Onkel, haste mal ein Ditchen?
so, oder ähnlich muß es wohl an einem Sonntag Nachmittag 1943 an der Endstation der Linie 4 in Heubude
geklungen haben.
Da waren doch zwei kleine Bengels und schnurrten aussteigende Passanten um ein wenig Kleingeld an.
Angeblich hatten sie ihr Geld für die Elektrische verloren und Mutteer wartet schon zu Hause.
Der Ältere der Beiden, das war mein Bruder Horst. Der Andere das war, ja ratet mal….
Wir durften also zum ersten Mal ohne die Obrigkeit, unsere Mutter, zum Strand.
Das war eine tolle Sache. Muttchen schmierte uns ein paar Stullen, gab uns das Fahrgeld und wir zogen los.
Stolz wie zwei Grenadiere.
Vom Schüssseldamm zum Hansa-Platz war es nicht weit. Mit Lust in der Brust ging es ab und wir genossen jede Minute,
denn ab heute waren wir ja „GROSS“
In Heubude angekommen ging es im Galopp zum Strand.
Wer wird Erster rief mein Bruder und rannte los.
Dass er das Rennen gewann, das war kein Wunder, denn erstens war er 2 1/2 Jahre älter als ich und außerdem hatte ich die große Ehre,
das Netz mit dem Handtuch und den anderen Utensilien zu tragen.
Aber was soll’s - wir genossen unsere Freiheit und das Wetter.
Die Stullen, die für den ganzen Tag reichen sollten, waren schnell gegessen.(Margarine mit Zucker)
Einer von uns kam dann auf die glorreiche Idee, man könnte sich ja einmal ein Eis gönnen.
Das Strand-Kaffee war für ein leckeres Eis bekannt. Eis schmeckte uns wirklich ausgezeichnet.
Die Kosten dafür waren allerdings nicht in unserem Budget einkalkuliert.
So stellte sich am Nachmittag automatisch die Frage, wie wir pünktlich nach Hause kommen sollten.
Horst sagte damals schon, „das schaffen wir“.
Er unterbreitete mir seine tolle Idee mit dem „Prachern“.
Das gefiel mir zwar nicht, aber ich übte Solidarität. Man konnte den Bruder ja nicht im Stich lassen.
Also, wir machten uns auf den Weg zur Endstation.
Es dauerte gar nicht lange und wir erwarteten mit Spannung die nächste Strassenbahn.
Alle aussteigende Fahrgäste hatten es eilig und es war gar nicht so einfach, einen solventen
Ansprechpartner zu finden.
Aber es klappte und so schaute ich etwas verschämt und schuld bewusst den Mann von unten an.
Ist was Kleiner? Kam seiner Frage. Ja - Onkel, haste mal ein Dittchen? Ich habe mein Fahrgeld verloren.
Wo mußte denn hin kam die Frage - zum Schüsseldamm, sagte ich.
Soso zum Schüsseldamm, ja - und meine Mama wartet schon.
Das muß wohl gewirkt haben. Ich bekam kein Dittchen, sondern 2 von der Sorte.
Auch Horst war nach einiger Zeit erfolgreich.
Aber da war ja aber immer noch das Strand-Kaffee - erinnerten wir uns. Gab es da nicht solch ein tolles Eis?
Also - zurück, marsch-marsch und im Handumdrehen hatten jeder eine Tüte mit dem ach so leckeren Eis.
Genüsslich verputzten wir das von Anderen spendierte Eis und marschierten so gestärkt zu Fuß in Richtung „Heimat“.
Allerdings nicht ohne einen Abstecher zum Heid-See gemacht zu haben.
Eine kurz Rast und dann ging es endgültig nach Hause.
Dort angekommen waren zwei Danziger Bengel froh, aber kaputt wie zwei geprügelte Hunde.
Der Mutter erzählten wir von unserem Abenteuer erst später. Ich glaube aber, dass das Schimpfen
nicht ganz ernst gemeint war. Sie hatte so einen Gesichts-Ausdruck, als wäre sie auch etwas stolz auf ihre Söhne.
Aber schön war es doch, sonst wäre es bestimmt bei mir in Vergessenheit geraten.