Schoenen guten Nachmittag,

die Nachricht vom Ableben unseres Freundes Siegfried Weiss las ich erst kuerzlich. Tief betroffen erinnerte ich mich an unser letztes Zusammentreffen hier bei der Deutschen Minderheit in Danzig im letzten
oder vorletzten Jahr (die Zeit vergeht so rasend schnell, ich weiss wirklich nicht mehr wann es genau war).

Siegfried stellte sich als er 2002 zu unserem Forum stiess mit folgenden Worten vor:

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Ich grueße alle Danziger, alle DU-chen.
Wie empfohlen die persoenliche Vorstellung.
Name: Siegfried Weiß, wohne in Duisburg,frueher: Langfuhr,Eschenweg 9.
76 Jahre alt und Rentner. Mittelschule in Langfuhr "Am Heiligenbrunn
1c". In Heubude Luftwaffenhelfer, Arbeitsdienst in Bromberg und
Zempelburg,1944 Soldat.
1945 schwer verwundet. 1947 findet die Familie wieder zuammen. Vater
1945 noch in Danzig verstorben.
Betreibe ein bißchen Ahnenforschung.
Vater Hans Weiß war von 1920 bei der Schutzpolizei in Danzig-Langfuhr.
Mutter Johanna geb. Dopke war Putzmacherin im Geschaeft von Martha
Paul in Danzig. Alte Bilder noch in meinem Besitz.
Die Vorfahren der Fam. Weiß kommen alle aus Ostpreußen. Waltersmuehle
gehoert zur Pfarrei Heiligenthal bei Kobeln/Kiwitten, Kreis Heilsberg.
Es tauchen dort Patennamen wie Johann Woiwod (Schmied in
Neu-Elditten), Gertrud Brenigk (Baeuerin aus Elditten) und Josef Wolf
(Halbhufner aus Kiwitten) auf. Die Fam. Weiß ist dann Ende des 19
Jahrhunderts nach Danzig gezogen und wohnte "Am Jakobs-Tor 2".
Die Dopkes sind alte Danziger,Vater und Soehne arbeiteten auf der
Danziger Werft, waren Schlosser und Kesselschmied. Sie wohnten auch
"Am Jakobs-Tor 2." Es gibt noch Bilder. Es tauchen hier Namen wie
Scheel, Thun und Buddel auf.
Das Forum ist fuer mich noch die einzige Moeglichkeit mit Landsleuten
meines Jahrgangs in Verbindung zu treten; denn die Zeit ist fuer uns
bald abgelaufen, wir werden immer weniger.
Euer DU-chen, Siegfried Weiß
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Siegfried Weiss, der selber als DU-chen alle anderen DU-chen begruesste!

Letzte Woche - ich wusste noch nichts von seinem Ableben - war ich im Eschenweg. Sein Danziger Wohnhaus steht noch, daneben das Haus Nr.10 auf dem verblassend in grossen Lettern noch eine deutsche Inschrift zu lesen ist.

In seiner Vorstellung sagte Siegfried vor fuenf Jahren, "Das Forum ist fuer mich noch die einzige Moeglichkeit mit Landsleuten meines Jahrgangs in Verbindung zu treten; denn die Zeit ist fuer uns bald abgelaufen, wir werden immer weniger."

Ich freue mich -und wir alle koennen darauf stolz sein!-, dass wir Siegfrieds Hoffnung erfuellen konnten. Er hat viele von uns kennen gelernt, hat sie in Danzig getroffen, mit ihnen hier seinen Urlaub verbracht. Unser Forum hat dazu beigetragen, dass ihm seine alte Heimat wieder naeher kam.

Als letzten Gruss sende ich dem Heimgegangenen (s)ein Gedicht von Johannes Trojan:

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DU-chen

In der Großstadt durch die Menge
ging ich hin in dem Gedränge
jüngst auf einem eil'gen Gang,
als es in das Ohr mir klang:
"Hör mal, Du'chen!"
Wer so sprach, gleich nahm ich's wahr,
just vorüberging ein Paar,
Mann und Frau, an mir, zum Mann
sprach die Frau, die so begann:
"Hör mal, Du'chen!"

"Du'chen" - gleich füg ich's hinzu
ist Verkleinerung von "Du".
Also drückt man gern sich aus,
wo mir stand mein Vaterhaus,
oben an dem Ostseestrande,
dort in meinem Heimatlande,
wo der Menschen Sprache
so traulich klingt wie nirgendwo
sonst auf Gottes weiter Welt,
und mir drum so sehr gefällt.
Dorther müssen sein die zwei,
dacht' ich, die da geh'n vorbei

Augenblicklich vor mir stand
mein geliebtes Heimatland,
Korngefilde, Meer und Wald
und die Stadt, ehrwürdig alt,
alles hell im Sonnenlicht
und manch liebes Angesicht.
Alles dieses nahm ich wahr,
und als lange schon das Paar
im Gedränge sich verloren,
klang es noch mir in den Ohren:
"Hör mal, Du'chen!"
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Siegfried, ich verneige mich vor Dir in grossem Respekt. Du wirst in den Herzen derer, die Dich lieben, weiterleben. Und bei uns wirst Du unvergessen bleiben.

Wolfgang Naujocks