Von Tiegenhof nach Fürstenwerder

Mittwoch, 07. Mai 2003

Um von Tiegenort nach Fürstenwerder zu fahren stehen mehrere Möglichkeiten zur Auswahl. Am zügigsten geht es auf der Schnellstraße Elbing-Danzig. Eine andere Strecke führt Richtung Steegen. In Tiegenort müsste ich dann die Abzweigung nach links über Scharpau und Brunau nehmen. Ein weiterer Weg wäre der über Beiershorst. Wie soll ich fahren? Ich hatte hier in Tiegenort kurz etwas zu erledigen, habe dann noch zwei Brote gekauft. Jetzt will ich zurück nach Fürstenwerder. Spontan entscheide ich mich dafür, über Beiershorst und Scharpau zu fahren. Das ist zwar nicht der schnellste Weg, aber ich will ja etwas sehen. Nach Verlassen Tiegenorts fahre ich ein paar hundert Meter auf der Schnellstraße nach Danzig und biege dann ab Richtung Scharpau. 5 Kilometer bis dorthin, sagt ein Hinweisschild. Ich komme an einen breiten Fluss, überquere ihn. Es müsste die Linau sein. Angler stehen entlang des Ufers, warten auf Bisse. Einer ist mit dem Auto gekommen, alle anderen auf Fahrrädern. Hier sind nur Felder zu sehen, Felder, Felder, Felder so weit das Auge reicht. Teilweise sind sie bereits bestellt und erstes Grün schafft einen lebendigen Kontrast zur braunen Ackerkrume. Schnurgerade durchschneiden alte Kopfweidenalleen die Landschaft. Sie säumen keine Strassen, keine Wege, sie folgen Entwässerungsgräben die in Sammelgräben münden oder sich in der Ferne verlieren. Durch die Bäume erhasche ich noch einmal einen Blick auf die dunkelblau leuchtende Linau. Hier spiegelt sich der Himmel in den Gewässern und lässt sie kristallklar erscheinen. Wird der Fluss auch im Sommer so rein wirken, wenn Pflanzen und Algen das Wasser grün schimmern lassen?

Die Gräben entlang der Straße sind frisch ausgehoben, die Kopfweiden geschnitten. Ein Ortseingangsschild. Wybicko. Beiershorst. Das Dorf besteht aus einer Ansammlung eingeschossiger Wohngebäude rechts der überteerten Kopfsteinpflasterstrasse, einer Bushaltestelle und einer Querstraße. Keine Menschenseele ist zu sehen, der Flecken scheint wie ausgestorben. Es ist 9 Uhr. Es geht weiter auf der Schlagloch übersähten Straße. Ein Bauer eggt auf lärmendem Traktor unendliche Felder. Hier ist die Straße alleenbestanden. Die alten Bäume werden in wenigen Tagen in vollem Laub stehen. In Scharpau (Szkarpawa) angekommen rappelt der Wagen über offenes Kopfsteinpflaster. Große verlassene Hallen am Ortsrand. Wurden sie früher von einer Kolchose genutzt? Kleine alte Häuschen auf der linken Seite, manche von ihnen bunt gestrichen. Rechts biegt die Straße nach Tiegenort ab, ich fahre gerade aus weiter. Wie im letzten Herbst wurden nun auch im Frühjahr Feldraine angezündet. Schwarze Flächen, angekohlte Kopfweiden, viele bereits abgestorben. Brunau ist in Sicht, grobes Kopfsteinpflaster zwingt zu langsamerer Fahrweise. Noch ein kleines Stückchen, dann bin ich wieder zurück in Fürstenwerder. Ein zweites Frühstück wartet auf mich. Mit frischem knusprigen leicht nach Hefe schmeckendem Brot das ich aus Tiegenhof mitbringe. Ich werde mir Zeit lassen. Viel Zeit. Und den Tag hier im Werder, hier an der Elbinger Weichsel, genießen.