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Thema: [Zuckau]Eine Sage aus dem Nonnenkloster Zuckau

  1. #1
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard [Zuckau]Eine Sage aus dem Nonnenkloster Zuckau

    Aus "Unser Danzig", Nr. 08 vom August 1998, Seiten 32-33

    Eine Sage aus dem Nonnenkloster Zuckau
    (Entnommen: "Danziger Sagenbuch für Schule und Haus", Danziger Verlagsgesellschaft m.b.H., Danzig 1923)
    von Otto Müller

    Durch eine Talfurche des Baltischen Landrückens fließt zwischen verträumten Erlenufern die flinke, silberwellige Radaune dahin. Geschlechter und aber Geschlechter sah sie an ihren Wassern entstehen und vergehen, sah ihr Leben und Treiben, ihre jetzt längst sagenverschleierte Geschichte, sah ihre gewaltigen Götter durch die wilden Wälder schreiten, sah sie hinsinken in Nichts: Nur sie blieb dieselbe, die flinke, ewig junge, silberfüßige Radaune.

    Wie staunten ihre grünäugigen Wellennixen, die den anwohnenden heidnischen Jägern, Fischern und Ackersleuten gutgesinnte Göttinnen waren, als sich eines Tages landfremde Leute in den lauschigen Winkel eines Radauneknies niederließen. Sie waren just mit den letzten Zugvögeln gekommen, denen die Frühlingsgöttin den Heimweg gewiesen hatte.

    Wo die Zuck-Au sich zur Radaune niederbeugt, da begann nun ein emsiger Fleiß

    der Fremden. Hier rodeten und gruben sie, buken aus gelbem Lehm rote Steine, hämmerten und zimmerten, klebten und bauten.

    Und als in der Sonnenwendnacht auf den Bergen des Baltischen Landrückens bis hinunter zum blauen Meer und bis zu der alten Gothenschanze an der Mündung der Weichsel die mächtigen Kienholzscheite ihre Feuergarben als Dankopfer zum dämmerlichten Mitternachtshimmel empor prasselten, da ragten schon die trutzigen Mauern des Zuckauer Klosters empor. Auf einer Anhöhe stand es. Am Fuße desselben bis hinunter zur Radaune lagen ein paar einfache rohe Lehmhütten, Wohnstätten von heidnischen Eingesessenen. Geduckt und demütig schauten die Hütten empor zu den Türmen mit den Kreuzen, die einen neuen Gott verkündeten. Die Heiden aber sahen mit finsteren Augen und ihre Priester mit geballten Fäusten auf die fremden Gestalten, die in langen, gurtumschlungenen Gewändern betend einherschritten. Aber sie wagten nicht, ihnen auch nur ein Härchen zu krümmen, denn der mächtige Herzog von Pommerellen hatte den Fremden Freiland und Gastrecht in den grünen Erlenstab geschnitzt, auch gingen seine Sendboten in dem Kloster ein und aus; zudem gab es unter den heidnischen Pommerellen schon ein kleines Häuflein, das andächtigen Herzens zu dem neuen Gott die Hände faltend hob. Manch einer, der noch im vergangenen Lenz am grünen Donars-Tag die ersten würzigen Kräuter geopfert hatte, machte jetzt schon allabendlich inbrünstig sein Kreuzzeichen; waren doch schon Jahre vor dem Klosterbau Bekehrungsmönche über die stillen Berge des Landrückens von Dorfschaft zu Dorfschaft gezogen, und der ausgestreute Gottessamen war, wenn auch sehr spärlich, aufgegangen.

    Als der letzte Stein gefügt, das Kloster wohnlich eingerichtet war, zogen dort zwölf fromme Jungfrauen ein, die dem Heiland in stiller Abgeschiedenheit und Entsagung hier in der Wildnis unter dem Schutze einiger Mönche dienen wollten.

    An einem späten Abend klopfte es an die Klosterpforte. Draußen tobte ein wildes Wetter. Die heidnischen Kobolde trieben ihr Unwesen in dem wilden Walde; sie warfen riesige Bäume um, brachten Bergwände ins Rutschen, ließen Regen niederprasseln, um neue Flüsse und Seen zu schaffen.

    Ein junger Heide begehrte Einlass und Unterkunft für die Zeit des Unwetters. Von seinem Schurzfell triefte der Regen, und das Haar rahmte in wirren Strähnen das Gesicht ein. Am Herde hieß man ihn niedersitzen. Mächtige Holzscheite wurden aufgeworfen, so dass es drinnen bald behaglich warm ward.

    Da trat die jüngste Klosterjungfrau über die Schwelle der Herdstätte, um ihm ein Stück spießgeschmortes Wildbret, ein Gerstenbrot und aus großer Kanne einen Trunk aus Honig und Gerstensaft zu reichen, wie ihr die Priorin befohlen hatte. Der junge Heide sprang auf, stand wie angewurzelt, als wäre ihm draußen im Tann eine Waldelfe begegnet. Wenig aß er von dem wohlschmeckenden Mahl, aber seine Augen hingen noch lange an der Tür, durch welche die Klosterjungfrau sich wieder entfernt hatte. - Das Unwetter verzog sich, und die Pförtnerin führte ihn wieder hinaus.

    Einen ganzen Herbst kam der Heidenjüngling und bot sein erlegtes Wild an. Niemals aber sah er sie, der doch seine Klostergänge galten. Einmal wagte er, nach ihr zu fragen: Da schlossen sich ihm die Pforten des Klosters für immer. Als alles Pochen vergeblich war, brauste das Blut wild in ihm auf. Wer wagte ihm, wie einem Unfreien, die Tore zu sperren? War er doch ein freier Mann, der Jagd- und Fangrecht hatte!

    Da brachte eine Nacht den Vollmond. Die freien Heiden tagten am Mal stein nach Altväterart. Mit beredter Zunge, der Hass beflügelte seine Worte, wusste er die Blutsbrüder gegen die Klosterinsassen aufzuwiegeln. In der folgenden Nacht griff man zur Streitaxt und zum Schwert. Das Kloster wurde zerstört, die Nonnen niedergemetzelt, bis auf eine, ein zartes, junges Blut. Die nahm der junge Heide auf sein weißes Pferd und jagte mit ihr durch den mondbeschienenen Wald auf Kreuz- und Querwegen unbekanntem Ziele zu.

    Der mächtige Schutzherr des Klosters schwor den Heiden Rache. Mit Feuer und Schwert drang er in ihre dunklen Wälder. Aber die Klosterjungfrau hat niemand wiedergesehen. Den elf ermordeten Nonnen ließ der Herzog eine Gedächtniskapelle bauen. Dort liegen sie begraben.

    Wenn der Vollmond sein fahles Licht in die dunklen Wälder Zuckaus wirft, dann entsteigen die Nonnen dem Grabe, dann sieht man auf verschwiegenen Waldpfaden elf Gestalten in langen weißen Gewändern. Sie suchen die zwölfte entführte Klosterschwester.

    Wer herbsttags früh aufsteht und durch den Wald geht, sieht auf Gräsern und Blumen, auf Sträuchern und Bäumen viel tausend Tränen, welche die Klosterjungfrauen der Entführten in der Nacht nachgeweint haben.

    Sonntagskinder nun gar, die im Zuckauer Kloster in der Gedächtniskapelle zum heiligen Johann von Nepomuk mit gläubigem Herzen ein Vaterunser für irrende Seelen zu beten wissen, treffen wohl zur Mitternachtsstunde elf schwebende Gestalten, die lautlos wie Nebelfetzen durch die Waldgründe huschen.

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    Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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  2. #2
    Forum-Teilnehmer Avatar von K.Pettke
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    Standard AW: [Zuckau]Eine Sage aus dem Nonnenkloster Zuckau

    Schöne Sage.... Wie komme ich an die Ausgabe dieser Zeitschrift??

    Liebe Grüße vonn Schlei
    Katrin

  3. #3
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard AW: [Zuckau]Eine Sage aus dem Nonnenkloster Zuckau

    Hallo Katrin,

    für die Zukunft ist geplant, dass der "Bund der Danziger" die von mir eingescannten Ausgaben von "Unser Danzig" online zur Verfügung stellen wird (möglicherweise gegen einen geringen Obulus).

    Du kannst versuchen, die gewünschte Ausgabe antiquarisch zu erwerben. Ich werde Dir aber auch die zwei Seiten per Email zukommen lassen.

    Viele Grüße aus dem Werder
    Wolfgang
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  4. #4
    Forum-Teilnehmer Avatar von K.Pettke
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    Standard AW: [Zuckau]Eine Sage aus dem Nonnenkloster Zuckau

    Lieber Wolfgang,

    das Einscannen fände ich prima...Für solche Sachen bezahlt man dann doch eigentlich gern.

    Ich würde mich freuen, wenn Du mir die Seiten per Mail senden würdest....ich versuche die Ausgabe im Antiquariat zu bekommen. Vielleicht habe ich ja Glück.

    Wünsche Dir schon einmal einen guten Rutsch ins Jahr 2013

    Liebe Grüße vonne Schlei
    Katrin

  5. #5
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    Standard AW: [Zuckau]Eine Sage aus dem Nonnenkloster Zuckau

    Ich begrüße


    Ich arbeitete in der Stelle der Touristeninformation in Żukowie.
    Das erste Mal lese ich über diese Legende.

    Das Kloster in Żukowie, schön.

  6. #6
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    Standard AW: [Zuckau]Eine Sage aus dem Nonnenkloster Zuckau

    Hallo Wolfgang
    Bin neu in diesem Forum (bin 59 Jahre alt und wohne am Bodensee Friedrichshafen) mir ist aufgefallen das der Name Zuckau /Langfuhr heute polnisch Zukowo bei dir gefallen ist . Meine Großmutter Gertrude Formella ist am 29.6.1906 in Zuckau geboren .Die Vornamen ihrer Eltern sind mir nicht bekannt. Hast du (ich darf doch du sagen)die Möglichkeit dies herauszufinden ?? besten Dank im voraus
    Gruß Wolfgang vom Bodensee

  7. #7
    Forum-Teilnehmer Avatar von Inge-Gisela
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    Standard AW: [Zuckau]Eine Sage aus dem Nonnenkloster Zuckau

    Hallo Wolfgang,

    ich finde, dass diese beiden Fotos zu der Sage passen, wenn es auch nicht die Wälder Zuckaus sind und es bis zum Vollmond noch etwas dauert. :-)

    Name:  wald.jpg
Hits: 271
Größe:  29.2 KBName:  dscf5255.jpg
Hits: 276
Größe:  83.1 KB

    Gruß
    Inge-Gisela

  8. #8
    Forum-Teilnehmer Avatar von Inge-Gisela
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    Standard AW: [Zuckau]Eine Sage aus dem Nonnenkloster Zuckau

    Hallo Wolfgang,

    und die Tränen sind auch auf ein Spinnennetz geflossen.

    Name:  dscf4430a.jpg
Hits: 220
Größe:  83.9 KB

    Gruß
    Inge-Gisela

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