Übernommen aus Danzig-L
Beitrag von Georgine am 15. März 2006

W
Hochtour in den Danziger Schneealpen
Eine unvergessliche Wintererinnerung
Erschien am 12. Januar 1924.

Wänn ich mir heit väspeet'hab meine Härren, missen Se all entschuldjen, kann ich
nuscht nicht dafier. Ich hab mir wieder in das aas'je Danzjer Schneejebirje
väbiestert. Da dirf jätz keiner nich ohne Fiehrer rumirren. Kann ich Ihn' auch
en Dings von äzeehlen. Von wejen Hochjebirchstour inne Danzjer Schneealpen.

Also dänken Se sich an, hab mä jästern nachmittach dotmied'aufs Soffa
hinjehaut, weil ich mir aufem Dach mit die Schneemassen und Eiszappen so
abjemarrcht hätt, da kemmt Ihn' meine Olsche rein und machtmir'n Krach dass ich
blaß wurd!
Hab ich Dussel doch de Kirchensteier ganz väschusselt, was se mir nu all seit
dem Sommer jepredicht hat, und nu is ne Mahnung mit de Post jekommen, und da ham
se mir einjeschätzt, dass ich mir wie Stinnes vorkam, wie ich da so auf mein
Soffa lag und janz vädattert auf den Mahnbrief starrt und kein Wort nich sagen
kennt auf meine Olsche ihr Marreiß dänn se hätt ja recht!
Ändlich haut se ab und ballert de Tier zu, und ich lieg immer noch da und starr
jebrofen und reievoll auf dem mahnbrief und sag mir:"Natierlich Kirchensteier
muss bezahlt werden, aber wie soll ich das jätz...?

Wie ich so nu dalieg und mit zune Augen immer mehr nachgriebel, kemmt mä
aufeinmal ne großatje Idee:" der Dollarschatz im Schnee. Se hahm doch davon im
Blatt jelesen? Dem die beid Spitzbuben hoch im Schneejebirje inne Danzjer
Hauptstrass västäckt hahm?Ei, wänn ich dem suchen und finden mecht? Bei dem
Finderlohn, wo da zu äwarten steht!
Junge, Junge!
Schon steht mein Äntschluß fäst! Ich riskier das Abenteier.Wer waacht,
jewinnt!Soffort! Das is diräktemang ne Dänkwidrichkeit fier unser Staatsarchiv.
Wä waren drei:mein Freind Adolf, der einjebor'ne äfahrene Bärchfiehrer und ich.
Mit alles fier Hochalpenbetrieb ausjeristet: Nagelschuh, Eispickel, Seil,
Klätterschuh, Kompaß, Färnrohr, Rucksack, Proviant fier längere Zeit etezeh.-

Dumfes Brausen klang noch in die Dunkelheit aus de Tiefe der Mampeheehle, als
wir uns äntschlossen, bei Mondschein den Wech durch de Portschesenschlucht zu
nehmen.Trotz der Lawinenjefahr arbeiteten wir uns mutich weiter. Schon an der
Bittelhofklamm äblickten wir von fäern im milden Mondlicht unser Ziel: die
Kälte der Riesenjipfel ewijen Danzjer Eises!
Ändlich standen wir an ihrem Fuße, dem noch keine Zahnradbahn kitzlelt. Zu
unjeahnten Hehen
tirmten sich vor uns schwindelnd die riesjen Massen. Ein änglischer Lord , der
aus Indien vom Everest kam und da rauf wollt', is auf halbem Weje wieder
umjekehrt, wie unser Fiehrer äzeehlte. Er is nach Indien wieder zurickjereist,
um sich erst am Himalaja und Everest fier dieses Unternehmen nochmal
vorzubereiten.
"Ja" meint Adolf," ma dirf nich gleich so happich sein. Klein anfangen! Wänn wir
beid nich inne Schweiz und inne Dolomiten so alpinistisch treeniert weeren,
mecht wä dies auch nich
riskieren". Schweijend begann der Aufstiech. Bald war der lätzte hochragende
Schuposchako hinter einem jewaltigen Schneemassiv äntschwunden. Färnher klang
das Aveleiten des Ratstirmchen aus dem Tal unter uns.-
Wie lange wir härzklopfend durch die nächtliche Einsamkeit jeklommen, läßt sich
schwer sagen. Aufatmend rasteten wir auf dem Hochplath:"Ha",schrie Adolf," diese
Luft! Hier soll man en Heehensonne-Sanatorium bauen!"
"Nuscht zu machen", bemärkte der einjeborne Fiehrer im treihärzijen Dialäkte
seiner freistaatlichen Hochjebirchsheimat," dieser Platz is all fier das
Monumänt bestimmt, wo de internationale Liga fier Naturdenkmalschutz hier
ärichten will zum ewijen Andänken an die lange äfolchreiche Aehaltung dieser
jewaltigen Eis-und Schneejebirchsformatzjonen!"

"Bravo!" äntfuhr es uns wie aus einem Munde. Dänn wurden wir anjeselt. Steiler
war der Pfwa, de Luft zusehnds dinner, Schluckau und Sodbrännen, die
untrichlichen Anzeichen der Bärchkrankheit ställten sich ein, aber der
Adlerblick unseres Fiehreres zwang uns vorwärts, vorieber an schwindelnden
Schluchten und Abgrinden.-

"Wie es dänn mit de Vejetatzjonhier"? fraachte Adolf wissbejieriech den Fiehrer.
Dieser wies nach Norden, nach den dunklen Wänden des Järberäcks:" dort bliehen
im Tal noch Kreiterkeese und Dillgurken, auch Aebswurst jedeiht dort unten."Dann
wies er nach oben, wo wir ieber uns mit unserm Färnrohr eine Radiostazjon
bemärken. " Dort oben", so fuhr er fort,"ändet die Bananenzone."
"Ausjerechent Bananen?"fraachte Adolf ästaunt. "Ja äkleerte der Mann, " bis
dahin bloß is der neie Welthymnus"Ausjerechent Bananen" zu heeren, wo jätzja
ieberall jespielt, jesungen und jefoxtrottelt wird." Heeher nich? fraacht ich
."Nei"!väsichert er bestimmt."Gottseidank", murmelte ich,dänn woll wä bloß
machen, das wä da hinkommen!"

An einem steilen Abhang stand ein "Marter !",ärichtet fier einen dort
Väunglickten. Im trieben Mondlicht kennt' ich von die Inschrift bloß undeitlich
en Wort äntziffern so eehnlich wie "Faulwitz". "Wie is das Aentsätzliche
passiert?"fraachte Adolf leis den Fiehrer. "An derWätterklippe is er
danebenjetreten!" schluchtzte dieser. Das soll vorkommen"bemärkte Adolfmit
schauderndem Tiefsinn. Tief ägriffen äntbleeßten wir unsere Wanderflaschen und
weinten ein stille Treene auf dem Wohle des Bklagenswerten. Dumpf sprach dabei
Adolf."Er profezei in Frieden! Prost!Um uns auf andere Jedanken zu bringen,
wandte Adolf unser Inträssewieder der Naturwissenschaft zu, indem er unsern
Fiehrer eifrich nach der Tierwält dieser Eiswieste fraachte. Prompt belehrte uns
dieser:" Spickgans, Reicherflunder und leichtfiessige Sadällen horsten sälten in
diesen Schneeheehen. Auch das marinierte Neinauge lauert auf seine Opfer mehr
in den Heehlen des Tales. Vor längerer Zeit allerdings hat ein Forscher, wo sich
auf ne mehrtejijije abenteierreiche Hochthur befand, hier am Neijahrstach jejen
Abend wilde Rollmepse plötzlich wiederjesehn, die er schon am Morjen mal vor
Aujen jekriecht hätt, bis er sie los war.Aus älterer zeit, aus der
Silvästerperiode der hiesijen Erdoberflächenäntwicklung hat sich hier im Schnee
noch die wilde "Boa confetti"jefunden, allerdings einjefroren und
unjefeehrlich!"

Dies beruhichte mir, und ich stach den Brauning wieder wäch, dänn nu galt es
alle Haände frei zu hahm fier das lätzte und schwierichste Stick
unsererAexpeditzjon:die Aeklimmung des lätzten Zipfels .Aber wä schafftens bis
zum Morjen. Dänn aber kennt Adolf mit Schiller ausrufen;"Es is äreicht !"
En Anblick von ieberirdischer Pracht bot sich unsern entzindeten Augen. Die
aufjehende Sonne reetete die unämäßlichen Schneejipfel der Jebirchs-heehenzieje,
aus denen der Pik di Neptun und der Monte Mercur zur Linken, umjeben von
Schneejebirjen, vorkickten. Malerisch in ihrer
Farbenpracht ähoben sich dahinter die Riesenwände des Meyerundgel-Horn,
umdunstet von der feichten Morjenluft der Bai von Brabank. Unjehindert schweifte
der sehnsichtije Blick von der Privatbankwand zum Castello di Disconto, weiter
zur Bank von Dresden, zur Deitschen Bank, ja, bis zur Bank von Osteiropa, und
noch viel weiter, sogar bis zum Consulato di Mexico-, von Schweden, Deenemark
und Eestreich erst garnicht zu reden .Weit, weit hoch war deitlich zu lesen:"
"New York!"Ahhh!

Aegriffen von stummen Staunen stand wä da, bloß das Funkeln unserer
Schneebrillen väriet di inn're Aerejung. Pletzlich äntquoll mir en mark und
guldenäschitternder Freidenschrei, daß das Echo mang de unjeheire Eiswände
donnernd hin-undherjefeiert wurd: da lag der Dollarschatz im Schnee! Aufm
heechsten Zipfel!

Wie en Edelweißsucher ich darauf zu. Ne Ledermapp dick voll Dollars!Ich faß rein
und hab warraftich en HUndertdollarschein inne Hand! Mir schwindelt, es is zu
viel, alles dreht sich,ich greif ins Leere - ein Schrei!Schon glibber ich
iebern Abgrund. Und alles war vorbei. Ab saust ich mit mein Hundertdollarschein
in die Tiefe--

Wänn immer behaupt' wird, daß bei son furchtbaren Fall den Unglicklichen
Aeinnerungen aus de färnste Vägangenheit pletzlich wieder lebändich werden, so
kann ich jätz sagen : das stimmt! Ich hab es sälbst äfahren! Ich keent mir
neemlich blitzartich ganz jenau wieder an die längst dahijeschwund'ne Zeiten
äinnern, als Danzich frieher noch nich eis'je Hochjebirjskätten durchzogen.
Aber sälbst wänn de heechste Schneebärje kann ma nich stundenlangrunterfallen,
und-wrums!-rabatz!- so haut ich unten auf!
Da lag ich tief unten. Alles um mich rum duster. "Hilfe!2 schrie ich, Wo bin
ich? Hilfe!"
Da stand doch aufeinmal meine Olsche mit de Kichenlamp inne Hand vor mir. Ich
starr ihr von unten an und sag:"Treim ich oder wach ich?"
"Das is bei dir scher zu sagen" keft sie,"" wie ich dir damals hab jesacht, daß
du mußt zum Kirchensteierbüroh jehn, da hast du jedenfalls jetreimt!"
Ich lieg nu immernoch janz bedammelt neben's Soffa und sag:" Aber ich hatt doch
hier en Hundertdollarschein inne Hand!
"Du treimst all wieder, meint sie darauf, was du inne Hand hast, sind nich
hundert Dollar, sondern das is de Kirchensteiermahnung!"
Ja, das war en beeser Sturz aus de Heehe, Junge, Junge!....