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Thema: Fritz Jaenicke alias "Poguttke"

  1. #1
    Forum-Teilnehmer Avatar von Rudi Bellon, + 24.08.2010
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    Standard Fritz Jaenicke alias "Poguttke"

    Fritz Jänicke,geboren 1885,war "Poguttke",ein Stadtbekanntes
    Danziger Original.Ursprünglich hatte Jänicke Architektur studiert,
    dann aber sein Studium abgebrochen und vom Zeichensaal in die
    Redaktionszimmer der "Danziger Neuesten Nachrichten" gewechselt.
    Er wurde als Kulturredakteur schnell in Danzig bekannt und wegen
    seiner humorvollen Feuilleton - Beiträge geschätzt.
    Unter dem Pseudonym "Poguttke",eines Maurerpoliers a.D.",
    veröffentlichte Jänicke mehr als drei Jahrzehnte an jedem Sonnabend
    eine Glosse über die wöchentlichen Stadtereignisse im Danziger
    Platt in den "Danziger Neuesten Nachrichten".Mal waren es kleine
    Gedichte,mal kunstvoll zugespitzte dramatische Szenen oder humorige
    Dialoge.Willi Drost schreibt über Poguttke:
    "Poguttke-Jänicke wurde mit seinen originellen,echt Danziger Rede-
    wendungen,unzählingen Anspielungen,dem niederdeutschen,
    gutmütigen Spott,der den aufgebauschten Welthändeln mißtrauisch
    abwartend und mit gesunder Nüchternheit gegenübertrat,zu einem
    lebendigen Inventarstück der alten Stadt selbst."
    Der Miniaturphilosph Fritz Jänicke starb im Juli 1945.
    Sein Grab liegt auf dem Olivaer Friedhof.

    ___________________
    Schöne Woche und Grüße
    [COLOR=#008000]von Rudi

  2. #2
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard Fritz Jänicke / Franz Poguttke

    Artikel in "Unser Danzig", Heft Nr.1 vom 05.01.1960, Seite 19:

    Wie Franz Poguttke entstand
    von Robert Sander

    Die „Danziger Neuesten Nachrichten“ wünschten 1908 einen lokalen Wochenplauderer, wie ihn damals verschiedene größere Zeitungen hatten. So war beim „Anzeiger“ in Hannover der Plauderer „Fritz von der Leine“ kein anderer als Hermann Löns. Die Lokalredaktion des „Anzeiger“ hatte allerdings manches auszubaden, was „Fritz“ angerührt hatte, denn er schrieb eine recht spitze Feder.

    Es galt, die Anregungen von Hannover für Danzig zu verwerten und die richtige Persönlichkeit zu finden. Damals hatte Fritz Jänicke einige Kunstberichte geliefert, die seine journalistische Begabunq erwiesen. Seine humorige Danzig-Art nahm für ihn ein, seine Karikaturen waren simplizissimuswürdig. Sein Architekturstudium gedachte er nicht weiterzuführen und hatte Pläne, die zwischen Innenarchitekt in Riga und München wechselten. Ihn für die „Neuesten“ zu gewinnen, schien lohnend, aber ob der junge Kunststudent der gesuchte Danziger Plauderer sei, war nicht ganz sicher. In einer Besprechunq im Ratskeller beim Chablis (weißer Burgunder), den der dicke Lokalredakteur Geißler (der 1914 fiel) so liebte, erfolgte die Entscheidung. Fritz Jänicke brachte schon einige Ideen mit, die wichtigste, die Danziger Persönlichkeit, den Plauderer. Als junger Student hatte Jänicke bei Procknow gemauert, der damals die Reichsbank am Hohen Tor aus dem Fundament hob. Dessen alter Maurerpolier war die Seele des Betriebes und mit seinen Danziger Aussprüchen eine Quelle des Vergnügens für seine Studenten, die er in den Semesterferien handwerklich schulte.

    Damit stand die Person des künftigen Danziger Plauderers fest, auch sein Dialekt, der zwischen platt- und hochdeutsch „messingsch“ sein musste, etwa wie der unsterbliche Onkel Bräsig. Nun sein Name. Der erforderte eine ganze Flasche Chablis. Eine Weile stand der Vorschlag „Franz von der Mottlau“ zur Debatte, auch „Paulchen, von der Krantor-Fähr“ wurde erwogen. Wer schließlich am einfachsten „Franz Poguttke“ brachte, ist heute nicht mehr zu sagen.

    Sehr wichtig wurde der Schauplatz der Wochengespräche. Den fand wieder Fritz Jänicke, der in der alten Schlossbrauerei nahe dem Fischmarkt ein Runde „alter Eichen“ kannte, die geradezu geschaffen für unseren Zweck schien. Wir setzten uns vom Ratskeller dorthin in Bewegung. Jänicke war den „Eichen“ nicht unbekannt, vermittelte die Bekanntschaft, und es wurde ein höchst vergnüglicher Abend.

    So waren Person und Rahmen unseres Plauderers gefunden, und Fritz Jänicke lieferte ihm das erste Gewand. Er hatte gleich das Richtige getroffen, den echten Danziger: gemütvoll, humorig, auch kritisch und deutlich. Wir waren entzückt. Ich brachte die erste Plauderei zu unserem Chef, dem Verleger Gustav Fuchs, erstattete Bericht und besprach die Absicht der Redaktion, jeden Sonnabend eine solche Plauderei herauszubringen, die sicher Anklang bei den Lesern fände. Gustav Fuchs las und war durchaus nicht gewonnen. Das hätten wir ja wissen müssen. Er war nämlich Schwabe, und der Sinn für Danziger Humor ging ihm ab. Doch darin beugte er sich unserer Ansicht. Nur sein Hauptbedenken war schwer zu überwinden, weil es auch uns nicht fremd geblieben war: Wird der junge Student Jänicke auch die Dauerlast solcher Wochenarbeit durchhalten? Wird unser Plauderer jeden Sonnabend an seinem Stammtisch sein? Das musste abgewartet werden. Die Bedenken von „Gustävele“, wie wir unseren gütigen Chef gerne nannten, konnten damit überwunden werden, dass ich erklärte, Manns genug zu sein, um Franz Poguttke, wenn es wirklich not täte, einen rührenden Nekrolog zu widmen.

    Die erste Poguttke-Plauderei erschien und wurde ein Erfolg. Bald war sie nicht mehr am Sonnabend fortzudenken und wurde mit Spannung erwartet. Jänicke war zunächst nur der Plauderer, der 50 Mark für jede Skizze erhielt, wurde dann aber bald fest in die Redaktion übernommen. Er hat das Wunder vollbracht, durch 45 Jahre jede Woche, nur durch Urlaub unterbrochen, zu seinen Danzigern als Maurerpolier Poguttke zu sprechen. Von seiner geistvollen Redaktionstätigkeit soll in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein, sie gehört der Danziger Pressegeschichte von 1908 bis 1945 an; seine Poguttkebücher waren Bestseller.

    Sein Danzig lag 1945 in Trümmern und Brandschutt. Mitte Juli stand er in meiner Siedlung am Flugplatz Langfuhr, die heil geblieben war, vor mir, ein vom Tode Gezeichneter an zwei Krücken. Er begehrte Bücher. Noch einmal sahen wir uns in dem kleinen Abegghäuschen unterhalb der Hochschule, das ihm und seiner Gattin Zuflucht geboten hatte. Als ich mich von ihm verabschieden wollte, da war er am 27. Juli, acht Tage vorher, jener Veränderung der Blutkörperchen erlegen, gegen die im verwüsteten Danzig die Medikamente fehlten. Ich stand an seinem Grabe auf dem nahen Friedhof, einem kleinen Hügel. Er ruht in Danziger Erde ohne Sarg, den seine Frau in dieser Notzeit nicht beschaffen konnte. Heute wird seine Ruhestätte von dankbaren Danzigern gepflegt.

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    Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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    Viele Grüße aus dem Werder
    Wolfgang
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  3. #3
    Administratorin Avatar von Beate
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    Standard

    Ist das eben jener Poguttke, von dem es auch Schallplatten gibt/gab? Ich glaube , zu Hause haben wir noch welche, aber sie sind von "Poguttke und Schaweiter?"


    Schöne Grüße Beate

  4. #4
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard

    Hallo Beate,

    ja, es ist dieser Poguttke. Schöpfer dieses Maurerpoliers im Ruhestand war jener Fritz Jänicke.
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  5. #5
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    Standard AW: Fritz Jaenicke alias "Poguttke"

    Schönen guten Morgen,

    vorgestern, Allerheiligen, war ich auch in Oliva auf dem Friedhof. Wie in den vergangenen Jahren war ich am Grab Fritz Jaennickes und stellte dort zwei Kerzen auf. Regina sagte mir gestern, auch sie sei am Grab Jaenickes gewesen und habe eine Kerze entzündet.

    Das Grab wirkt gepflegt, es kümmert sich jemand darum.
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  6. #6
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    Standard Erinnerungen an "Rentier Poguttke" (Fritz Jaenicke)

    Vor genau 60 Jahren, im November 1950, erschien in "Unser Danzig" folgender Artikel über Fritz Jaenicke:

    Einnerungen an "Rentier Poguttke"
    von Richard Bähre

    Jeder heimatvertriebene Danziger wird sich an die Persönlichkeit des begabten Journalisten und Heimatschriftstellers Fritz Jaenicke immer gerne zurückerinnern, der als lustiger Wochenplauderer und Karikaturist der einstmaligen "Danziger Neuesten Nachrichten" für jeden von uns ein Stück Alt-Danzig, ein Stück Heimat bedeutet. Fritz Jaenicke war der Sohn des Küsters von St. Marien. Seine Schulzeit verbrachte er im Johanneum. Nach einer mit vielen Jungenstreichen verlebten Schulzeit, von der er als reifer Mann oft in schwelgender Erinnerung lebendig zu erzählen wusste, wandte er sich vorübergehend dem Architekturstudium zu, das er allerdings abbrach, als er seine vielseitigen Gaben als Journalist und Zeitungsmann entdeckte.

    Für alle feingeistigen Dinge, vor allem für die Architektur, Malerei, Bildhauerkunst zeigte er tiefes Verständnis und rege Einfühlung. Darüber hinaus erwarb er sich bereits in jungen Jahren eine umfassende Kenntnis der in- und ausländischen Literatur, die er durch Reisen nach Italien, England, Frankreich und Amerika zu universaler Bildung zu vervollkommnen wusste.

    Wenn er auch keine akademischen Auszeichnungen besaß, so ging von seinem Geist und seinem Wesen eine vitale Kraft aus, die jeden mitriss, der ihn näher kennen lernte. Sein Arbeitszimmer im Rückgebäude der Zeitungsdruckerei in der Johannesgasse war von Bücherregalen angefüllt, die den viel lesenden Bücherfreund verrieten. Tag und Nacht sah man ihn über Manuskripte und Bucherscheinungen versunken. Starker Bohnenkaffee und eine gute Zigarre mussten den ständig mangelnden Schlaf überbrücken helfen.

    Ich selbst hatte das seltene Glück, diesen Prototyp eines Journalisten, der immer im Dienst war und mit der Zeitung lebte, als langjähriger Mitbewohner seines Hauses kennenzulernen. Sein Äußeres erinnerte an einen Engländer, dessen Sprache er übrigens meisterhaft beherrschte. So trug der blasse und hagere Danziger mit Vorliebe eine schwarzweiß karierte Breecheshose, Wickelgamaschen und dazu ein Sportsakko. Die kurze, ständig brennende Shag-Pfeife stand ihm trefflich zu Gesicht. Sein quicklebendiges, nervös-impulsives Temperament drückte sich in der Unterhaltung genau so aus, wie in seiner schriftstellerischen Arbeit.

    Jahrzehnte hindurch gab er den "Danziger Neuesten Nachrichten" seine originellen Beiträge als "Rentier Poguttke", gern gelesene Wochenplaudereien, die das Danziger Lokalkolorit in nicht nachzuahmender Weise ausstrahlten. Die Ostsee, die Dünenlandschaft, die Strandbäder, die Alt-Danziger Schnurren und Schwänke, das Milieu des Fischmarktes, der Mottlau und Radaune, sie zählen zu den schönsten Heimatbildern, die je ein Danziger von seiner Vaterstadt zu schreiben verstand.

    Die Kennzeichnung des Danziger Volkstumscharakters in der unsterblichen Person des Maurerpoliers a.D., womit er sich selbst glossierte, seiner "Ollschen" und seines Freundes "Schaweiter" ist mit philosophischer Lebensweisheit getroffen. In der genialen Art eines Wilhelm Busch zeichnete Fritz Jaenicke, schmiedete Verse und fing das Tagesgeschehen der berühmten Hansastadt im Osten als hellhöriger Reporter ein, auf Schritt und Tritt von seinem treuen Hund "Brummer" begleitet, der in seinen jetzt von Siegfried Rosenberg im Paul Georg-Hopfer-Verlag, Norden-0stfriesland, herausgegebenen "Stamtischgesprächen" ebenfalls verewigt wurde.

    Danzigs letzte Tage erlebte Fritz Jaenicke als schwerkranker Mann im Danziger Marienhospital. Zwischen Fieberträumen und Wachsein führte er ein Tagebuch, das seine im Westen lebende tapfere Frau herüberretten konnte. In diesen Aufzeichnungen gibt er in fragmentarischer Kürze eine packende Schilderung von den bangen Stunden der Erwartung bis zum Einmarsch der Russen und den folgenden dramatischen Zwischenfällen. Die Zerstörung seiner vielgeliebten Vaterstadt sowie die furchtbaren Schicksale seiner Landsleute töteten seine durch ein schweres Gallenleiden ohnehin geschwächte Lebenskraft.

    Im 60. Lebensjahr verschied Fritz Jaenicke am 27. Juli 1945. Sein Wunsch, in Danzigs Erde begraben zu sein, ging in Erfüllung. Den im Reich lebenden heimatvertriebenen Danzigern wird er als Heimatschriftsteller unvergesslich bleiben!

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    Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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