Ergebnis 1 bis 2 von 2

Thema: Reisebericht von Beate

  1. #1
    Moderatorin Avatar von Helga +, Ehrenmitglied
    Registriert seit
    10.02.2008
    Ort
    Ruhrgebiet
    Beiträge
    1,939

    Standard Reisebericht von Beate

    Übernommen aus Danzig-L
    Beitrag von Beate am 4.11.2007

    Guten Abend allen,

    unten in unserer Küche köchelt Bigos vor sich hin, am PC hab ich
    gerade unsere Danzig-und Umgebungsbilder angeschaut: welcher
    Zeitpunkt könnte besser sein zur Nachlese unserer Reise!
    Mein Reisebericht ist gedacht für diejenigen, die -so wie ich- noch
    nie vorher in Danzig waren, und deren Neugier durch Erzählungen von
    Eltern oder Großeltern sowie durch Schilderungen der Listenteilnehmer
    geweckt wurde.

    Wir-das sind mein Mann Michael und ich- hatten uns von Deutschland
    aus ein Auto gemietet (Dank an Ronald für den Tip!) und haben bei
    Dirk in Puck gewohnt (bestens!,danke Dirk) und von dort aus haben wir
    dann die ganze Umgebung besucht. Wir hatten ja nur 5 Tage, da war das
    die beste Möglichkeit.

    Am ersten Tag: Sonne pur, also erst mal Richtung Wanderdünen nach
    Leba.(ich bitte um Nachsicht:die Ortschaften, deren Namen ich von
    meinem Vater auf deutsch kenne, schreibe ich in deutsch, die
    restlichen in polnisch, so gut ich eben kann).Wir fahren die Küste
    entlang, ab und zu Abstecher in kleine, z.T.auch etwas verfallen
    wirkende Dörfchen-die Zeit scheint stehenzubleiben. Wir lassen uns
    Zeit- Eile, Ungeduld- hier ist das nicht nötig! In Leba werden wir jäh
    in die Wirklichkeit zurückgeholt: mitten in weißem Sand,zwischen
    Kiefern und Birken eine Ausstellung über Raketenversuche der
    Deutschen aus dem Krieg, ergänzt durch eine Austellung späterer
    polnischer Raketenversuche. Schon hat uns die Erde wieder!

    Der nächste Tag ist dann Zoppot gewidmet, dort hat mein Vater bis
    1943 gelebt, nach dem Abitur mußten ja alle in den Krieg, er hat
    Danzig nie wieder gesehen. Aber viel erzählt, darum suchen wir die
    Badestr. 4- und finden ein toll renoviertes schmuckes Haus von 1904
    vor(steht drauf). Wir machen sehr viele Aufnahmen für die
    Daheimgebliebenen, Mutti und Brüderchen haben ja leider einen
    Rückzieher gemacht, werden jetzt per Fotos informiert. Zoppot scheint
    nicht so stark zerstört worden zu sein, es gibt noch sehr viele alte
    Häuser, teils sehr schön erhalten. Der Bauboom macht auch vor Zoppot
    nicht halt: ein großer Hotelkomplex entsteht, eine Straßenunterfürung
    ebenfalls- dem Chaos entgeht man am besten per pedes. Es macht Spass
    alles zu erkunden, hier ist auch noch überall geöffnet,zuvor
    hattenwir schon viele verschlossene Buden am Strand gesehen, die
    Saison war wohl schon vorbei.(Anfang September). Seesteg, Südpark,
    Monte Cassino- alles quirlig, voller Leben, das ist schon ein
    Kontrastprogramm zum Tag zuvor.

    Heut ist Danzig angesagt. Nachdem ich tagszuvor festgestellt hatte,
    dass ich alle aufgeschriebenen Adressen, die ich in Danzig aufsuchen
    wollte zu Hause vergesen habe, wird es ein ganz normaler
    Besichtigungstag. "Normal": um alles Sehenswerte von Danzig zu
    erkunden braucht man mehr Zeit als wir hatten! Wenn nicht die Bilder
    von Danzigs Zerstörung da wären: kein Fremder würde glauben, dass
    Danzig je den Krieg erlebt hat. Was für eine großartige
    Leistung,dieser Wiederaufbau! Bei strahlendem Sonnenschein laufen wir
    durch die Straßen voller Menschen- Bernsteinstände wohin man schaut-
    (gibt es wirklich grünen Bernstein? Seit ich weiß, wie einfach man
    Bernstein nachmachen kann, lass ich die Finger davon.) wir landen
    später u.a.dann auch im Bernsteinmuseum. Museen gibt es genug, Zeit
    sie alle anzuschauen haben wir nicht.

    Die Marienkirche zieht uns
    an:es findet zwar gerade eine Trauung statt, aber wir bleiben
    trotzdem da,sind es doch fast auf den Tag genau 30 Jahre her dass wir
    selbst vor dem Altar standen... Weiter geht's. Wir wollen ja auch die
    Seitenstrassen sehen, nicht nur das Vorzeige-Danzig. Aber auch da ist
    rekonstruiert worden,wenn auch nicht so aufwendig. Da wir am Montag
    erst abends zurückfliegen, fahren wir morgens noch mal in die Stadt.
    Es regnet, daher geligt es,manche Sehenswürdigkeiten mal ohne
    Menschenmassen zu fotografieren, auch das Krantor wird von allen
    Seiten verewigt- auch von innen!(Sollte es aus irgendeinem Grund mal
    rekonstruiert werden müssen: Bildmaterial kann Michael zur Verfügung
    stellen...)

    Liebe Danzig-L-Leser, hier mach ich jetzt Schluß. Wir haben noch mehr
    Ausflüge gemacht: Marienburg, sind über die Weichsel "geschippert",
    haben noch Hel besucht,...Wenn ich noch länger schreibe, werde ich
    vermutlich disqualifiziert oder sonstwie zur Ordnung gerufen. Hab mit
    dem Schreiben extra so lange gewartet, dachte, dann wird es kürzer-
    aber die Eindrücke sind einfachda und es war so eine schöne Reise..
    Und am Flughafen in Danzig konnten wir dann auch noch Christa Unnasch
    kennenlernen -ganz lieben Gruß nach Australien- da Dirk so nett war
    und bis zu unserem Abflug gewartet hat.

    Das Einzige, was mir unendlich leid tut: ich kann meinem Vater nicht
    mehr erzählen, wie schön seine Heimat (wieder geworden) ist, wie gut
    es uns dort gefallen hat.

    Liebe Grüße Beate
    Viele Grüße
    Helga

    "Zwei Dinge sind unendlich, die menschliche Dummheit und das Universum, beim Universum bin ich mir aber noch nicht sicher!" (Albert Einstein)

  2. #2
    Administratorin Avatar von Beate
    Registriert seit
    11.02.2008
    Beiträge
    4,634

    Standard Danzigerinnerungen Teil 2 (von 2007)

    Es ist Sonntag, der Tag macht seinem Namen keine Ehre, es ist eher grau, freundliches mausgrau... Wir tappern erst mal zur „Villa Kunterbunt“, nach dem Frühstück werden wir weitersehen. Die miese Laune unserer Gegenüber, die wohl versäumt hatten, die Sonne mitzumieten, lässt uns aber schnell flüchten.
    Wir beschließen, die Gegend östlich von Danzig zu besuchen, die Marienburg zu besichtigen. Wir lassen uns Zeit und je weiter wir ins „Landinnere“ kommen, desto schöner wird das Wetter. Als wir die Marienburg erreichen, lacht die Sonne. Es ist ziemlich belebt, aber da eine deutsche Führung erst in ca. 3 Stunden stattfinden soll, schließen wir uns halt einer polnischen an. Auf geheimnisvolle Weise verlieren wir mit der Zeit unsere Teilnehmer und können so ganz selbständig die Burg durchwandern. Und fotografieren versteht sich, denn es lässt Michael gar nicht los, dass die Gebäude so hervorragend rekonstruiert wurden. Wir haben es ja tags zuvor in Danzig schon kennen gelernt, das polnische „Know how“ aber es lässt uns auch hier wieder staunen und bewundern. Und es ist schön, dass Altes so bewahrt wird.
    Nach zwei Stunden brauchen wir aber trotz aller Faszination mal ein Päuschen und im kleinen Cafe in der Burg gibt es auch nette Kleinigkeiten zu Essen. (Hab dort die leckersten Piroggen unseres Polenaufenthaltes gegessen- hat zufällig jemand ein Rezept dafür und könnte es einstellen? Sie waren gefüllt mit Käse und Kartoffeln....)
    Und weiter geht’s, wir haben ja längst noch nicht alles gesehen. Die nicht renovierte Kirche erstaunt mich, ich hatte geglaubt im katholischen Polen würden Kirchen einen Schwerpunkt darstellen, habe dann später gelesen, dass so der Grad der Zerstörung verdeutlicht wird... Vielleicht wird die Kirche ja später doch noch restauriert... Nach fast vier Stunden hat auch Michael alles gesehen, fotografiert und ist bereit noch ein wenig weiter zu fahren. Ich muss ehrlich sagen, dass ich sehr erleichtert bin: trotz aller Faszination, aller Bewunderung- die Burg hat auf mich beklemmend gewirkt, kalt und ein bisschen bedrohlich, ich kann es nicht erklären. Ob da wohl jemals gelacht wurde, Fröhlichkeit und Herzlichkeit geherrscht haben?

    Wir fahren dann Richtung Norden im strahlenden Sonnenschein, langsam fühle ich mich wieder wohler. Wir kommen an einzelnen kleinen Häusern vorbei, biegen auch wieder in kleine Dörfer ab und wieder wird die Zeit bedeutungslos. Wir grübeln: wovon leben die Menschen hier? Zum Teil sind die Häuschen stark verfallen, vielleicht unbewohnt, das lässt sich für uns nicht feststellen.
    Was uns noch sehr auffällt sind die Holzhäuser- keine Fachwerkhäuser, sondern entweder mit Holz verkleidete (?) Häuser oder ganze Vorbauten auf Holzsäulen oder Balkons auf Holzsäulen. Wir haben solche Architektur vor ca. 30 Jahren mal in Tiflis gesehen- ist das vielleicht russischer Einfluss? (Oder deutscher in Tiflis- kann ja auch sein, nicht?) .
    Von Steegen aus geht es weiter Richtung Jantar (weiß keinen deutschen Namen), leider sind überall schon die Buden am Strand zu- die Saison scheint vorbei zu sein. Wir setzen mit einer Fähre über die Weichsel- Urlaub total! Wir schaukeln auf der Fähre, die Wolken kommen auf uns zu – stundenlang könnt’ ich so weiterfahren, den Himmel beobachten.... Ärgerlicherweise ist die Weichsel zu schmal- Ende der Träume!
    Wir fahren dann weiter nach Danzig, Zoppot (suchen mal wieder! den Minigolfplatz- um es vorwegzunehmen: am Montag haben wir ihn doch noch gefunden und ein nettes Plauderstündchen dort verbracht. Schöne Grüße!!!). Nun, ich reagiere wieder mal nicht schnell genug mit der Aufforderung zum Abbiegen, also beschließen wir noch nach Hel zu fahren, mal schauen, was es dort zu sehen gibt. Hm, nicht soo viel: im Sommer ist dort sicher alles heillos überlaufen, jetzt macht es einen etwas trostlosen Eindruck: geschlossene Buden, die Campingplätze sind jedoch noch geöffnet, man hat aber das Gefühl als bereite sich alles auf den Winterschlaf vor. Wir machen noch ein paar schöne Landschaftsaufnahmen von der Halbinsel sind uns aber dann einig, dass wir für heute genug besichtigt haben. Also zurück „nach Hause“ nach Puck. Dirks Küchenteam ist ausgezeichnet, man sollte das Abendessen nicht versäumen. Der Abend wird dann doch noch ein bissl länger....also „Danziger Goldwasser“ schmeckt schon recht lecker.....
    Am nächsten Morgen wandern wir nach dem Frühstück erst noch mal durch Puck, müssen ja Abschied nehmen.... Von Dirk brauchen wir uns noch nicht zu verabschieden, wir werden uns ja am Abend noch am Flughafen sehen: er holt Christa ab während wir auf unseren Flieger warten.

    Es war eine wunderschöne Reise und auch nach fast einem Jahr sind die Eindrücke noch nicht verblasst, fast noch zum Greifen nah. Ich habe jetzt verstanden, warum es meinen Vater im Urlaub immer an die See zog und nie in die Berge: es war seine Art der Erinnerung an sein Zuhause.
    ..wirklich? Taktgefühl ist nicht nur ein Begriff in der Musikwelt?

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •