Aus "Unser Danzig", Nr. 06 vom Juni 1998, Seiten 15-17

Hüttenorte im Danziger Land
(Aus: Weichselland Mitteilungen des Westpreußischen Geschichtsvereins, Januar 1938)
von John Muhl

Im Südwesten der Danziger Höhe liegt eine Anzahl Dörfer, die kurz Hüttenorte genannt werden. Sie sind im 17. und 18. Jahrhundert aus Glashütten sowie aus den Wohnstätten von Holzköhlern, von Teer-, Kalk- und Pottaschebrennern entstanden. Dass es schon in früheren Jahrhunderten tatsächlich solche industriellen Anlagen auf der Danziger Höhe gegeben hat, beweist eine ganze Reihe uns erhaltener Urkunden.

Als im November 1395 der Hochmeister des deutschen Ritterordens dem Kloster in Karthaus das Dorf Groß Bölkau schenkt, da gehören zu dieser Schenkung auch fünf Hufen, "die Colbude" genannt. Der Name ist nicht anders zu deuten, als dass das Land nach der dort entstandenen Wohnbude eines Köhlers bezeichnet worden ist. Im nächsten Jahre überließ das Kloster vier Hufen den Bauern Groß Bölkaus; eine Hufe behielt es zurück, offenbar deshalb, weil diese bereits an einen Köhler vergeben war. Am 19. November 1418 verlieh der Hochmeister Michael Küchmeister 20 Hufen in der alten Glashütte am Mariensee. Dort bestand also oder hatte schon lange Zeit eine Glashütte bestanden. Und im nächsten Jahre - 1419 - erhielt der Danziger Bürgermeister Gert v. d. Becke das Dorf Glasberg und die dabei gelegene Glashütte, "die man nennet zu Meisterswalde". Damals bestand also zwischen Glasberg und Meisterswalde gelegen eine Glashütte, und ebenso ist es wohl nicht zweifelhaft, dass das Dorf Glasberg aus ehemaligen Glashütten entstanden ist oder aber die dort liegenden Glashütten den Sand zum Glasbrennen von jenem Berg bezogen haben. Im Jahre 1428 kaufte das St. Elisabeth-Hospital in Danzig von Nickel Hasse und seinen Kindern das Gut Lappin. Zu dem Gute gehörten und wurden ausdrücklich miterworben die Glashütte und eine Colbude. Also auch hier unmittelbar an der Grenze des Kreises Danziger Höhe und unweit der dem Kloster Karthaus 1395 verliehenen Colbude gab es derartige Anlagen. Ebenfalls in Lappin bestand im Jahre 1546 ein Kalkofen und 1597 und 1638, ja noch 1752 und 1763 wird das Kohlenbrennen im Lappiner Walde, den das St. Elisabeth-Hospital im Jahre 1449 hinzugekauft hatte, bezeugt. Zu solchen Orten, deren Namen mit "Hütte" zusammengesetzt sind und die schon dadurch ausdrücklich auf ihre Entstehung hinweisen, gehören Schwarzhütte, früher Czarnahuta, Barenhütte, Trockenhütte, früher Suchahuta, Strauchhütte und Scharshütte, ebenfalls entstanden aus Czarnahuta im heuten Kreise Danziger Höhe. Eine ganze Reihe weiterer solcher Orte liegt in den angrenzenden Kreisen Berent und Karthaus, zu denen auch die hier besprochenen Dörfer vor der Bildung der Freien Stadt gehört haben. Da finden wir Jaschhütte, Stoffershütte, Starkhütte, Eggertshütte, Englershütte, Fuchshütte, Chielshütte, Fußpeterhütte und andere. Sietzenhütte ist 1758 ausdrücklich zur Anlegung einer Glashütte an Gottlieb Sietz vergeben worden, ebenso 1752 Fingershütte zu demselben Zweck an Christian Finger. Alle diese Dörfer sind in den großen Wäldern der Starosteien Schöneck und Berent gegründet worden.

Eine Anzahl weiterer Hüttendörfer im Gebiet der Freien Stadt Danzig ist aus Hütten entstanden, die auf adligen Gütern in dortiger Gegend angelegt wurden. Solche Orte sind Althütte bei Paglau, Althütte bei Klanau, Oberhütte, früher Fischerhütte und Niederhütte bei Sommerkau, weiter Michaelshütte, Jacobshütte, Maidanen, auf deutsch Hütte, Hüttenfeld und so mehr, alle ebenfalls im Südwesten des Kreises Danziger Höhe gelegen, auf den Herrschaften Schaplitz, Mariensee und Paglau begründet. Nicht weit von der südwestlichen Grenze des Kreises Danziger Höhe finden wir einige Ortsnamen, wie wir sie im Frei Stadtgebiet selbst nicht haben, die aber auf dieselbe Entstehung deutlich hinweisen. Das sind Ofen, Kamerauofen, Szarnozinofen und so mehr. Eine große Anzahl solcher mit Ofen zusammen hängenden Ortschaften finden wir z.B. in den ungeheuren Waldgebieten Ostpreußens im Räume Allenstein - Neidenburg - Ortelsburg und in der Johannisburger Heide. Meist hat sich aus der außerhalb des Hauptdorfes gelegenen Hütte oder dem Ofen dann ein neues Dorf gebildet, so z. B. in unserer Gegend: Kamerau und Kamerauofen, Czarnozin und Czarnozinofen und in Ostpreußen: Balden und Baldenofen, Omulef und Omulefofen, Lansk und Lanskerofen im Kreise Neidenburg, Kruttinnen und Kruttinnerofen bei Rudszanny im Kreise Gensburg, weiter Dembenofen, Schwarzenofen, Kreuzofen im Kreise Johannisburg. Einige wenige Hüttendörfer auf der Danziger Höhe haben ihre Namen nach der örtlichen Lage des Teerofens oder der Köhlerhütte und ihrer "Rodungen" erhalten. Dazu möchte ich Tiefenthal, Neuendorf, Ochsenkopf, richtig Espenkopf von Osa, polnisch gleich Espe, Grenzacker mit Lichtstedt (Lichtung, Rodung), Ellerbruch zählen. Hinzukommen schließlich Nieder- und Oberhölle, deren Name vielleicht auf die Glut der Ofen und Feuerstellen jener Anlagen hinweist. Der Ort Pechbude bei Seeresen im Kreise Karthaus ist zweifellos auch aus einer "Teerbude", einem "Teerofen" hervorgegangen. Und in Ostpreußen gibt es ebenfalls eine Reihe von "Buden", z. B. Rotebude in der Rotebuder Forst bei Lyck.

Wann sind nun diese Hüttendörfer und Siedlungen, soweit sie im Gebiet der Freien Stadt Danzig liegen, entstanden? In den Zinsregistern des deutschen Ritterordens aus den Jahren 1400 und 1419 und 1437 ist noch keins dieser Dörfer genannt. In den Kriegszeiten des 15. Jahrhunderts sind sicherlich nicht irgendwelche Dörfer im Anschluss an solche Ofen- und Hüttenanlagen erbaut und wenn wirklich, dann sicher wieder bald zerstört worden. Im Contributionsregister von 1570 findet auch keins der hier in Frage kommenden Dörfer Erwähnung, ebensowenig bei den Kirchenvisitationen des 16. Jahrhunderts. Noch bei Grenzfestlegungen zwischen den Herrschaften Mariensee, Schaplitz und den Starosteien Schöneck und Berent in den Jahren 1622, 1624 und 1631 heißt es "actum in silva", wurden die Verhandlungen also im Walde geführt. Der ganze Südwesten der Danziger Höhe war damals noch mit Wald bedeckt und stellte eben das Gebiet dar, in dem große Stücke zur Nutzung durch die oben bezeichneten Anlagen vergeben wurden. Aber schon im Jahre 1633 werden Fischerhütte - heute Oberhütte und Niederhütte als Teile von Niedersommerkau erwähnt. Im Jahre 1682 wird bei einer Kirchenvisitation erstmalig und allgemein von den "Hütten" gesprochen. Da heißt es: "huty wazystkie = alle Hütten“, und es werden aufgezählt ein Krug, 45 zinsende Hüttner und 3 Gärtner. Namen hatten damals also noch die wenigsten dieser 45 Hütten. Die haben sich erst allmählich entwickelt; meist wohl erst im 18. Jahrhundert. Im selben Jahre - 1682 - ist das außerhalb der Danziger Grenzen gelegene Fuchshütte, namentlich also, erwähnt und 1685 der Ort Schwarzhütte bei Strippau zur Schönecker Starostei, heute zu Danzig gehörig. Um 1690 ist polnisch Ochsenkopf als Besitz des Klosters Karthaus, d. h. das Vorhandensein des Ortes nachzuweisen. Ob der Ort schon den Namen hatte, ist zweifelhaft. Erst im Jahre 1749 ist bei einer Kirchenvisitation "pieclo dolne = Niederhölle" erwähnt. Im Jahre 1691 erhielt der Danziger Bürger Johann Jakob Schwenk von den Jesuiten, als Besitzer der Herrschaft Schaplitz, ein Stück Wald am Niedersommerkauer See nach Mariensee und Pomlau zu, urbar zu machen, Glas zu brennen, Glasöfen und Hütten anzulegen, ebenso zum Aschbrennen, gegen 600 Gulden jährlichen Zins. Für die Hüttner sollte kein Religionszwang bestehen.

Man wird diese Vergebung nicht nur als ein Muster solcher Verträge, die die Anlage von Glasöfen, Kohlenmeilern und Aschbrennereien zum Gegenstande hatte, ansehen können, sondern man ersieht zugleich aus ihr, dass der Erbpächter und Erwerber solchen urbar zu machenden Waldlandes seinerseits Teilstücke weiter an Unterpächter abtrat, so dass eine ganze Reihe von den genannten Anlagen entstand und die Dorfbildung schließlich sich von selbst ergab. Die Jesuiten in Schaplitz hatten - ohne Rücksicht auf das Religionsbekenntnis - auf diese Weise siedelnd, bis 1749 eine ganze Reihe neuer Dörfer gegründet, so Babenthal, Maidanen, Marschau u.a. Ebenfalls haben seit etwa Mitte des 17. Jahrhunderts die Starosteien Berent und Schöneck, die Klöster und die adligen Gutsbesitzer geradezu gewetteifert in der Heranziehung deutscher Kolonisten, die meist evangelischen Glaubens waren. Die Siedler wurden angesetzt, "um den Wald zu roden, Holzkohlen zu brennen, Pottasche zu sieden, Teer zu schwelen, Glas zu brennen“. Sie durften Vieh halten und erhielten z.B. in den Starosteien freie Weide in den Wäldern ohne Rücksicht auf die zu fürchtende Verwüstung derselben. Auch die Stadt Danzig hat es in ihren ausgedehnten "höheschen Wäldern“ nicht anders gemacht. Schon vor und um 1700 hatte der Rat der Stadt oft genug die Erlaubnis gegeben, dass an den Grenzen der Wartscher, Mallentiner und Prausterkruger Wälder "Öfen und Buden zur Aschschmelzerei“ angelegt wurden, obwohl die Befürchtung bestand, dass die Wälder erheblich geschädigt und diese Aschbrenner nicht nur gekauftes Holz verbrennen würden. Im Jahre 1734 ergab dann auch eine Bestandserhebung in den Wäldern, dass diese überall reichlich Spuren von Aschbrennern und Köhlern aufwiesen. Besonders schlimm war es im Mallentiner Wald und im Prausterkruger Wald nach der Paglauer Grenze zu. Schließlich führten im Jahre 1753 "die heillosen Zustände in den höheschen Wäldern“, hervorgerufen durch die Kohlen-, Asch- und Teerbrenner und Okraskocher dazu, dass die verwüsteten Waldstriche vom Rate der Stadt mit Bauern besiedelt wurden, da eine Wiederherstellung des Waldes nicht möglich schien. So entstanden auf dem ehemals städtischen Territorium an Stelle der Kohlenmeiler und Asch- und Teerofen die Dörfer und Gehöfte Braunsdorf, Hauung, Lehmberg, Rotfließ, Seeberg, Dominken, Krönken, Fuchsberg, Barenberg u.a. Aber noch in viel jüngerer Zeit, nach der Preußischen Besetzung - 1782 - wird dem Rat der Stadt darüber geklagt, dass sich in den städtischen Wäldern die überaus schädliche Pottaschbrennerei und Okraskocherei (Pottasche zur Seifenfabrikation, Okras-Lauge zur Pottaschbereitung) mit gestohlenem Holz wieder breitmache. Als letzte Siedlung im Danziger Gebiet dürfte Lichtstedt zum Dorfe Grenzacker gehörig durch Rodung des Waldes entstanden sein. "Diese Pustkowie ist im Jahre 1770 durch Rodung etabliert worden“, und zwar von Johann Looth mit 91 Morgen magdeburgisch. Bei der preußischen Landeskatasteraufnahme im Jahre 1772 sind alle "Hüttendörfer", die heute zum Kreise Danziger Höhe gehören und ebenso alle, die an seinen Grenzen in Polen liegen, vorhanden und auch alle namentlich aufgeführt.

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