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Thema: Historische Zoppoter Strand-Ansichtskarten

  1. #1
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard Historische Zoppoter Strand-Ansichtskarten

    Und hier die beschriftete Vorderseite der Ansichtskarte
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    Das ist die höchste aller Gaben: Geborgen sein und eine Heimat haben (Carl Lange)
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  2. #2
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard Historische Zoppoter Strand-Ansichtskarten

    Schönen guten Nachmittag,

    einen tiefen Eindruck vom "Damals" schaffen alte Ansichtskarten. Am besten, wenn sie von Urlaubern beschrieben und an Angehörige oder Freunde verschickt wurden.

    Ich besitze rund 250 alte Zoppoter Ansichtskarten, fast alle über 100 Jahre alt. Darunter sind auch einige Kuriositäten.

    Als erste Ansichtskarte -weitere werden folgen- möchte ich Euch eine genau 100 Jahre alte Karte zeigen (1912) mit einem Bild auf dem der "deutsche Ordnungssinn" spürbar, ja, schier ein erhobener Zeigefinger sichtbar ist. Dort heißt es doch auf einem (eingefügten?) Strandschild:

    "Es kann der Frömmste
    nicht in Frieden leben.
    wenn es dem bösen
    Nachbar nicht gefällt."

    Ich habe mich bemüht, patroullierende Ordnungshüter am Strand zu entdecken. Vergeblich

    Aber: Elegant gekleidete Damen mit Sonnenhütchen, Herren im Ausgehanzug, Mädchen im Sommerkleidchen und langen Strümpfen, Knaben im Matrosenanzug, Strandkörbe... - und keine Badenden.

    Die Karte vermittelt ein bisschen den damals herrschenden wilhelminischen Zeitgeist. Interessant, nicht wahr?

    Viele Grüße aus dem Werder
    Wolfgang
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  3. #3
    Forum-Teilnehmer Avatar von Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
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    Standard AW: Historische Zoppoter Strand-Ansichtskarten

    Hallo Wolfgang
    Tscha die Frage ist --- wann wurde dieses Foto gemacht ....
    Lufttemperaturen könnten ja schon angennehm sein ... aber auch dann gab es schon die
    " kalte " Ostsee !
    Ich sehe zumindest eine(n) Badenden !
    Und das Strandschild ist ganz bestimmmt " eingefügt" ........

    Viele Grüße
    Hans-Jörg

  4. #4
    Forum-Teilnehmer Avatar von asche
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    Standard AW: Historische Zoppoter Strand-Ansichtskarten

    Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben,
    Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt

    ist aus Schillers Wilhelm Tell. Die Postkartenverlage dürften den bösen Nachbarn nicht im nächsten Strandkorb vermutet haben, sondern vielmehr in Frankreich, Russland, England und Serbien usw.

    Der Eindruck, Zoppot sei bis 1933 eine Insel der Seligen gewesen, täuscht gewaltig. Auch die einigermaßen Wohlgenährten aus Bürgertum und Handwerk waren unterschwellig, aber hochgradig, frustriert. Ein Beispiel, mit dem ich mich neulich befasst habe, ist die Zoppoter Gruppe der Deutschen Freischar (Wandervogel-Nachfolgeorganisation 1926-1933, nur aus Gymnasiasten bestehend!), die sich "Wehrwölfe" nannte. "Der Wehrwolf" ist ein Roman von Hermann Löns, 1910 erschienen, in dem treudeutsche Bauern gegen ausländisches Kriegsgesindel Amok laufen (nach Art von "Ein Mann sieht rot".) In dem Roman erkannte sich die Nation sofort wieder, also lange vor "Versailles", und las ihn bis 1945 wie verrückt. Konsequenterweise gehörte Löns 1914 zu den ersten gefallenen Kriegsfreiwilligen. Die Zoppoter Gymnasiasten waren sozusagen mit Wolfsmilch gesäugt worden.

    Toleranz gegenüber polnischstämmigen und jüdischen Mitbürgern war zwar in Teilen des Bürgertums vorhanden, hielt sich aber in durchschnittlich engen Grenzen. Kurgäste aus aller Welt hofierte man, wenn sie Geld daließen.

    Das Klima kollektiven Beleidigtseins wurde seit ca. 1880 vor allem von der Presse geschürt, in den meisten Ländern Europas. Als die Intellektuellen merkten, dass an die Zündschnur in echtem Pulver endete, war es zu spät, um sie auszutreten, also schürten die meisten weiter, um nicht als Feiglinge dazustehen.

    Es kann der Frömmste schwerlich in Frieden bleiben, wenn die Propagandamaschine beidseitig auf Hochtouren läuft. Das gilt auch heute noch, z.B. in/über Israel und Iran (zum Thema Grass-Text - hat sehr wohl etwas mit Danzig zu tun!). Abrüstung muss man zuerst in der Rhetorik verlangen, von Journalisten, Politikern und Lehrern.

  5. #5
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard AW: Historische Zoppoter Strand-Ansichtskarten

    Schönen guten Morgen,
    hallo Alexander,

    schönen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag. Ja, Du hast Recht, das Schild wird sich mit großer Sicherheit auf die Nachbarn des Deutschen Reiches bezogen haben. Und da kann ich mir dann doch vorstellen, dass es dort wirklich stand und nicht auf dem Foto nachträglich eingefügt wurde.

    Ich schrieb, dass das Foto den damals herrschenden wilhelminischen Zeitgeist vermittele. Trotzdem verlief das Leben, das Neben- und Miteinanderleben Menschen verschiedener Nationalitäten vor dem I. WK noch relativ reibungslos. Ich habe hier Polen kennengelernt, dessen polnische Vorfahren in Zoppot lebten. Von Spannungen -so zumindest in deren Familienüberlieferung- war damals kaum etwas spüren. Weitgehende Toleranz prägte das Bild. Erst mit den Nationalsozialisten veränderte sich die Lage dramatisch.

    Übrigens, die Knaben im Matrosenanzügchen: Sie waren typisch für diese Zeit. Auf fast allen Fotos der Kaisersöhne sind auch diese in Matrosenanzügen zu sehen. Sie waren Vorbild für das Bürgertum. Der Militarismus nahm schon von den Kindern Besitz.

    Viele Grüße aus dem Werder
    Wolfgang
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  6. #6
    Forum-Teilnehmer Avatar von Uwe
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    Standard AW: Historische Zoppoter Strand-Ansichtskarten

    Hallo Wolfgang,

    ich denke Du hast recht was das eher unkomplizierte umgehen der verschiedenen Nationalitäten in Deutschland vor dem 1. Weltkrieg angeht. Man darf ja nicht vergessen, dass es damals viel größere nationale Minderheiten gab als heute in Deutschland. Es war in den Gebieten, wo dieses der Fall war halt Normalität, dass der Nachbar z.B. dänischer, polnischer oder französischer Abstammung war und meistens auch eine andere Sprache gesprochen hat. Gerade das Beispiel des Nachbarstaates Österreich-Ungarn zeigt diese Vielfältigkeit auf. Das Unheil des Nationalismus kam erst mit dem 1. Weltkrieg richtig auf.

    Herzliche Grüße

    Uwe
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  7. #7
    Forum-Teilnehmer Avatar von asche
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    Standard AW: Historische Zoppoter Strand-Ansichtskarten

    Uwe, mir scheint doch, dass Nationalismus zum Krieg führte, nicht umgekehrt. Das Wort ist zwar etwas unscharf, wird aber doch in den meisten Geschichtsbüchern auf spätestens 1800 datiert. Zuvor dominierten andere Ausreden fürs Machtstreben, etwa von Gott legitimierte Kronansprüche oder Konfessionsunterschiede usw.

    Genau so alt wie die ideologisierten Machtansprüche sind die Einschränkungen von der Art: Mit den Franzosen/Juden/Katholiken in der Nachbarschaft komme ich eigentlich gut aus, aber was ihre Anführer verkünden, ist schlichtweg empörend! Natürlich hat nie das ganze Volk die offizielle Ideologie geschluckt, aber oft waren es zu viele. Auch viele Personen, die es nach Intelligenz und Zugang zu Informationen besser wissen müssten, lassen sich zu oft von der herrschenden Stimmung infizieren. Ganz zu schweigen von denen, die ihren Privat- oder Parteiinteressen nachgehen, sprichwörtlich ihr Süppchen kochen.

    Weit brisanter als Armut und Arbeitslosigkeit ist das Gefühl, von anderen Gruppen bedroht, in seinen Rechten eingeschränkt oder verspottet zu werden. Besagter "Wehrwolf"-Reflex steckt in unser aller Genen; ist er erst einmal geweckt, findet sich schon ein Feind und eine zugehörige Ideologie. Siehe etwa Jugoslawien oder Ruanda.

    Der vielgeehrte Papst Johannes Paul II, der perfekt Deutsch sprach und einen Deutschen zu seinem Nachfolger aufgebaut hat, verkündete einmal, Polen sei "der Christus unter den Nationen", d.h. von Gott auserwählt und unschuldig von bösen Nachbarn gegeißelt. Von dieser Art sind Kriegsmythen, wie die Polen sehr wohl wissen. Zum Glück geht es uns allen momentan gut, so dass es uns leicht fällt, Freunde zu sein. Hoffen wir, dass es so bleibt, und seien wir auf der Hut!

    Alexander

  8. #8
    Forum-Teilnehmer Avatar von asche
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    Standard AW: Historische Zoppoter Strand-Ansichtskarten

    P.S.: Das Schild ist natürlich ins Foto hineinkopiert worden: es ist viel kontrastreicher als in der Realität machbar, und der Mast wirft wie Dracula keinen Schlagschatten! Die Kriegspropaganda war ohnehin viel wirkungsvoller, wenn sie als Privatinitiative des Verlegers und seiner Käufer daherkam, quasi als "Graswurzelbewegung". Retuschierte Ansichtskarten waren damals nichts Ungewöhnliches; man durfte es auch merken, in der Tradition der gemalten Karten.

    Alexander

  9. #9
    Forum-Teilnehmer Avatar von Uwe
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    Standard AW: Historische Zoppoter Strand-Ansichtskarten

    Hallo Alexander,

    den Zusammenhang sehe ich anders. Kriege gab es schon, da kannte man das Wort oder die Bedeutung von Nationalismus nicht. Bei Krieg geht es oft um Macht- und Gebietsansprüche, der Nationalismus ist dabei nur die "Begründung" um die wahren Beweggründe zu verschweigen. Außerdem lassen sich Macht- und Gebietsansprüche weniger als Kriegsgrund bei der eigenen Bevölkerung "vermarkten" als die nationalistischen Gründe. "Gesunder" Nationalismus muss aus meiner Sicht nicht zwanghaft zum Krieg führen. Wobei die Grenzen schnell fließend werden können.

    Herzliche Grüße

    Uwe
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  10. #10
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Schönen guten Nachmittag,

    Nationalismus hin oder her: Die Ansichtskarten sind auf jeden Fall interessant und stellen zeitgenössische Dokumente dar.

    Hier nun eine weitere Ansichtskarte, die vor über 100 Jahren das Strandleben zeigte.

    Viele Grüße aus dem Werder
    Wolfgang
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  11. #11
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    Und noch eine über 100 Jahre alte Ansichtskarte
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