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Thema: Wer weiß, was das ist?

  1. #51
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    Standard AW: Wer weiß, was das ist?


  2. #52
    Forum-Teilnehmer Avatar von Ulrich 31
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    Standard AW: Wer weiß, was das ist?

    Hallo zusammen,

    in der Annahme, dass im Forum vielleicht noch Interesse an diesem Thema besteht, übernehme ich ausnahmsweise für "Siedlce" die Übersetzung der interessanten umfangreichen Link-Information ins Deutsche:

    https://praust-blogspot-com.translat...&_x_tr_pto=nui.

    Der betr. Artikel vom 14. Juli 2018 trägt die übersetzte Überschrift "SS-Kaserne Danzig-Matzkau. Vernichtungslager im Danziger Stadtteil Maćkowy [Matzkau].".

    Link der deutsch übersetzten Wikipedia-Seite zu Maćkowy: > https://pl-m-wikipedia-org.translate..._tr_pto=nui,sc.

    Viele Grüße
    Ulrich

    PS:
    Bitte an "Siedlce": Wir würden uns freuen und wären Dir dankbar, wenn Du Deine polnischen Link-Beiträge ohne Kommentar demnächst selbst in deutscher Übersetzung mit kurzer Erläuterung, ebenfalls deutsch übersetzt, posten würdest.
    Proszę do "Siedlce": Będziemy wdzięczni i zadowoleni, jeśli zamieścisz swoje polskie wkłady linków bez komentarza w niemieckim tłumaczeniu z krótkim wyjaśnieniem, również przetłumaczonym na język niemiecki.

  3. #53
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    Standard AW: Wer weiß, was das ist?

    Bin soeben beim Lesen auf den Link von Siedlce gestoßen.
    Wer ist eigentlich Siedlce? Ein Danziger? Eher nicht. Ein Pole? Eher ja. Was will er eigentlich mit solchen Hinweisen bezwecken? Sind das nicht „alte Kamellen“, wie einmal ein Beitrag von mir bewertet wurde?

    Zum Lager Danzig - Matzkau.
    Abgesehen von manch anderem! Typhus in einem Lager in Deutschland im Jahre 1940?
    Na ja, das glaube ich ganz bestimmt! Ich glaube aber auch an den Osterhasen! Der Kommandant solch eines Lagers, in dem 1940 Typhus ausgebrochen wäre, der hätte größte Probleme bekommen. Alleine wegen der Gefahr durch eine Ausbreitung!

    Wer mehr über das SS-Strafvollzugslager Matzkau wissen will, dem ist das Buch:
    „Ein sonderlicher Haufen“ von Ingo Petersson empfohlen. Dort ist ein ganzes Kapitel diesem Lager gewidmet.

    Nec temere, nec timide.
    Die Utopien von heute, sind die Realitäten von morgen.

  4. #54
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    Standard AW: Wer weiß, was das ist?

    Hallo.
    Ich bin ein Einwohner von Gdańsk, ich habe 30 Jahre lang in Siedlce gelebt und bin Pole, ist das ein Problem für Sie? Ich habe diesen Link zum Thema hinzugefügt, weil ich dachte, dass er nützlich sein könnte (viele Bilder und Beschreibungen).
    Vielen Dank für den Titel des Buches, ich werde versuchen, mich mit ihm vertraut zu machen.

  5. #55
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    Standard AW: Wer weiß, was das ist?

    Hallo Siedlce,
    da habe ich Dich total falsch eingeschätzt! Ich darf doch Du zu Dir sagen? Nein, daß Du Pole bist ist für mich kein Problem! Im Gegenteil, die Polen stehen mir näher als viele andere!
    Ich habe nur gedacht, daß wieder mal ein Provokateur hier auf die Deutschen einschlagen will. Denn hier in diesem Forum will man nur der Vergangenheit gedenken, sonst nichts! Daß Danzig heute polnisch ist, daran ist nicht zu rütteln! Leider! Durch diesen unseligen Krieg ist das deutsche Danzig für immer untergegangen!
    Gruß!
    Die Utopien von heute, sind die Realitäten von morgen.

  6. #56
    Forum-Teilnehmer Avatar von Ulrich 31
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    Standard AW: Wer weiß, was das ist?

    Hallo Mühle 9,

    Deiner Behauptung in #55: "Denn hier in diesem Forum will man nur der Vergangenheit gedenken, sonst nichts!" muss ich widersprechen. Du hattest seit Deiner Teilnahme an diesem Forum genügend Zeit, Dich hier umzusehen und zu informieren. Diese Recherchen hätten Dir gezeigt, dass Deine zitierte Behauptung nicht zutrifft. Als Beispiel für meinen Widerspruch empfehle ich Dir, in meinem Forum-Profil die von mir über 700 gestarteten Themen zu überprüfen.

    Wenn Du trotzdem bei Deiner Behauptung bleibst, ist zu fragen, warum Du dann überhaupt Teilnehmer dieses Forums bleibst.

    Gruß Ulrich

  7. #57
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    Standard AW: Wer weiß, was das ist?

    Der Besuch im Lager Matzkau. ©Kriegsbeute gerhard Jeske Hamburg co
    Auszug:
    „Endstation Ohra .!“ rief die Schaffnerin mit ihrer Baßstimme durch den
    Wagen. Diese Anstrengung war völlig überflüssig, selbst ein Glasauge
    konnte erkennen, daß hier die Welt mit Brettern vernagelt war. Herr
    Knorr und seine Begleiter überquerten die Hauptstraße. Über eine morsche
    Holztreppe kletterten sie auf den Damm des uralten Radaunekanals.
    Oben blieb Ewald japsend stehen, solche Gebirgstouren bekamen
    ihm nicht. Zur Erleichterung spuckte er im hohen Bogen den Kautabak
    in das Wasser. Er behauptete, daß die Fische den braunen Nikotinsaft
    liebten und ihn gierig ins Maul sogen. „Die Ziege unserer Nachbarin ist
    auch hinter jedem Zigarettenstummel her, die klaut sogar den Männern
    die Zigaretten aus der Tasche, total süchtig ist sie geworden“, erzählte
    das Jungchen. Ewald lachte laut los. „Die Ziege“, sagte er, „frißt sogar
    den Leitartikel vom Danziger Vorposten auf und anderen braunen Müll,
    nicht einmal schlecht wird ihr davon, verdammtes Luder, das!“ Herr
    Knorr grinste. „Wie unsere Zeitgenossen doch der Ziege ähnlich sind!“
    lästerte er.
    Kastanien, Linden und alte Eichen flankierten den Wall neben dem
    Radaunekanal. Die ausladenden Äste der alten Bäume verzweigten sich
    oben zu einem schattigen Laubdach. „Früher, an sonnigen Wochenenden,
    spazierte halb Danzig hier entlang. Im Gasthof ‘Zu den drei Schweinsköpfen’
    konnten wir herrlich futtern, und ein Bier gab es zu trinken, himmlisch!“
    erzählte ihnen Herr Knorr, und er kramte weiter in seinen Erinnerungen
    herum. Er ließ den Rohrstock um die Hand kreisen, er schnalzte
    genüßlich mit der Zunge. „Zeiten waren das! Sehen sie die Brücke vor
    uns, da stand ich mit meiner Verlobten, wir warfen über die Schulter einige
    Pfennige ins Wasser.“ Er köpfte mit dem Stock die violetten Korbblüten
    einer Distel. „Doch genützt hat es uns nichts, gegen den Krieg ist eben
    kein Kraut gewachsen und auch kein Glückspfennig.“ Ewald lachte höhnisch
    auf. „Mit Hokuspokus werden Sie die Bonzen nicht vertreiben.“
    Herr Knorr klopfte Ewald mit dem Stock gegen die Wade. „Vor fünfundzwanzig
    Jahren haben wir es mit anderen Mitteln versucht, und nun sehen
    sie ja selbst, was daraus geworden ist. Dreimal dürfen Sie raten, warum
    die Arbeiterparteien so kläglich versagt haben. Na?“
    Das Jungchen platzte bald vor Neugierde, solche Gespräche hörte er
    selten, und er war gespannt, wie Ewald darauf antworten würde. Aber der
    Arbeiter schwieg. Herr Knorr sah ihn mißtrauisch an. Hatte er ihn wo-
    möglich beleidigt? Vertraulich faßte er den Lehrling unter den Arm und
    ermahnte ihn, wie es unter Männern so üblich ist, ja den Mund zu halten.
    „Ich sehe unsere Brücke!“ rief das Jungchen und lief den Männern davon.
    Von der südlichen Hauptstraße zweigte im rechten Winkel eine Chaussee
    nach Südwesten ab. Über die schmale Brücke führte sie an dem Lager Matzkau
    vorbei, über die Danziger Höhe zu den Großeltern nach Straschin-
    Prangschin und dann hunderte Kilometer weiter bis zum großen Oderstrom.
    Aber so weit wollten sie heute nicht tippeln. Herr Knorr klopfte mit
    dem Krückstock gegen das Eisengeländer und schrie wie ein Kohlenmann
    los: „Pause! Ein halber Zentner Pause gefällig? Heute für einen Gulden fünfzig!“
    „Eine Brause wäre mir lieber“, wünschte sich das Jungchen. „Wer nicht
    ißt, ist bald nicht mehr“, philosophierte Herr Knorr beim Anblick seines
    Brotpäckchens. Rasch wickelte er das Papier ab und beschnuppert die Kruste.
    Ewald hatte den nächsten Baum angepinkelt. Langsam kam er angeschlendert,
    dabei knöpfte er sich den Hosenspalt zu. Das Jungchen spuckte
    einen Klumpen Brot ins Wasser; aus der dunklen Tiefe flitzten die Gründlinge
    zur Oberfläche und balgten sich um die davontreibenden Krümel.
    Neugierig schaute das Jungchen einer weißen Feder nach, wie sie leicht auf
    den unruhigen Wellen nach Danzig hinunterschwamm. Ewald kramte in
    seiner Tasche herum, er fummelte etwas Kleingeld zusammen. In der offenen
    Hand hielt er es ihnen hin, sie suchten die Pfennige heraus, dann dreh-
    ten sie sich um und warfen die Kupfermünzen über die Schulter in den
    Fluß. „Vielleicht bringt es uns diesmal Glück“, sagte Herr Knorr. Fasziniert
    erblickten sie die durcheinandergleitenden Bilder im Wasser. Die kreisenden
    Strudel verbogen ihre auseinandergezogenen Körper. Durch die zerfließenden
    Wolken flitzten silberne Fische. Auf dem Gesicht des Jungchen landete
    ein bunter Schmetterling, erschrocken sah er ein Fischmaul, das den
    Falter schnappte und in die Tiefe riß. Nach alter Tradition spuckten die drei
    Danziger in die Wellen. Herr Knorr schulterte den Krückstock. „Achtung,
    kehrt marsch!“ rief er ihnen zu.
    Als sie fortgingen, zogen sie ihre Spiegelbilder aus dem Wasser heraus,
    und als graue Schatten folgten sie ihnen unbemerkt den Berg nach Matzkau
    hoch. Unterhalb des Höhenkammes lag das Straflager für Militärangehörige.
    Wer hier seine Strafe abgesessen hatte, der landete später in einer
    der berüchtigten Strafkompanien, den sogenannten ‘Himmelfahrtskommandos’.
    Der Zivilbevölkerung war es verboten, mit den Häftlingen zu
    reden, geschweige denn irgendeinen Kontakt aufzunehmen. Selbst während
    der Arbeit außerhalb des Lagers wurden die degradierten Offiziere
    und Soldaten von den Zivilisten ferngehalten. Was sich hinter dem hohen
    Bretterzaun abspielte, blieb geheim, es sollte die Ehre der Armee nicht
    beschmutzen. „Am liebsten würde ich jetzt weitergehen“, sagte Ewald.
    „Wo Stacheldraht wächst, ist die Dornenkrone nicht weit.“ Herr Knorr
    bog von der Chaussee nach rechts ab. Er kannte den Weg genau.
    Ungefähr 100 Meter unterhalb der Straße erblickten sie den Eingang
    zum Lager. Ein breites Wellblechtor unterbrach die Holzwand. Herr Knorr
    schritt langsam darauf zu. Daneben war in der Wand eine kleine Tür eingebaut.
    Eine Klappe in der Tür funktionierte als Spion. Unschlüssig blieb
    Herr Knorr stehen. Er wartete auf Ewald. Der Prokurist zeigte auf die
    Klingel, verlegen blickte er die beiden Weggefährten an. „Was soll’s! Für
    diese Arbeit werden wir schließlich bezahlt.“ Er drückte den Daumen gegen
    den schwarzen Klingelknopf; auf der anderen Seite rasselte grell ein
    Wecker, Hunde bellten, und vom Grabenrand flog erschrocken ein Pulk
    Feldtauben hoch. Im Holzrahmen erblickten sie ein abgemagertes Gesicht,
    sehr bleich, wie grundiert, und dunkle Augen, in denen das Licht
    versank. Das Dreieck eines grünen Käppis zerteilte seine Stirn. „Sind sie
    angemeldet?“ fragte er. Die drei nickten. Herr Knorr öffnete seinen Mund,
    aber die Worte klebten ihm im Gaumen fest. Das Gesicht im Rahmen
    glitt zur Seite, der Holzladen rutschte nach und verschloß das Fenster. Ein
    Riegel quietschte im trockenen Scharnier, langsam wurde die Tür nach
    innen aufgezogen. Das Jungchen erstarrte. Auf der Lagerstraße standen
    zwei SS-Männer mit der Maschinenpistole im Anschlag.
    „Kommen sie!“ befahl ihnen das blasse Gesicht. Es gehörte einem Häftling,
    der als Hilfsposten hier an der Pforte seinen Bewährungsdienst ableistete.
    „Gehen Sie zur Wache.“ Die Zivilisten gingen mit steifen Knien an
    den SS-Posten vorbei, die Mündungen der Maschinenpistolen folgten ihnen
    im Halbkreis. Als sie vor der Tür der kleinen Wachbaracke standen,
    spürte das Jungchen die Kugelspritzen im Rücken. Was zum Teufel noch
    mal, würde passieren, wenn plötzlich ein Posten niesen mußte? Verdammt
    noch mal, der Reflex könnte den Zeigefinger krümmen, und dann? Glücklicherweise
    verlor hier niemand die Nerven. Das Gesicht stellte sich neben
    die Tür und öffnete sie. Aus dem Spalt seiner Lippen schnarrte der nächste
    Befehl heraus: „Treten sie einzeln ein.“ Herr Knorr trat vor, den Personalausweis
    trug er mit ausgestrecktem Arm wie ein Schutzschild in der
    Hand. Der halbdunkle Raum verschluckte ihn. Der Kopf des Hipos bewegte
    sich, seine Augen schielten nach rechts. Das Jungchen folgte seinem
    Blick. Er sah zwischen zwei Baracken eine Gruppe Häftlinge, sie schleppten
    einen eingewickelten länglichen Gegenstand davon. Herr Knorr kam
    sichtlich erleichtert heraus. „Der nächste“, befahl leise der Hipo. Ewald
    marschierte schnaufend mit geballten Fäusten los. Die müden Augenlider
    des Hipo klappten auseinander. Im Bruchteil einer Sekunde hatte er Ewald
    durchschaut. Das Jungchen hatte diese Szene deutlich erfaßt. Die Zuordnungen
    der Menschen, ihre Körperbewegungen, die Grimassen, die Gesten
    ihrer Hände las er von ihnen ab, wie früher die schriftlosen Zeichnungen
    in der Volksschulfibel. Das Bild vor ihm bewegte sich. Der Hipo
    hob die Hand hoch, mit einem kurzen Schlag verscheuchte er eine Fliege
    von der Nase. Ewald erschien im Türrahmen, vom hellen Sonnenlicht
    geblendet kniff er die Augen zu. Umständlich setzte er den rechten Fuß
    von der Holzschwelle auf den Sandboden. Der Hipo zeigte zur Tür. Sofort
    ging das Jungchen an Ewald vorbei. Er hatte sich einen Dreh ausgedacht,
    den unaufrichtigen ‘Heil-Hitler-Gruß’ zu vermeiden. Darum sprang
    er mit einem kräftigen Satz über die Stufe in den Dienstraum hinein.
    „Hoppla, wer kommt denn da hereingeschneit?“ fragte sich laut der SSMann
    hinter dem blankgewichsten Mahagonitisch. Durch das Visier seiner
    Lider spähte das Jungchen sofort den Raum aus. Die Holzläden vor den
    zwei Fenstern waren nach innen aufgeklappt. An der linken Wand stand
    eine Pritsche, und am Kopfende sah er einen Küchentisch stehen, bedeckt
    mit einem Wachstuch. Vier Rohrstühle warteten auf die fetten oder mageren
    Ärsche, die das braune Geflecht zur Essenszeit belasten würden. Dieser
    Gefängnisraum war die sogenannte ‘Wache’. Ob vor oder hinter der Mauer,
    Gefangene waren sie hier alle. Nur, der eine ging hinter dem Gewehr und
    der andere vor der Mündung. Alle liefen sie hier im Kreis herum, keiner von
    ihnen durfte seinen Weg frei bestimmen. Der auf seine Unfreiheit vereidigte
    SS-Mann trommelte ein paar Takte auf die Tischplatte. „Zackig, mein Lieber,
    fabelhaft gesprungen, nicht so lahmarschig wie diese Versager hier. Bist
    du in der Stamm-HJ? Nein? Warum nicht? Ach so, bei den Segelfliegern,
    Pilot willst du werden. Jawoll, frei muß man sein, wie ein Vogel.“ Er nahm
    den Ausweis entgegen und ohne hineinzublicken gab er ihn an einen blutjungen
    Totenkopfträger weiter. Der numerierte eine Zeile und trug den Namen
    und die Adresse des Jungchen in das Wachbuch ein.
    Als er wieder in den hellen Tag zurückkehrte, sah er den anderen SSPosten
    im Schatten einer Anschlagtafel stehen, mit der umgehängten Ma-
    schinenpistole vor der Brust. „Folgen sie mir!“ Der Hilfsposten trug sein
    bleiches Gesicht vor ihnen her. Dieser Lagertrakt gehörte zum Versorgungsbereich.
    Vor einer Baracke verluden graue Gestalten schwarze Kisten
    auf einen Mercedes-Lastwagen. ‘Räder müssen rollen für den Sieg’,
    lasen sie auf der Seitenklappe des LKW.
    Der Hipo blieb vor der Baracke mit der Nummer 2 stehen. Er verglich
    sie mit dem Passierschein, dann öffnete er eine Seitentür und ließ die
    Zivilisten eintreten. Herr Knorr sagte zu ihm im Vorbeigehen, daß sie bis
    um vierzehn Uhr zu tun hätten. Der Hipo tippte mit der Hand an das
    Käppi und versprach, rechtzeitig zur Stelle zu sein. Ewalds Fuß zögerte,
    die Schwelle zu betreten; er ließ den beiden anderen einen kleinen Vorsprung.
    Das Jungchen schaute sich in der Baracke zur Tür um. Ewalds
    Silhouette bewegte sich dunkel gegen die gleißende Helle des Sonnenlichtes.
    Sein großes Taschentuch glitt ihm aus der Hand, und nachdem er es
    aufgehoben hatte, blieb ein Päckchen Zigaretten auf dem Fußboden liegen.
    Der Hipo bückte sich. Seine schmale Hand bedeckte blitzschnell das
    Päckchen, schnell trat er aus dem Schatten der Baracke ins grelle Tageslicht
    zurück und klinkte die Tür von außen ein.
    Das Jungchen drehte sich auf der Hacke um die eigene Achse. Im Karusselltempo
    musterte er neugierig den Raum. Diese Baracke besaß keine
    Zwischenwände; es war eine große Lagerhalle. Unter braunen Planen verbargen
    sich rundliche und eckige Gegenstände.
    Herr Knorr klopfte mit dem Krückstock gegen einen Stapel. „Ziehen
    sie diesen hier mal die Haut ab.“ Das Jungchen schnitt eine Grimasse.
    Ewald wühlte das Ende einer Schnur aus einer Ritze hervor, mit dem
    steifen Daumen deutet er gegen die letzte Kante. Das Jungchen kletterte
    über die Buckel und Flächen hoch, oben knotete er die Leine von der
    Persenning ab, und Ewald zog sie durch die Ösen herunter. Zwischen
    seinen Beinen ringelte sich ein wirrer Knoten zusammen. Unter den Planen
    wurden nagelneue Schreibtische, Drehstühle, Büroschränke und verschiedene
    Registrierkassen sichtbar. Die aufgeklebten Nummern verglich
    der Prokurist mit den Titeln und Zahlen seiner Inventar-Liste. Dann löste
    er die alten Etiketten ab und ersetzte sie durch Express-Adressen.
    Inzwischen hatte Ewald einen Hocker beiseite gestellt und sich hinge-
    setzt. Vorsichtig klappte er sein Taschenmesser auf und schnitt sich eine
    dünne Scheibe Kautabak ab. Nachdem er den Priem hinter die Zähne
    geschoben hatte, entfernte er mit der Klinge vom nächsten Schreibtisch
    einen Zettel. Das Jungchen beobachtete ihn, er kannte Ewald gut genug;
    bestimmt hatte der wieder etwas in seinem Hinterkopf ausbaldowert.
    „Nimm und lies! Dieser Wisch beweist uns, wofür unsere Soldaten krepieren
    müssen.“ Ewald spießte den Zettel auf und mit der Messerspitze
    hielt er dem Jungchen das Papierchen unter die Nase.
    „Das ist ja polnisch geschrieben!“ rief der aus. „Wo kommen diese Möbel
    her?“ Ihm dämmerte, daß vor nicht langer Zeit dieses Mobiliar einem
    polnischen Kaufmann gehört haben mußte. Ewald wußte, was seinen kleinen
    Kollegen bedrückte, und er fragte ihn, ob er sich vorstellen könnte,
    wie der Michelsen diesen Reibach gemacht hatte. Das Jungchen druckste
    mit der Antwort herum. Wie sollte er wissen, daß die deutschen Unternehmer
    das Eigentum der Besiegten als Kriegsbeute unter sich aufteilten.
    Dafür verbluteten also täglich tausende Landsleute an den Fronten und in
    den zerbombten Städten, und die Propaganda trieb sie an, ‘für Führer,
    Volk und Vaterland zu kämpfen und zu sterben.’
    „Wissen sie, wie der Chef diese Möbel ergattert hat?“ fragte das Jungchen
    wütend. Ewald kam in Rage. „Über Beziehungen, mein Junge. Als
    Unternehmer, Parteibonze und Zahlmeister der Wehrmacht hat er überall
    seine Hände im Spiel, deshalb ist es ihm nicht schwergefallen, der ‘Treuhand’
    die Sachen für ein paar müde Mark abzukaufen. Nun warten sie
    hier auf den Frieden.“ Das Jungchen fiel aus allen Wolken. „Aber die Ausgebombten
    brauchen doch jetzt die Möbel nötig. Heute muß das Zeugs
    unter die Leute gebracht werden.“
    „Hör mal gut zu: Im Krieg ist das Geld einen Scheißdreck wert; damit
    keine Inflation ausbricht, wird später überschüssiges Geld vernichtet, und
    das geschieht unabhängig davon, ob wir den Krieg gewinnen oder nicht.
    Deshalb handeln die Unternehmer nach der Parole: Im Krieg die Waren
    mit billigem Geld einkaufen, sie horten und später für hartes Geld verkaufen.
    So handeln normale Kriegsgewinnler!“
    Weil Herr Knorr sich näherte, beendete Ewald seinen politischen Ausflug.
    Er stützte mit der rechten Hand seine schmerzende Hüfte, dann
    erhob er sich ächzend, mit schlappen Schritten ging er hinter den Büromöbelstapel.
    Die Dielen knarrrten unter Herrn Knorrs Schnürschuhen;
    um sich der Umgebung anzupassen, trat er bewußt hart mit den eisenbeschlagenen
    Hacken auf. Hatte er womöglich einiges mitgehört? „Mir ist
    es egal“, dachte das Jungchen, und weil er wußte, daß der Prokurist in der
    SPD Mitglied gewesen war, riskierte er ihm gegenüber nun eine freche
    Lippe: „Warum sind die Möbel nicht an die Ausgebombten verkauft worden?“
    Herr Knorr blieb erschrocken stehen. Nervös rückte er seine Krawatte
    zurecht. In seinem Gehirn bewegte er den Rotstift hin und her. Was durfte
    er darauf antworten? „Wollen Sie mich für diesen Krempel verantwortlich
    machen? Glauben Sie, daß ich damit einverstanden bin? Ich bin der
    letzte, der solche Methoden für richtig hält.“ Herr Knorr unterbrach sich,
    er hatte die Sätze in einem Atemzug gesprochen, pfeifend entwich die
    aufgestaute Luft aus seinem schmächtigen Brustkasten. Er trat vor den
    Lehrling hin und verwarnte ihn: „Daß Sie da draußen nichts von diesem
    Warenlager erzählen, haben Sie mich verstanden? Wenn Sie das hier an
    die große Glocke hängen, dann sind Sie erledigt, und wir werden Ihnen
    nicht helfen können; der Michelsen hat diesen ganzen Krempel mit einem
    gültigen Vertrag von der staatlichen Treuhandgesellschaft erworben. Und
    wenn er dafür nur eine Reichsmark bezahlt hätte, so wäre dieser Kauf
    trotzdem rechtsgültig. Ob uns das gefällt oder nicht, wir müssen es hinnehmen.“
    Er ging zur Tür und schaute hinaus. In den hereinfallenden
    Sonnenstrahlen wirbelte ein dünner Nebel flimmernde Staubteilchen
    durcheinander. Herr Knorr drehte sich um. „Wenn Sie so weiterreden,
    dann könnte es passieren, daß wir hier Dauergäste werden. Also Schwamm
    darüber. Bedecken Sie die Stapel wieder.“ Damit hatte er das Thema abgehakt
    und zu den Akten gelegt.
    Die drei von der Firma Michelsen standen kurze Zeit später vor der Tür
    und sonnten sich. Kein Laut war weit und breit zu hören. In der Höhenluft
    verwehte ein milder Wind den würzigen Duft des Spätsommers.
    „Störe ich Ihre Sonnenanbetung?“ fragte der Hilfsposten, als er um die
    Barackenecke trat. Der Prokurist schaute auf seine Taschenuhr: „Pünktlich,
    pünktlich!“ lobte er den Hipo. Das Jungchen schaute über sich in die
    endlose Weite des blauen Himmels. Den Lauf der Sonne behinderte kein
    Stacheldrahtzaun.
    In der Wache mußte das Jungchen mit vollem Namen die Abmeldung
    unterschreiben. Er ärgerte sich, daß er damit einen Fetzen seiner Identität
    abgegeben hatte. „Hoffentlich schlägt hier bald der Blitz ein und verbrennt
    den Reibach, den der Michelsen hier versteckt hat“, dachte er, als er zum
    Ausgang ging.
    Nachdem der Hipo hinter ihnen das schwere Holztor geschlossen hatte,
    entfernten sie sich hastig von dem Lager der Verdammten. Erst auf der
    Chaussee bremsten sie ihr Tempo ab. Langsam verlor sich ihre Unruhe.
    Zwischen den Stoppelfeldern wanderten sie bergab. Herr Knorr zeigte auf
    das flache Danziger Land, das sich nach Osten bis hinter die Weichsel
    erstreckte. „Können Sie sich vorstellen, daß von hier aus eines Tages russische
    Panzer Danzig überrollen werden?“ fragte er seine beiden Komplizen.
    Der Arbeiter spuckte seinen Kautabak im hohen Bogen in den Graben.
    „Es kommt, wie es kommen muß“, antwortete Ewald. „Wir werden
    sie nicht aufhalten können.“
    Auf der Matzkauschen Brücke machten sie Pause. Ewald begoß wieder
    einen Baum. Das Jungchen lehnte sich gegen das Geländer. Unten im
    Fluß sah er sein Spiegelbild. Es zitterte, zerfloß, es schwamm mit den
    Wellen davon und blieb doch liegen. Sie spuckten ins Wasser und gingen
    nach Danzig zurück.

  8. #58
    Forum-Teilnehmer Avatar von Ulrich 31
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    Standard AW: Wer weiß, was das ist? - Lager Matzkau

    Ich komme hier auf den Beitrag #15 vom 05.02.2012 von Waldschrat zurück, in dem dieser mit einem Link zum polnischen trojmiasto.pl-Artikel vom 22. Februar 2010 ohne weiteren Kommentar schreibt: "Alles falsch. Matzkau sieht so aus:".

    Dieser Artikel, der heute vor 12 Jahren veröffentlicht wurde, und zu dessen deutscher Übersetzung der folgende Link führt: > https://www-trojmiasto-pl.translate...._x_tr_pto=wapp , trägt die deutsche Überschrift "In Danzig wurden die SS-Männer bestraft".

    Jener Artikel enthält ein Video (Dauer 2:17'), in dem der uns bekannte Autor Jan Daniluk seiner Begleitung die ehemaligen Baracken des Lagers Matzkau zeigt und erläutert. Der Text des Artikels informiert zusätzlich über Details, die in diesem Thread noch nicht erwähnt wurden.

    Ulrich

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