum-Teilnehmer Avatar von H.Kulling
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Hans Georg. Ich kenne Lauental nicht, aber meine Cousine Irene Kitek geb. Senger.
    Durch ihre Bekannte die in Danzig wohnt, wird sie veranlassen, herzliche Grüße an Lauental
    von Dir und Frau auszurichten.

    Da Du sehr mit Lauental verbunden bist, möchte ich Dir das Buch meiner Cousine
    empfehlen. Sie schreibt von ihrer Familie, von Lauental, Danzig und Umgebung.

    Titel:
    "Ruf des Herzens-Tränen der Sehnsucht
    Chronik der Familie Kulling und Kowalewski
    aus Danzig-Westpreußen"
    von Irene Kitek

    Bestellen kannst Du unter Weltbild.de, Amazon,de und allen anderen Anbietern im Internet.
    Auch mein Großvater Hermann Julius Kulling und Frau aus Danzig-Brösen / Kurhausbesitzer,
    in Danzig-Brösen sind in dem Buch aufgeführt. Ich bin überzeugt, dass Du und Deine Frau
    die Kullingstraße gekannt hattet. Wenn Du Lust hast, schau vorbei auf meine Homepage
    www.h-kulling repage 7

    Herzliche Grüße, auch von meiner Cousine
    H. Kulling
    Herzlichen Gruß
    Hermann Kulling

  30. #80
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Christa ,
    habe Deinen Beitrag mit großem Interesse gelesen . In unserer Familie sah es sehr ähnlich aus wie bei Euch . Meine Eltern heirateten 1925 . Vater entstammte einer Danziger Familie mit 8 Kindern und Mutter kam aus einer langeingesessenen Heubuder Familie mit 4 Kindern .
    Wir waren zu Hause 3 Kinder und wohnten in einem hölzernen Mehrfamilienhaus (insgesamt 5 Wohnparteien ) in der Dammstraße 28b . Es gab Außen-Klos für alle und eine Pumpe auf dem Grundstück zur Wasserversorgung . Mein Vater - Klempner von Beruf - war auch öfter arbeitslos und so mußte die Mutter oft die Familie ernähren , meist mit Waschen in Heubuder Hotels und Pensionen - natürlich wie damals normal - in Waschzubern von Hand und das in zugigen und naßkalten Waschküchen , was ihr später große gesundheitliche Probleme einbrachte . Ich erinnere mich , daß meine Eltern auch von zeitweiser Arbeitslosenunterstützung sprachen . Diese war zeitlich sehr begrenzt und in der Höhe sehr knapp . Sie wurde auch nur gezahlt , wenn der Empfänger bestimmte Arbeiten im allgemeinen Interesse durchführte . So mußte mein Vater z.B. im Sommer früh um 03.30 Uhr am Strand erscheinen , um mit anderen den Strand zu säubern . Wer nicht oder zu spät erschien , dem wurde die Unterstützung gestrichen . Auch war mein Vater in der Freistaatzeit einmal für einige Monate in Deutschland zur Arbeit , ich glaube es war beim Bau der Autobahn . 1938 oder 1939 bekam er eine Festanstellung als Hausmeister und damit besserte sich unsere Lage . Mir ist es bis heute ein Rätsel , wie meine Eltern das alles so fertig brachten , um unter diesen sehr schwierigen Verhältnissen uns Kinder immer ordentlich zu ernähren und zu kleiden und auch vernünftig zu erziehen .
    Natürlich mußten wir auch Pflichten übernehmen . Eine , an der ich besonders gern teilnahm . war im Herbst und Frühjahr nach Stürmen das Einsammeln von Steinkohle am Heubuder Strand , denn auch dies trug wesentlich zur Entlastung der Haushaltskasse bei . Diese Kohlen waren durch Wasser und Wellen völlig blank poliert . Wir zogen dann mit Handwagen und Säcken an den Strand und sammelten die angespülten Kohlen ein . Diese Kohlen stammten aus der damals noch nicht lange zurückliegenden Zeit , als die Schiffe mit Kohlefeuerung betrieben wurden . Bevor die Versorgung der Schiffe im Danziger Hafen wieder mit neuer Kohle erfolgte , hatte man die fast leeren Kohlebunker auf den Schiffen zumeist auf See - d.h. in der Danziger Bucht - von den Restbeständen befreit , diese wurden einfach über Bord entsorgt .
    In der Schule wurde ich nicht gemobbt , obwohl ich gute schulische Leistungen erzielte . Das lag vermutlich daran , daß die Wohn- und Lebensverhältnisse bei meinen Schulkameraden gleich oder ähnlich waren und so kaum Veranlassung zum Mobbing bestand .
    Auf jeden Fall war das Leben in "der guten alten Zeit" nicht immer gut und schon garnicht einfach , sondern für viele der damaligen Generationen von schwerer und harter Arbeit geprägt .
    Alle einen freundlichen Gruß vom Heubuder Rudi

  31. #81
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Rudi, unsere Lebensgeschichten werden wohl selten in schlauen Büchern stehen, die sind einfach zu normal. Und trotzdem, wer sich für das Leben in Danzig interessiert, der muss dies auch erfahren, nicht nur die hohe Politik.
    Michael,wie genau die Repressalien sich bemerkbar machten, weiß ich nicht, darüber gibt es sicher einige, die Auskunft geben könnten.Zumindest, wie Hansgeorg es ausdrückte,es war wie eine Klammer um Danzig.Ende der Dreißiger war es, dass mein Vater an der Zollstation Renneberg Dienst tat. Hier kamen dann die katholischen Polen,Bauern auf ihren Pferdewagen, die in die Kirche in Oliva wollten, und mein Vater drückte ein Auge zu. Als Dank gab es dann ein Stück Butter oder Eier.War so die Einstellung meines Vaters, Beten muss erlaubt sein.Geholfen hat es außerdem.
    Beim Simmelieren kommt noch so manches Erlebnis wieder an die Oberfläche. So die Tauben meines Bruders. Überhaupt müssen wohl alle Danziger Lorbasse Tauben gehabt haben. Die wurden auf dem Dachboden gehalten.Ab und an kroch ich auch mal in die Dachkammer.Ein Geflatter, Staub und Dreck!Kann ja auch sein, dass es nur eine besondere Auszeichnung war, wenn ich das durfte.Zumindest bekam ich dann mit, was die Bengels für Kunststückchen vollbrachten. Der Boden hatte zwei nebeneinander stehende Fenster zum Hof hin.Nun kletterte der eine Bruder aus dem einen Fenster raus und in das andere Fenster wieder rein.Das war so schaurig schön anzusehen.Mir wurde eingebläut, ja nichts der Mama zu erzählen.Tat ich auch nicht. Irgendwann musste mein Bruder mit den Defferts umziehen, weil der Hausbesitzer sich über den Dreck beschwerte. Danach hielt er die Tauben am Renneberg bei den Freunden meiner Eltern.Hier war dann "seine "Welt, mit Tauben und Karnickel.-

    Noch eine Erinnerung an Danzig: Ich gehe in einen Laden in dem Ort, in den wir eingewiesen waren nach unserer Ausweisung.Alles fremd, alles ungewohnt.Am Fenster hängt eine Gardine, ich gucke und staune und rufe laut: "So ein Kleid hatte meine Schwester zu Hause."
    Ja, ich sehe es noch vor mir, blaue Blümchen auf weißem Stoff.
    Zu Hause.... Es war so weit weg.Und am Fenster hängt die Erinnerung.
    _____
    Schöne Grüße, Christa
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    (M. Gandhi)

  32. #82
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Michael (Wenzkauer) und an alle, die es interessiert.

    Du fragst, wie es auf dem Land zuging. Dazu kann ich folgendes sagen, obwohl ich ja ein "Echter - Recht - Städter" bin.

    Im Herbst 1943 hiess es plötzlich Koffer packen, wir werden evakuiert. Es würde in der Stadt zu gefährlich werden. Wir hatten ja den Krieg-Zustand. Der Vater war 1941 von unserem "Neuen Führer" an seine Pflichten erinnert. Man versuchte aus ihm einen deutschen Soldaten und Heimat-Verteidiger zu machen.
    Das gelang mehr schlecht als recht. Denn er war schon im 41.ten Lebensjahr. Es langte nur zum Wach-Soldaten.

    Für meine Mutter bedeutete das jedenfalls, alles selbst zu regeln und zu organisieren. Irgendwie gelangten wir jedenfalls per Bahn, nach NEUTEICH. Mutter mit 4 Söhnen.

    Am Bahnhof wurden wir von Bruno Bergmann, einem Groß-Bauern aus Neuteich - Abbau fast wortlos in Empfang genommen.
    Unser Gepäck wurde, genau wie wir auf einem Pferdewagen verfrachtet und ab ging die Post, aufs Land.
    Für uns Jungen aus der Stadt natürlich ein tolles Erlebnis. Das erste mal, schwitzende Pferde zu riechen. Sie hatten es auch nicht leicht, denn, nach dem wir aus der Stadt waren, gab es nur noch einen nassen Feldweg mit schwerem Boden.
    Rechts und links von alten Weiden-Bäumen gesäumt. Über diese Bäume werde ich noch etwas zu sagen haben.

    Ich schätze, es waren etwas mehr als 2 Km. Dann gelangten wir zum Bauernhof. Ich muss sagen, es hatte schon besser gerochen, als dort.
    Wir Jungen inspizierten als Erstes natürlich das Gehöft, mit all seinen Einrichtungen.
    Da gab es z.B. eine Schmiede. Da wurden die ca. 50 Arbeits-Pferde beschlagen und auch das Gerät repariert.
    Dann sahen wir die Hof-Eigene Stellmacherei. Die Sattlerei mit all den interessanten Geschirren und Werkzeugen. Man kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

    Uns fiel auf, dass all das, was mit Pferden zu tun hatte, von englischen Kriegsgefangenen erledigt wurde. Ebenso die Schmiede. Der Sattler war ein deutscher.
    Für die Rindviecher und die Schweine waren es die polnischen und russischen Gefangenen.
    Um die Sicherheit der Hofbesitzer zu gewährleisten, befand sich ein deutscher, bewaffneter Soldat auf dem Hof. Der hatte sein Zimmer auf der gleichen Etage, wir das Bauern-Ehepaar.
    Na und dann kam der erste Schultag.
    Wir Prenter mussten jeden Morgen nach Neuteich. Aber per Pedes. Bis wir in der Stadt waren, hatten wir nasse-kalte Füsse in den aufgeweichten Schuhen.
    Und dann waren da noch diese oben erwähnten Bäume, vor denen man im Morgen-Nebel natürlich grossen Respekt, um nicht zu sagen Angst hatte. Für die Angst haben die grösseren Brüder gesorgt.
    Man sagte nämlich, da könnten Geister hinter stehen. Wie viele Tode ich anfänglich gestorben bin, weiss ich nicht mehr. Ich war damals, Erst-Klässler, wie man heute sagt.

    In der Schule war alles ok. am Anfang jedenfalls. Nachdem man ausgefragt war, ging das Mobbing los.
    Neuteich war eine Stadt und ich kam jetzt vom Bauernhof. Schlimm kann ich euch sagen, was man da so mitmacht.

    Dann kam der beschwerliche Heimweg. Wieder durch die alte Matsche.
    Nach dem Mittag Schularbeiten erledigen, und ruck-zuck war es dunkel. TV oder Radio wie heute, Fehlanzeige. Es wurden Lieder mit der Mutter und den Brüdern gesungen, oder Karten gespielt. Leider war es Spätherbst und dem entsprechend früh dunkel.
    Zu zweit in einem Bett. Anders ging das nicht. Erstens war nicht mehr Platz und zweitens wärmte man sich gegenseitig.
    So vergingen die Monate. Im Frühjahr wurde dann in der INST-KATE eine Wohnung frei. Schon wieder mal ein Umzug. Zwar nur ca. 200 Meter weit, aber wieder etwas Anderes.
    Nun hatten wir die Kleinbahn in der Nähe des Hauses. Diese hatte die Aufgabe, in der Erntezeit den Ertrag zum Bahnhof- Neuteich zu transportieren. Gäbe es die nur morgens !!!

    Bis dahin hatten wir noch nie einen, oder mehrere Waggons voller Mohrrüben oder Kartoffeln gesehen. Nun lagen wir darauf und fuhren unbemerkt vom Lok-Führer ein Stück mit. Ebenso Raps. Waggonweise? unvorstellbar. Oder auch Schlachtvieh. Was das alles zu Sehen gab, auf dem Land.
    Vielleicht wollte er uns auch nicht gesehen haben. Gott hab ihn selig.

    Wer nun glaubt es ging uns auf dem Land gut, den muss ich enttäuschen. Wenn wir als Bengels nicht ein paar mal geruschelt hätten, müssten wir nur von den zugeteilten Rationen leben. Die Mutter musste bis zur Stadt. Ebenfalls zu fuss. Petroleum nicht vergessen...

    Anstatt am Schalter knipsen, wie heute, wurde erst einmal der Zylinder der Petroleumlampe geputzt. Wehe der geht kaputt, dann.... usw.
    Danach wurde das stinkende Ding von Lampe befüllt und so roch es herrlich nach Petroleum, was denn sonst. Da kam der Duft der Bratkartoffeln nicht gegen an.

    Es gibt sicher nicht mehr viele von euch, die Bratkartoffeln anstatt mit Fett, mit schwarzem Kaffee gebraten haben. Heute lässt man den Italiener kommen, oder so.
    Vor allem schimpfen, wie schlecht es sich in Deutschland leben lässt. Ihr Ahnungslosen, möchte man da sagen. Ich tu es aber nicht. Soll jeder seine eigenen Erfahrungen machen.

    Irgend wann hiess es dann, Klamotten packen, wir müssen zurück nach Danzig. Auf dem Lande ist es zu gefährlich. Die Russen rücken näher.

    Dort haben wir dann einige Wochen nur noch im Bunker verbracht. Dort wo heute das Hevelius steht, war einmal die Baumgartsche Gasse - Ecke Pfefferstadt.
    Da befand sich unser Bunker. 2 Etagen unter der Erde sassen wir auf Hockern oder auf der Erde. Bis uns dann die eingepumpten Rauchschwaden zwangen, den Bunker über Sprossen in der Wand eines Not-Schachtes zu verlassen. Die Bunker-Treppe gibt es übrigens heute noch.
    Ich hoffe, es war für viele etwas dabei.
    Es grüßt herzlich, Erhart vom Schüsseldamm.
    "Nec Temere - Nec Timide"
    Eine Freundschaft ist das, was man aus ihr macht. EKJ

  33. #83
    Forum-Teilnehmer Avatar von Rahmenbauer14, + 1.11.2021
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Vielen, vielen Dank Christa und Erhart für eure Erlebnisse.
    Ich, mit meinen max. 5 Jahren, kann mich fast an nichts erinnern.
    Nur der Geruch von verbrannten Häusern kommt mir manchmal
    in die Nase.

    Herzliche Grüße
    Rainer

  34. #84
    Forum-Teilnehmer Avatar von buddhaah
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Erhart: wow. Da bin ich nun wohl etwas baff...

    Gruss,

    Michael

  35. #85
    Forum-Teilnehmer Avatar von jonny810
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Michael, was macht dich baff?

    Machst mich neugierig.
    Es grüßt herzlich, Erhart vom Schüsseldamm.
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  36. #86
    Forum-Teilnehmer Avatar von wenzkauer
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Danke Christa, Erhart und Rudi !
    Wenn doch meine Eltern und Großeltern so erzählt hätten, müßten wir "Nachgeborenen" euch nicht fragen.
    Bitte schreibt mehr aus dem ganz normalen Leben dieser Zeit. Wenn es auch schwer fällt, wir sind nun mal die einzigen, die es weitertragen können.
    Meine Kinder fragen schon, Papa wo kommt dein Name her. Ich brauche auch darauf antworten und kann auf eure Erzählungen zurückgreifen.
    Viele Grüße Michael Wenzkauer

  37. #87
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Ist doch schön, wenn deine Kinder fragen, Michael.
    Als ich diese Woche mit meinem Mann beim Arzt war, fiel ihm der Name der Assistentin ins Auge. - ski. Wo kommen Sie denn her? - Irgendwo aus Polen sind meine Großeltern gekommen.ABER! Es waren Deutsche! Soso, aus Polen. Mein Mann sagte darauf: Ich bin aus Schlesien.Ach, ja, jetzt fällt mir der Name wieder ein,die waren auch aus Schlesien.-
    Wenn nicht gefragt wird,ist auch selten Bereitschaft da, sich die Zeit zu nehmen, um Erinnerungen aufzuschreiben.
    Gestern blieben meine Gedanken am Fensterkreuz im Taubenschlag und an der Gardinenstange hängen.
    Erhart brachte mich wieder in eine andere Richtung.
    Erhart, du schriebst von eurer zeitweisen Evakuierung aus dem unsicheren Danzig.
    Ich habe eine Ansichtskarte, die meine Schwester von Danzig an meinen Onkel nach Duisburg schickte.Die Tante und Kusine waren bei uns zu Besuch. Vorn der Giebel der Trinitatiskirche. Meine Schwester schrieb:
    Danzig, d. 7.7. 43
    Lieber Onkel Johann!
    Muß Dir doch auch ein paar Zeilen schreiben.Wir haben hier wunderbares Wetter. Jeden Tag sind wir wo anders.Na ja, die 14 Tage sind bald um.Wie geht es Dir.Natürlich prima.Also es grüßt Dich Deine Nichte Eva.
    Meine Mutter fügte hinzu:
    Lieber Bruder!
    Wie fühlst Du Dich nun als Strohwitwer? Hoffentlich wirst Du gut fertig, denn wir wollen Franziska das halbe Jahr behalten, damit sie sich gut erholt. Hat der Tommy Euch jetzt in Ruhe gelassen? Es ist ja furchtbar, was Ihr dort habt, sag mal,willst Du auch nicht lieber nach hier her kommen? Wir würden uns sehr freuen.
    Es grüßt Dich, lieber Bruder,Deine Schwester Lene,Erich und Kinder.
    _____
    Ja, das war also im Jahr 1943.Da fühlten sich wohl die Danziger noch sicherer als im übrigen Deutschland.
    Schöne Grüße von Christa
    Auge um Auge- und die ganze Welt wird blind sein.
    (M. Gandhi)

  38. #88
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hier noch eine kleine Ergänzung von mir aus meinen Aufzeichnungen über meine in Danzig erlebte Jugendzeit . Dies deshalb , weil sich am heutigen 1. April vor 66 Jahren für mich das Ende dieses verbrecherischen Krieges ergab .
    " Am späten Nachmittag des 31. März erschienen in unserem Keller ( im Haus Dampfbootstraße 3 in Heubude ) einige Soldaten der Waffen-SS und forderten die Zivilisten auf , den Keller zu verlassen , weil das Haus wegen seiner Lage als Stützpunkt dienen sollte . Alle Zivilisten protestierten und die Soldaten zogen ab , stellten aber in der über dem Keller liegenden Wohnung der Fam. Bieschke ein Maschinengewehr auf , welches ab und zu feuerte .
    Am Ostersonntag , dem 1. April , hörte man schon in den frühen Morgenstunden , daß in unmittelbarer Nähe des Hauses gekämpft wurde . Aus der über dem Keller liegenden Wohnung , die am Vortag als MG-Stützpunkt eingerichtet wurde , war jetzt ein ununterbrochenes Schießen aus dem Maschinengewehr zu hören . Mein Vater meinte , daß die Russen das Haus bestimmt unter Artilleriebeschuß nehmen werden . Hierzu kam es jedoch nicht , denn am frühen Vormittag hörte man laute deutsche Rufe und plötzlich verstummte das MG .
    Nach wenigen Minuten kam dann vom Hintereingang des Hauses ein lautes "Doitsche rraus" . Mit bangen Gesichtern traten wir den Gang nach draußen an , zuerst mein Vater mit zwei Koffern in den Händen . Oben angekommen , hielt ihm ein junger Sowjetsoldat eine Maschinenpistole mit Trommelmagazin vor die Brust und sagte mit grinsendem Gesicht "Kamerad , wie spät ?" . Mein Vater hatte sofort die beiden Koffer fallengelassen und die Hände erhoben . Er wollte die Zeit seiner Armbanduhr sagen , doch blitzschnell war sie schon "Beutegut" . Danach wurde er abgetastet und ein verdächtiger Gegenstand aus seiner Manteltasche geholt , es war ein kleiner viereckiger Reisewecker . Dieser verschwand schnell im Rucksack des Russen und zwar mit einem gekonnten Wurf nach hinten . Diese Rucksäcke waren sehr merkwürdig geformt und sie bekamen später von uns den Spitznamen "Dawai-Beutel" , weil die Russen immer , wenn sie den Deutschen etwas abnahmen , zuvor "dawai" ( bedeutet "los" , aber auch "her damit" ) sagten . Auf der Rückseite des Hauses Dampfbootstraße 3 stand in geringem Abstand zum Haus ein langgezogener gemauerter Schuppen . Entlang dieses Schuppens standen mehrere sowjetische Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett , die uns Zivilisten fast belustigt beobachteten und ich glaube , daß alle wegen unserer ängstlichen Gesichter ein Grinsen oder Lächeln im Gesicht hatten . Mir fiel dabei auf , daß an ihren Mützen nicht rote Sterne befestigt waren - wie man es von den Propagandaplakaten kannte - sondern einfache Sterne aus Weißblech und zudem waren ihre Stiefel nicht aus Leder , sondern aus geteertem Segeltuch , was ich als Junge trotz der Situation als militärisch sehr unpassend fand .
    Nach der ersten Abnahme von Schmuck und Wertsachen wurde uns bedeutet , daß wir in Richtung Danzig zu gehen haben . Wir gingen in Richtung Dammstraße , wo wir zunächst einmal halten mußten . Der Grund war eine große Gruppe von Sowjetsoldaten , die , bewaffnet mit Maschinenpistolen und aufgepflanztem Bajonett , zu beiden Seiten der Dammstraße vorsichtig , aber in zügigem Tempo , in Richtung des in östlicher Richtung weitergezogenen Kampfgebietes ging . Als wir dort standen , hörten wir auf deutsch nach einem Sanitäter rufen . Es kam von einem offenbar schwer verwundeten deutschen Soldaten , der neben dem Haus der Familie von Aschenraden ( Dammstraße 24 ) lag . Natürlich traute sich niemand von uns zu ihm hin , denn wir wurden aufmerksam von einigen Sowjetsoldaten beobachtet . Nach diesem Halt ging es weiter in Richtung Danzig-Troyl . Unterwegs mußten wir mehrmals halten und in Deckung gehen , sowohl weil deutsche Artillerie jetzt in Richtung Danzig schoß und die Granaten links und rechts des Weges meist in den Gärten einschlugen , aber auch , weil sowjetische Panzer und Artillerie in Richtung der nahen Frontlinie fuhren .
    Vereinzelt sah man tote deutsche Soldaten auf der Straße und in den Gärten liegen . von toten sowjetischen Soldaten war jedoch nichts zu sehen . Jahre später erfuhr ich , daß in der Sowjetarmee unweit des Kampfgebietes eigene tote Soldaten sofort zu Sammelpunkten geschafft wurden ..... Auf der anderen Seite der Breitenbachbrücke - dem einzigen Übergang über die Weichsel - war gegenüber der Schule Althof die erste große Kontrollstelle . Alle ankommenden Deutschen wurden hier getrennt , Frauen und Kinder nach links , Männer nach rechts . Frauen und Kinder wurden hier eigentlich nur nach Schmuck und Wertgegnständen durchsucht . Männliche Personen etwa zwischen 14/15 und 60 Jahren wurden ohne Ausnahme festgehalten . Man hatte keine Möglichkeit mehr , sich zu verabschieden oder auch nur noch etwas auszutauschen. Meine Mutter und ich blieben einen Moment stehen und wollten meinem Vater zuwinken , aber er hatte keine Möglichkeit mehr , sich noch einmal umzudrehen . Wir konnten nur noch sehen , wie meinem Vater die beiden Koffer abgenommen wurden und von den Russen auf einen schon stark beladenen LKW gepackt wurden .
    Es sollte mehr als 3 Jahre dauern , bis mein Vater wieder bei uns war ."
    Auch dies gehört zu meiner Kindheit , wie für viele andere der noch lebenden "Erlebnisgeneration" .
    Ich wünsche allen ein schönes Wochenende - Rudi

  39. #89
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Michael

    Dem kann ich nur zustimmen!

    Viele Grüße Angelika

  40. #90
    Forum-Teilnehmer Avatar von jonny810
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Drachen steigen lassen.

    Vater baute mit uns einen Drachen. Das war nicht so unkompliziert wie heute. Meistens gehen die Jungen heute ins Geschäft, um so ein Gerät zu kaufen, oder es wird einer mit- bestellt, wenn etwas per Internet gekauft wird.

    Vater Otto ging mit seinen Söhnen, auf die er ganz schön stolz war, ein paar Leisten kaufen. Haben wir nicht- kam die lakonische aber gewohnte Antwort des Verkäufers.
    Das war dann schon eine grössere Aktion, bis das bisschen Holz, und die Rolle Bott, zur Verfügung stand. Pergament-Papier gab es nicht, also wurde Zeitung-Papier genommen.
    Mit einem heissen Nagel aus der Glut im Ofen, wurden die nötigen Löcher in das Holz gebrannt. Bohrer hatte Vater nicht. Nicht mit Kleber aus der Tube, sondern mit Kleber aus Mehl (Kartoffelmehl)? wurde das Kunstwerk verleimt.
    Wir Jungen schnitten schon einmal die Streifen Papier, die zur Fertigung des Schwanzes benötigt wurden.
    Ein stolzer Blick in die Runde, das Werk war vollbracht.
    Dann gab es Mittag. Wir hatten plötzlich gar nicht so viel Hunger. Es hatte nämlich geheissen, nach dem Mittag gehen wir zum Hagelsberg.
    Der Hagelsberg war übrigens im Winter auch unsere Rodelbahn.

    Dann ging die Post ab. Jeder der Jungen wollte natürlich das tolle Stück tragen. Das war doch etwas, um anzugeben. Man gehörte dazu.

    Vom Schüsseldamm Richtung Schichau-Werft. Vorbei am Hansa-Platz. Dann über die Zug-Brücke. So erreichten wir den Hagelsberg. (Richtung-Langfuhr)
    Um etwas Wind zu erhaschen, mussten wir natürlich ein Stück bergan marschieren.
    Dann kam der spannende Moment.
    Auch Otto war gespannt, ob das Flug,- oder das Absturzgerät funktioniert. Das Fluggerät funktionierte.
    Hans-Joachim, der älteste Bruder nahm den Drachen und ging damit ein Stück bergab.
    Auf Vaters Kommando liess er los, und der Drachen stieg empor.
    Nachdem die Startphase erfolgreich war, wollten natürlich alle Anderen auch einmal das Vergnügen geniessen, und die Schnur, an der eine Leiste befestigt war, halten.
    Das war ein Sonntags-Vergnügen der besonderen Art.
    So verging ein in Erinnerung gebliebener Herbst-Sonntag. Das ist nun bald siebzig Jahre her.

    Der stolze Vater mit dreien seine vier glücklichen Söhnen im Schlepptau zog wieder nach Hause.
    Muttchen hatte in der Zwischenzeit die Gelegenheit genutzt, sich etwas auf dem Chaissolongue auszuruhen. So, oder ähnlich nannte man ein Sofa damals.


    Resümee: Ich glaube mit Sicherheit, dass diese Art von Umgang, Eltern-Kinder, in vielen Menschen der damaligen Zeit, ein Familien-Bewusstsein erzeugt hat, welches es
    kaum noch gibt.
    Es grüßt herzlich, Erhart vom Schüsseldamm.
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  41. #91
    Forum-Teilnehmer Avatar von wenzkauer
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Erhart,
    schöne Geschichte und mir fallen ein paar Gedanken zu deinem Resümee ein. Je höher die Armut, desto mehr Familien-Bewusstsein und Zusammenhalt gab es in den Familien. Ähnlich verhält es sich mit der Kameradschaft bzw. Freundschaft auf der Arbeit. Uns fehlt die Wertschätzung für die kleinen Dinge im Leben. Klar hält meine Familie heute zusammen, aber ich merke das leider nur in bestimmten Notlagen. Krankheit, Trauer, kein Geld durch Überschuldung usw., eigentlich wie bei euch früher, wenn es schlecht lief. Damals waren diese Notlagen fast Alltag und ihr mußtet zusammenhalten um zu überleben. In unserem heutigen Leben ist das selten geworden. Jedoch stimmt es mich zuversichtlich, wenn es mal um die Wurst geht sind sie (fast) alle da. Plötzlich geht man sogar wieder in die Kirche, das habe ich auch schon erlebt , um zu beten. Die Kirchen im heutigen Polen waren auch schon mal voller, warum wohl ?
    Mir gefallen deine Berichte...
    Liebe Grüße Michael

  42. #92
    Forum-Teilnehmer Avatar von jonny810
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Danke Michael,

    ergänzend möchte ich sagen, dass es, wie jeder weiss, weder TV, noch Play-Station, oder andere Unterhaltungs-Geräte gab.
    Wir besassen nicht einmal ein Radio, aber ein altes Grammophon.
    Dafür machte Brett,- oder Kartenspiele.

    Unsere Mutter spielte Guitarre und Vater begleitete sie mit dem Mund-Stimmchen, wie man bei uns zur Mundharmonika sagte.
    Wir Kinder haben dabei gesungen. Sogar mehrstimmig. Selbst Lieder, welche meine Eltern aus der Heils-Armee kannten, wo sie sich auch kennengelernt hatten.
    Diese Texte kann ich heute noch zum Gross-Teil. Sind gar nicht so schlecht, um zu deinem Gedanken von Kirchgängen zu kommen.

    Dann kamen auch noch Nachbarn zu uns und sagten, bei euch ist es immer so schön gemütlich. Auch sie sangen mit. Kann man sich so etwas heute noch vorstellen?
    Die klopfen höchstens mit dem Besen an die Decke, weil sie sich beim Fernsehen gestört fühlen, wenn es mal etwas lauter als gewöhnlich ist.
    Das ist eben die Entwicklung der Zeit, an der man nichts ändern kann.
    Ist wohl auch gut so, wenn jede Generation ihre eigenen Erfahrungen, oder wie man das sonst nennen will, machen muss.
    Wenn man lange genug lebt, lernt man 3-4 Generationen kennen und jede davon hat ihre speziellen Reize, glaube ich.

    Bis zum nächsten mal, Erhart
    Es grüßt herzlich, Erhart vom Schüsseldamm.
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  43. #93
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Schönen guten Abend,
    hallo Michael,

    Du schreibst "Je höher die Armut, desto mehr Familien-Bewusstsein und Zusammenhalt gab es in den Familien". War das wirklich so?

    Vielleicht war auch da wieder meine eigene Familie nicht unbedingt repräsentativ. Als ein Urgroßvater (väterlicherseits) starb -es war eine sehr, sehr arme Familie- musste sein jüngstes Kind, mein Opa, für sämtliche Kosten aufkommen. Mein Urgroßvater hatte insgesamt 11 Kinder, aber der Familiensinn, die Solidarität hörte da auf, wo es um's Geld ging. Das sprengte die Familie. Mein Großvater mütterlicherseits heiratete nicht "standesgemäß", nämlich in eine noch ärmere Familie. Da wurden dann ebenfalls sämtliche Kontakte zur Familie des eigenen Sohnes unterbunden.

    Gab es wirklich einen genereilen Zusammenhalt bei Notlagen? Oder ist das nur eine Mär? War damals wirklich alles anders als heute? Oder ist das nur so überliefert? Ich bringe jedenfalls größten Respekt all jenen gegenüber auf, die damals unter schwierigsten Umständen ihr Leben "meisterten".

    Viele Grüße aus Danzig
    Wolfgang
    -----
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  44. #94
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Wolfgang, hat Michael es vielleicht auch gar nicht so sehr auf matarielle Werte bezogen, wenn er von Zusammenhalt in der Familie schrieb?
    Hat er es vielleicht so gemeint, dass die Eltern trotz ihrer geringen finanziellen Möglichkeiten mit ihren Kindern gemeinsam die Zeit verbrachten,bei Betätigungen, die kein Geld kosteten?Ja, sei es nun bei Spaziergängen,beim Drachenbau, beim Herstellen von Spielzeug.Da denke ich besonders gern an die Arbeiten meines Vaters, der meinem Bruder einen Pferdestall baute, den es besser sicher nicht zu kaufen gab.Zwei Boxen für die Pferde, mit Futterkrippe, alles schön angemalt im Ziegelsteinmuster,und mein Bruder war glücklich über sein Pferdegespann.Da hörten wir ja die Originale oft genug durch die Fleischergasse poltern, wenn der Bierkutscher kam und die Fässer in Reimanns Bierkeller hineinkullerten.
    Oder meine Puppenstube, selbst hergestellt, mit Möbeln und Gardinchen.
    Alles aus Holz, sogar mein Puppenwagen. Obwohl- da war ich dann schon bisschen wählerisch. Ich wollte so gerne einen mit Klappverdeck,aber meine kleine Kinderkarre war nur mit feststehendem Rückenteil für mein Puppenkind.Und Puppen! Ja, da war die Auswahl nicht so groß. Von wegen Schildkrötpuppen, die ja auch schon damals bewundert wurden... Die waren auch unerschwinglich, bis ich mir eine zu meinem 50. Geburtstag schenken ließ.Träume soll man sich erfüllen.(Deswegen habe ich wohl auch so viele lebendige Puppen um mich).
    Es gab keine staatliche Unterstützung für Freizeit und Vergnügen. Urlaub gab es nicht.Und deshalb waren auch die Verwandten immer ein willkommenes Besuchsziel.
    Meine Verwandten von Vaters Seite lebten in Stangenwalde. Mein großer Bruder weiß noch von seinen Besuchen auf dem Bauernhof. Der Onkel kam mit seinem Pferdewagen auch öfter nach Danzig auf den Markt, wahrscheinlich mit Naturalien.
    Dieser Zusammenhalt in der Familie ist sicher keine Mär.
    Und was gab mein Vater noch an seine Jungs weiter? Die Lust zum Angeln.Vater angelte uns das Mittagessen frisch aus dem Wasser. Das war ja fast vor der Haustür.Und bis jetzt lieben meine Brüder die Angelei. Na ja- einer nicht so.Der hat auch nie Fisch gegessen, seit er als Kind an einer Gräte fast erstickt wäre.-
    Nicht standesgemäß zu heiraten,das war natürlich mehr als heute schwierig.Der Dünkel ging dann aber mehr von den Besitzenden aus.
    Da habe ich keine Beispiele,außer dass die reichen Bauern geizig waren und uns wie Bettler behandelten.
    ______
    Schöne Grüße, Christa
    Auge um Auge- und die ganze Welt wird blind sein.
    (M. Gandhi)

  45. #95
    Forum-Teilnehmer Avatar von wenzkauer
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Hallo Wolfgang,
    können wir das wirklich bewerten ? Ein Beispiel aus meiner Familie in Wenzkau. Der Bauer, die Bäuerin verstarb, der naheliegende ledige Bruder /Schwester wurde schnellstmöglich zur Heirat herangezogen. Der Hof wurde somit gerettet und kleinere Existensen rundherum ebenso. Das war übliche Praxis und wie nennen wir das nun, Familien-Bewusstsein, Notlage oder Zweckgemeinschaft. Ich nenne das mal mit augenzwinkern "Familiensinn".
    Heute steht die Selbstverwirklichung, alles muß Spaß machen und eben das eigene Ego im Vordergrund.
    Vielleicht waren die Menschen damals trotzdem glücklicher, ich kann es nicht sagen.
    Viele Grüße über die Ostsee Michael

  46. #96
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Wie war es ?
    Mein Großvater Hermann Wilhelm geboren 1875 Wohnhaft in Neue Welt/Pasewark,von Beruf Zimermann, nach der Lehre ging es nicht auf die Wanderschaft (WALZ) ,sondern er muste sofort Geldverdienen,und somit zum Unterhalt für die Familie beitragen,nach dem die meiste Arbeit erledigt war wie zum Beispiel der Bau von Schulen, Scheunen, Ställen,auch Kakhäuschen Wohnhäuser usw.,wurde es mit der Arbeit sehr eng.mittlerweile war er Verheiratet und es stellten sich nach und nach Kinderchen ein, da hat er lange Zeit in Danzig als Zimmermann gearbeitet,die Arbeitswoche war lang, von Montag bis Sonnabend Mittag,währen der Woche Nächtigte er so wie seine Kollegen in Baubuden, am Sonnabendnachmittag trat er mit seinen Kollegen dan den langen Fußmarsch nach Hause zu seiner Frau und seinen Kindern an, das war in Neue Welt/Pasewark die Entfernung von Danzig bis zum Wohnort waren ca 30 Kilometer,die Ankunft zu Hause war gegen 17 Uhr,jetzt hatte er Feierabend,bis auf die Arbeiten die am Haus oder auf dem Feld erledigt werden musten Jahreszeit bedingt. Die Menschen dort hatten alle ein Stück "Ackerland" was für die Bauern total Wertlos war, das waren Felder mit fast hellem Seesand hier gedeihte alles nur ganz spärlich,die meiste Menschen hatten zwei Ziegen auch eins bis zwei Schweinchen im Jahr, daneben hatten Sie etas Getreide, da von wurde Brot gebacken und in der Bratpfanne etwas Getreide gebrandt somit war der Bedarf an Kaffee gesichert.Jeden Sonntag bei jedem Wetter traten meine Großeltern mit Ihren Kinderchen den Weg nach Stegen zum Gottesdienst an, bis zur Kirche betrug die Wegstrecke in eine Richtung ca 9 Kilometer, die sind dan immer sehr früh losgegangen erstens wollten Sie nicht zu spät ankommen, und zweitens erhofften Sie sich immer einen Sitzplatz in der Kirche, damit sich die Kinderchen während der Andacht vom Fußmarsch auch etwas ausruhen konnten,der größte Teil der Bänke waren an Reiche Bauern vermietet damit diese auch bequem sitzten konnten so wie auch gesehen werden,nur ganz wenige Bänke am hinteren Ende wurden dann den Schäfchen zuteil Ja die Gottes Dinner waren schon immer sehr gerecht, aber wohl nur zu den Geld Säcken.Nach der Heimkehr wurde zu Mittag gegessen,und nach einer kurzen Ruhe Pause, fing die Oma mit der Einteilung der Wochen Essens Ration für den Opa an, alles einzuteilen von Montag bis Sonnabend für jeden Tag die gleiche Menge anschließend wurde es dan in einem Rucksack verstaudt für den Opa zum mitnehmen. meine Mutti erzählte mir oft aus Ihrer Erinnerung, mit Trännen in den Augen mit wie wenig Essen der Opa pro Tag auskommen muste ,sonst hätte es für die Familie nicht gereicht,Nach einigen Jahren der Schwerstbelastung wurde mein Opa Magenkrank nun konnte er seinen Beruf nicht mehr ausüben,Die Großeltern wohnten ja an der Ostsee bis zum Strand waren es 15 gehminuten Als Zimmerman baute er sich einen Fischerkahn und fing mit seinen zwei Ältesten Söhnen an zu Fischen doch leider das bischen was da gefangen wurde auf Grund magelnder Menge an Fischer Netze
    brachte keine spürbare wirtschaftilche Wende , nun war es wichtig den Fisch über Land zuverkaufen aber im Umland war die Arbeitslosigkeit sehr hoch, da pasierte es oft das die Fische nicht verkauft wurden die Menschen hatten zwar Hunger konnten sich kaum etwas zum Essen kaufen und Fische dan schon gar nicht.es war innerhalb der Familie ein starkes miteinander, aber die Menschen unter sich waren durch die ungünstige Lenbensituatio zum großen Teil gegen einander, da muste sich jeder auf seine art behaupten.. Besonders schlimm war es in den Zwanziger Jahren, für die Strandfischer Pasewark und Stegen war es in stürmischen Jahreszeiten besonders schwer,da standen diese Menschen am Strand und guckten auf meter hohe Wellen, in der Hoffnung etwas Bernstein zufinden aber per Gesetz waren Sie Verpflichtet den Bernstein dem Staat abzuliefern Sie erhielten hier für ein ganz geringen Finderlohn, den die Halunken da oben zahlten nur Pfennige.einige Kilometer weiter Richtung Weichsel war Nickelswalde und Schiewenhorst das waren größere Fischer Dörfer trotz harter Arbeit ging es den Berufsfischer gut , die Strand Fischer von Pasewark und Stegen wurden jedes Jahr bei den Fischervorständen vorstellig mit der bitte es Ihnen wenigstens zur Herbst Zeit zu Erlauben auch in der Weichsel fischen zu dürfen, diesem Wunsch wurde jedes Jahr Herzlos mit einem nein Beschieden, wie Sie sehen hier hatte die Armut nichts zusammen gebracht, im Gegenteil alle waren gegen einander. nach dem ich das so von meinem Eltern gehört habe, kam mir oft der Gedanke wäre hier mal ein bemühen von Seitens der Gottesdiener hilfreich
    Gewesen? aber die waren nicht zusehen vermutlich haben die es als zu Geringfügig gesehen. es handelte sich ja nur um Arme Menschen die in Not waren
    Freundliche Grüße v.Heinz Mandey

  47. #97
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Danke Heinz,
    da kann man mal sehen wie unterschiedlich solche Erzählungen ausfallen können. Demnach war es kein miteinander sonder eher ein hauen und stechen gegeneinander.
    Neben der guten alten Zeit in Danzig muß man sowas auch wissen. Natürlich bin ich nicht so beschränkt, um mir das nicht vorstellen zu können. Aber somit bekomme ich ein anderes Bild von den Dingen. In meiner Familie hieß es meistens, früher in Danzig bzw. Wenzkau war alles besser, basta.
    Viele Grüße Michael

  48. #98
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Schönen guten Nachmittag,
    hallo Heinz,

    danke für Deinen Bericht der das damals schwere Leben vieler Menschen aufzeigt. Natürlich gab es prächtige Bauernhöfe, aber daneben auch viele kleine Katen in denen Arbeiter, Tagelöhner und Fischer wohnten. Mein Urgroßvater, Kutscher und Nebenerwerbsfischer in Einlage (Przegalina), 9 Kinder, lebte in einem solchen kleinen Häuschen das manchmal sogar von mehreren Familien bewohnt wurde (jede Familie hatte einen Raum).

    War das wirklich Abenteuer: Wasser aus dem Brunnen, Plumpsklo über'm Hof, kein Strom, die Schule viele Kilometer weit entfernt, die Arbeit noch viel weiter? Gut, in Danzig sah es meist ein bisschen anders aus, aber zumindest in Ansätzen hörte ich dann doch aus den Erzählungen meines Vaters, dass seine Kindheit alles andere als umbeschwert verlief.

    Um zum Thema "Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen" zurück zu kommen: Natürlich haben wir es nicht gesehen, natürlich können wir uns Eindrücke nur durch das bilden, was wir erzählt bekommen. Aber, wer gut zuhört und verstehen möchte, kann sich auch ein Bild von dem Danzig machen, das 1945 in Schutt und Trümmern unterging.

    Viele Grüße aus dem frischen Danzig (+10 Grad)
    Wolfgang
    -----
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  49. #99
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Guten Abend Michael
    Ja ich kann es nicht belegen, aber ich setze mich oft Gedanklich mit vielen eigenen von mir gestellten Fragen auseinander, aber meistens fehlt mir die Antwort, aber eins steht für mich fest hier trugen auch andere eine gewisse Mitschuld an dieser Armut, möglicherweise wäre für vielen das Leben leichter gewesen wenn man Sie nicht angesport hätte für viele Kinder in einer Ehe zu sorgen, auf welchen Wunsch? Die Großraubritter brauchten ja immer ein Großes Herr oder die Landwirtschaft ebenfalls.meine Mutti hatte 8 Geschwisterchen, Sie sagte immer zu mir werde nie ein Heide aber Forme du dich selber zu einem guten Christen aber las es nicht von anderen machen
    ich Denke du wirst in absehbarer Zeit einiges hier im Forum erfahren was dich Geschichtlich Interessieren Dürfte.
    Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag

  50. #100
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    Standard AW: Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen

    Guten Morgen einen schönen Gruß aus Emmerich/am Rhein gestern am Sonnabend 20Grad +

    Hallo Wolfgang .
    nur noch eine Kleinigkeit von mir, ja es gab Prächtige Bauernhöfe,aber wie du schon schreibst, auch viele Inskaten zum Teil auch noch aus Lehm auch gebaut für
    mehr Familien, nach der damaligen Ansicht vom Herrchen, ein Zimmer nach Süden für Knecht A und seineFrau,die Kinderchen von den beiden, waren ja noch so klein die bekam man noch in jeder Ecke unter, die zweite Stube nach Norden für Magd M mit Ihren Kindern Eheman im ersten Weltkrieg gefallen, und in einem
    natürlich, Gebührenden Abstand zum Herrchen (Bauernhof) diese Katen gehörten überwiegend den Hoff Besitzern, das Gesinde hatt in einigen Höffen auch gegessen und am späten Abend,gabs ja noch eine Kahne mit Milch für zu Hause ( keine überlieferung hinter meinem Eltern Haus stand auch eine Inskate,der Arbeiter auf bem
    Hoff kam Täglich,Abends an unserem Haus vorbei) aber für all diese Gaben, gab es wohl kaum noch, einen Geldbetrag. mein Vater erzhälte mir sehr oft, Traditions
    Gemäß zum Sankt Martin haben die Bauern immer, einen Krug mit billigen Fusel gekauft, und nach reichlichem Genuss von den Arbeitern, haben diese den
    Mitarbeitern auch noch ein paar Pfennige ausgezahlt ,und anschliessend haben die Willige Arbeitsmenschen einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben und nun durften Sie für ein weiteres Jahr fürs Herrchen Arbeiten.
    PS: ich habe noch einige alte Bildaufnamen von sehr alten Holzkaten aus Nickelswalde werde diese sichten, und auf Bilquallität überprüfen, und dich eventuell bitten diese ins Forum einsetzen zu dürfen.
    Information wenn Dir nicht bekannt Einlage war einmal ein Kur und Heilort für Lungen Kranke.
    außerdem vieleicht für Dich eine kleine Anregung zum Nachdenken, über einst unseren Jüdischen Mitbewohnern, bitte gib mal Stolpersteine Emmerich bei Google ein und lese es kurz durch, ich finde diese Idee sehr gut jedes mal beim vorbeigehen Gedenkt man dieser Menschen, und nicht immer nur wärend einer geschwollener Ansprache von denen die oft mal nicht wissen wovon Sie wirklich Reden
    ich Wünsche Dir einen schönnen Sonntag. v.Heinz Mandey

    zum Abenteuer. nein das war für damalige Verhältnisse Normalität, wenn bei uns auf Geburtstagsfeiern in Nickelswalde die Goldene Zwanziger Jahre angesprochen wurden ,da meinte mein Großvater Väterlichersets , immer ja das waren schönne Hotzige Jahre das waren Elendsjahre wie es schlimmer nicht hätte sein können.
    Eindrücke: Ja wenn man in Gedanken Geschichtlich die Zeit mal 100 Jahre zurücksetzt kann man auch heute noch viel erkennen wie es gewesen sein könnte.und
    auch gewesen ist

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