Aus "Unser Danzig", Ausgabe Nr. 3 vom 05. Februar 1963, Seite 10

Segelschlittenfahrt auf dem Frischen Haff
von Günther Rehaag

Damals war ich zehn Jahre alt.Wir wohnten in Stutthof, unser Grundstück grenzte an die Königsberger Weichsel. Es war im Januar, die Weichsel dicht zugefroren. Wenn wir Jungen von der Schule heimkamen, wurde zu Mittag gegessen und hierauf schnell zum Schlittschuhlaufen. Dann ging es los: "Wer fürchtet sich vor dem schwarzen Mann?" - "Niemand!" - "Dann kann er kommen." Bei diesem Spiel wurde jeder rasch warm. Hin und wieder gab es in der Hitze des Spieles Zusammenstöße, und plötzlich lag man auf dem Eis. Mit Beulen und anderen schmerzhaften Stellen ging es trotzdem weiter.

An einem Sonnabend war ich auch wieder zum Schlittschuhlaufen gegangen. Ich lief durch die Brücke bis zur Ziegelei und wieder zurück. Von weitem sah ich, dass Hans, der Sohn vom Dampferbesitzer "Friede", am Segelschlitten war. Er zog gerade die Fock hoch. Schnell war ich bei ihm: "Guten Tag, Hans, wo soll denn die Schlittenfahrt hingehen?" - "Weißt du, Günther, jetzt ist gerade prima Wind, ich will mal aufs Haff hinausfahren. Hast du Lust mitzukommen?" - "Klar, Hans, ich komme mit, bringe bloß noch meine Schlittschuhe weg und sage meiner Mutter Bescheid." - "Gut, Günther, wenn du zurückkommst, werde ich den Schlitten startklar haben." In fünf Minuten war ich wieder zurück. Hans war gerade fertig geworden. "So, Günther, nun kann es losgehen."

Hans brachte die Steuerkufe in Fahrtrichtung, wir schoben den Schlitten an, bis er etwas Fahrt bekam, und sprangen beide hinein. Die Segel lagen prall im Wind, unsere Geschwindigkeit erhöhte sich. "Heute werden wir bei diesem Wind schnell auf dem Haff sein", rief ich Hans zu. "Das glaube ich auch, aber auf dem Haff muss erst ein Lüftchen Wind stehen. Hoffentlich brauchen wir nicht zu reffen."

Ich legte mich lang hin, damit ich etwas vor dem Zugwind geschützt war. Hans steuerte. Die Weichseldämme glitten an uns vorbei. Wir begegneten Kindern, die vom Damm rodelten. Schlittschuhläufer versuchten mit uns mitzuhalten, was ihnen natürlich nicht gelang. Hans und ich lachten sie dann aus. "Günther, dort ist ja schon Norden-Haken, nun haben wir es ja bald geschafft!" Schnell näherten wir uns Norden-Haken und segelten aufs Haff hinaus. "Donnerwetter", rief Hans, "hier ist ja ein doller Wind!"

Der Schlitten jagte über die weite Fläche des Haffes, dass die Eissplitter flogen. Die Segel und die Spannseile knarrten. Wenn die Kufen über Eishumpel glitten, krachte es. Das Ufer hatten wir weit hinter uns gelassen. In der Ferne schimmerte die Nehrung. Weite, weite Eisfläche, nur der Wind und das Rauschen und Knarren des Schlittens.

Wir erblickten einen Segelschlitten, wahrscheinlich ein Fischer von der Nehrung. Den hatten wir bald hinter uns gelassen, denn unser Schlitten war auf Schnelligkeit getrimmt, und Hans verstand schon was vom Segeln. Er hatte es von seinem Vater gelernt, dem ,der Segelschlitten auch gehörte. Mittlerweile wurde es Zeit umzukehren. Hans steuerte den Schlitten aus dem Wind, und wir trampelten uns auf dem Eis zuerst einmal warm.

Während der Heimfahrt ließ der Wind nach, es dunkelte schon, als wir in Stutthof ankamen. Mit klammern Fingern half ich Hans die Segel bergen. Er stellte die Steuerkufe quer, schraubte die Pinne ab und sicherte so den Segelschlitten.

Ein erlebnisreicher Tag war für mich zu Ende, und mit einem Dankeschön verabschiedete ich mich.


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