Aus "Unser Danzig", 10/1959

Erinnerungen an Schönbaum
Die unvergessenen Spaziergänge des alten Lehrers Weinert

Ganz plötzlich hieß es an einem Sommersonntagvormittag: "Heute gehen wir nach Schönbaum." Ich war natürlich immer dabei, obgleich der Weg an die 10 km lang war. Jedesmal aber war es ein herrlicher Spaziergang so ganz oben auf dem Damm entlang, ohne Strumpf und Schuh, zur Linken unsre liebe Weichsel, zur Rechten das weite Werderland. Nach einer Wegstunde gingen wir über den Weichsel-Haff-Kanal bei Rothebude, dann eine halbe Stunde später übers "Danziger Haupt" nach Letzkauerweide. Von da aus führten zwei Wege zu der sehr alten Schule nach Schönbaum, in der wir uns sehr wohl fühlten. Der ganze Tag dort bot reiche angenehme Abwechslung und Unterhaltung. Besonders ist mir heute noch die erfrischende Sauerkirschensuppe in Erinnerung, die uns ganz vortrefflich nach dem langen Spaziergang mundete. Bei meinem Bruder Ernst Weinert wurde viel musiziert.

Dieses Schulhaus lag der altehrwürdigen Kirche gegenüber. Jedesmal ging ich mit meinen fast gleichaltrigen drei Nichten in die Kirche und auf den Friedhof, der nicht nur den Toten, sondern auch uns Lebenden eine besondere Ruhe unter viel alten Bäumen schenkte.

Ganz besonders gepflegt und romantisch war der Schulgarten, in dem eine hübsche Holzlaube die Herren zum gemütlichen Skat einlud; unter ihrem Dach hatten die Tauben ihre Wohnung.

Wenn wir mit dem Dampfer heimfahren wollten, mussten wir zeitig gegen Abend aufbrechen, doch es kam hier und da vor, dass wir durch den Garten ins nachbarliche Gasthaus zum "Vergnügen" gingen, wo wir alle dann meist erst spät mit dem Tanzen aufhörten. Es war gar nicht so einfach, noch nachts von 3 bis 5 Uhr die 10 km heimzulaufen, doch das taufrische Gras auf dem Weichseldamm kühlte unsere nackten Füße, sodass eine Wanderung eine richtige "Kneippkur" wurde, die ja jung und gesund erhält.

So gingen wir der Sonne früh entgegen durch das heimatliche frische Werderland nach Schöneberg zu. Liegt auch unsere Heimat so ferne, von Not und Schmerzen schwer heimgesucht, so möchte ich ihr doch zurufen:

Heimat, oh gib mir den Frieden,
den mir die Welt nicht gab!
Hast mir die Jugend beschieden,
sei du dereinst mein Grab!
(Frida Borchardt)

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang