Weite Reise zurück nach Langfuhr per Auto.
Weit im doppelten Sinne, 4750 Kilometer insgesamt, Reise zurück will sagen 66 Jahre und mehr.
Gut vorbereitet, meine Frau und ich, polnisch Schnellkurs, alles erdenkliche Material über
Danzig und entsprechende Karten von vor 1945 und danach, alte Fotos die noch existieren vom ersten Schulgang, die Spielstrasse, immerhin die ersten 11 Jahre meines Lebens waren Langfuhr und Danzig. Auto in die Revision, das Haus in Frankreich zumachen für eine ungewohnt längere Zeit. Leider geht es erst Mitte November los, also auf entsprechende Witterung vorbereitet, fahren wir die erste Etappe nach Düsseldorf, noch kleine Besorgungen und ab in das Abenteuer. Nach einer Übernachtung am Werbellin-See volltanken um durchzufahren in Polen. Einfahren über die Grenze: rechts raus und genaue Kontrolle – durch deutsche Beamte im Team!
Sich einfahren auf polnischen Strassen, man lernt ein Ortsschild zu erkennen und hält die 50 kmh peinlich ein, denn die Kameras stehen spätesten am ersten Fussgängerübergang. Aber dann, die 70 kmh Schilder, vor Einmündungen, Kreuzungen oder ähnlichem, sie werden nie aufgehoben... bis man das merkt!
Zwischenfall: Baustelle, einspurig, ein Drängler will noch von rechts rein, trete notgedrungen in die Bremse, da seh' ich schon im Rückspiegel den nie abstandhaltenden Laster hinter mir auf der Stossstange, weg von der Bremse – aufs Gas und der Aufprall war dann nicht so ernst wie es getan hatte, auf der nächsten Haltemöglichkeit haben wir uns schnell verständigt denn ich wollte weiter und der Schaden ist wirklich geringfügig.
Man kommt über die Umgehung Gdingen-Danzig zur Abfahrt Langfuhr und ich habe mein Navy auf die Magdeburger Str. getrimmt, noch vor der Dunkelheit stehen wir vor dem etwas umgebauten Heim meiner Jahre 2 bis 11, etwas später um die Ecke vor dem neu- renovierten Haus meines ersten Lebensjahres. (Die N° hat Hans-Jörg gefunden.) Kurz darauf vor dem, was mal der Kleinhammerteich war, auf dem ich meine ersten Schlittschuhversuche gemacht habe, vier Jahre jeden Tag hier vorbei zur Schule ging an der Schlageter Str.. Dann war es dunkel und das Hotel ja nicht weit, denn ich wollte hier in dieser Gegend mich zufuss bewegen können, und es war gut gewählt, nachdem wir nach einer Nacht in einem leicht verrauchten und in unmöglicher Bettenverteilung ein entsprechendes, sehr gutes Zimmer mit Blick auf den Jäschkentaler Wald bezogen. Spannungsreduzierung im Restaurant im Hause, klasse und sehr gute Weine...
Nun, ich habe beim Lesen vieler Berichte im Forum schon gelernt, dieses orientiert den Ungeübten in Sachen Angehen eines solchen Unternehmens wie meines: Zu Fuss Richtung Grunwaldska und eine Bank ist nicht weit, Geldwechsel zum Tageskurs wie es das Handy anzeigt. Noch mal einen 50er Schein in 10er tauschen. Die Haltestelle hat einen modernen Kartenautomaten, man versucht ihn zu begreifen und schon tippt einer dieser prächtigen Jugendllichen für Dich darauf rum und Du verstehst gleichsam vieles. Dass «centrum» nicht deine Haltestelle in Danzig ist sondern die davor, merkst Du Dir für das nächste Mal.
Wolfgang hat uns dieses Geschenk Gottes gewünscht und: Wolkenfreier Donnerstag 13 November, Eintauchen in die Stadt. Ach ja, wir haben es genossen unter den «Neu-Danzigern» uns zu bewegen und nicht in Touristengruppen zu versinken, das wollten wir uns nicht vorstellen. Angekommen am demontierten Neptun, (Renovierung) wo ich als 8 bis 9 jähriger aus der Strassenbahn stieg um zur Musikschule zu gehen, suchte ich diese vergebens, es gibt keinen Hinweis darauf, aber zwei Häuser fast gegenüber waren unter Gerüst und dort kann sie gewesen sein. Für mich hat die Stadt soviel Patina angelegt, dass mir das Gerede von «Kulisse» wirklich oberflächlich erscheint, ich spüre diese Stadt auf jedem weiteren Meter. Gerade eben habe ich zufällig vom Brauhaus am Yachthafen gelesen, etwa dorthin habe ich als Junge übergesetzt und die Töpferwerkstatt meines Onkels besucht. Die weiteren Wege führen uns an die Radaune und in die Tischlergasse, meine früheste Begegnung mit dem Haus meines Vaters und seiner Mutter, diese Gasse nun ist wirklich nicht mehr da. Auch hier stellen wir fest, Danzig wurde auch im etwas vom Rechtstadt-Kern entfernteren Altstadtbereich freundlich hergerichtet, …. andere Städte leiden mehr an den Folgen der (Selbst-)Zerstörung.
Przepraszam,... Entschuldigung, dieses Zauberwort hilft wirklich, natürlich hat nicht jede Haltestelle der Tram diesen Wunderautomaten, und wir sind auch schon nach einer Station wieder ausgestiegen, hatten wir doch auch Kontrollen gleich erlebt, ...haben entdeckt dass diese kleinen Kioske, die fast an jeder Haltestelle sind, Fahrkarten verkaufen, also: eine entwertete als Preisindex und ...»Przepraszam»,...noch ein «dwa», zwei, hinterher mit «proche» und «dzienkuje», damit haben wir dann später auch Trambahnlenker zur Herausgabe von Fahrscheinen «rumgekriegt».
Langfuhr war ausgiebig dran, meine Schule an der Schlageter Str. haben wir nicht gleich gefunden, etwas entstellt ist sie heute Musikschule. Dann, gleich neben unserem Hotel, die ehemals HW-Oberschule diente auch als Gymnasium für mich für nur noch 2 bis 3 Monate. Wiedergefunden den Friseursalon meines Grossvaters mütterlicherseits im Heiligenbrunner Weg, dieser Bau ist heruntergekommen und verdiente eine Renovierung, ich fürchte er wird Platz machen müssen. Natürlich komme ich mit meinen Erinnerungen aus einer autofreien Zeit, als ich dorthin musste zum Haareschneiden.
Zoppot war unser Badeziel schon deswegen weil mein Vater in der Waldoper dabei war und er unsere Familie am Strand gleich oder etwas weiter links vom Steeg platzierte, wenn er Proben hatte.
Wichtig war und bleibt mir Bohnsack, was einen entscheidenden Einfluss auf meine Wahl unserer Bleibe hier an der Küste des Atlantik hatte. (Wir lebten -beruflicherseits- unter den Schnee-Bergen Münchens). Verblüffend der Vergleich mit den Stränden, Dünen, Pinien, ich könnte die Fotos nebeneinander stellen. Dort wäre ich gerne noch im «Bartan» geblieben, wo wir, wie so oft, allein gespeist haben und zwar sehr gut, aber dort war die Nach-Saison wirklich zu weit vorangeschritten.
Marienburg stand auf dem Programm, der Vater meiner Frau ist dort geboren, wir haben gefunden und stehen noch heute unter all diesen tiefen Eindrücken, sodass ein Bericht solcher Art fast oberflächlich erscheinen muss.
Nicht entdeckt habe ich den Saal, kann Richtung Schidlitz sein, wo unsere Musikschule ein Vorspielen organisierte, und ich eine Klaviersonatine spielte mit neun Jahren, woran ich mich erinnere? Die Schule wollte dass ich beim Beifall einen H.Gruss machte, meine Eltern aber verlangten eine Verbeugung, also wurde bei mir die Kombination aus beidem daraus.....(nachmachen,heimlich)
Nun – Danzig wurde noch viel, viel mehr, wenn auch bei Regen oder dunklem Himmel, aber dafür drinnen: Marienkirche Sonntag Vormittag mit Andacht, Glocke und Orgel. Der Artushof ohne Publikum wurde auch zu einer Art Andacht. Café mit Einheimischen, Bummeln am Krantor und viele Schritte weiter, Blick auf die Philharmonie, all das ist Heimat.
Ich fahre mit Gefühl der Zufriedenheit und auch viel sicherer auf den Strassen zurück, aber ich will wiederkommen.
KlausM