von Heinz Albert Pohl
Lübeck 1992
aufgearbeitet von Heinz Mandey.
Mein Heimatdorf erzählt.
Auch in diesem Jahr machte ich während meines Urlaubs an der Danziger Bucht wieder einen Abstecher nach Neukirch.
Am Dorfschild Nowa Cerkiew" blieb ich stehen und sagte:,, Guten Morgen Neukirch!" Das Dorf antwortet.,, Leider heiße ich nicht mehr so,fremde Menschen sind gekommen und haben mich einfach umgetauft,ohne mich zu fragen.Aber ich hätte sie doch nicht verstehen können;denn sie sprechen eine ganz andere Sprache. Meine echten Dorfkinder haben jetzt viele Stiefgeschwister bekommen, wer hätte das je gedacht!" ,,Du hast recht,mein liebes Dorf,das alles ist nicht schön aber ich bin gekommen, um dir zum Geburtstag zu gratulieren. du bist doch <650 Jahre>alt geworden",, Ich freue mich,daß du daran gedacht hast, lieber Heinz; aber traurig ist doch,das nur du allein dich an meinen Ehrentag erinnert hast,obwohl doch noch so viele meiner echten Dorfkinder leben." ,,Mach dir nichts daraus, liebes Dorf, sei wieder fröhlich und erzähle mir etwas aus deinem sehr langen Leben !" das will ich gern tun,"sprach das Dorf ,ich werde ganz von vorne beginnen;Als ich geboren werden sollte, gehörte dies Land bis an die Nogat und außerdem auch noch der Nehrungsstreifen den Herzögen der Pommerellen. Der Ritterorden hat das Gebiet ab der Nogat bis kurz vor Litauen, das heutige Ostpreußen, den heidnischen Pruzzen weggenommen. Man hatte diese zwar im Christlichen Sinne bekehrt: aber die Bürger der älteren Dörfer erzählten mir, das viele, die an diesem <<Bekehrungskreuzzügen>>teilgenommen hatten, nur auf große Beute, rauschende Feste und den Ritterschlag aus waren, als aus den Pruzzen gute Christen zu machen. So eignete sich der Orden dann auch den StreifenLand zwischen Weichsel und Nogat an, und später erwarb er dann dies Stückchen Land.,also das Werdergebiet, von den Pommerellen. Hier wurde ich dann im Jahre 1342 als Dorf >>Nuvekirch>>unter dem Orden geboren, vor mir schon viele andere Dörfer,meine älteren Geschwister, und nach mir auch noch viele, meine jüngeren Geschwister. Das Land war hier zuerst wegen der vielen Wasserflächen sehr morastig, doch jetzt ist der Boden recht fruchtbar. Der Orden hatte auf seinen Kreuzzügen im Orient die Wasserschöpfräder kennen gelernt und sie hier im Werder nutzbrigend angewandt, in das Be-und Entwässerungssystem über Gräben, Vorfluten in Verbindung mit Sielen:auch die kombinierten Wasser-Windmühlen trugen mit dazu bei.Durch die vielen Deichbrüche in und bei Neukirch habe ich mächtige Wasserfluten über mich ergehen lassen müssen, bei denen viele Menschen und Tiere ertrunken sind. Ganze Höfe gingenverloren , sehr viele Besitzer gaben auf, zogen fort;aber neue Siedler kamen. Unser Land wurde verwüstet, es bildete sich wieder Morast, auch ich war fast verloren,da kam im Jahre 1772 ein preußischer König.Jetzt ging es aufwerts mit mir, ich wurde ein großes Dorf mit zwei Kirchen, vielen reichen Bauern und bekam auch einen neuen Namen. von nun an hieß ich <<Neukirch>> Die Mennoniten, die hier Zuflucht gefunden hatten brachten aus ihrer hollendischen Heimat Kentnisse über Wasserbau mit und konnten sich deshalb in den noch großen Feuchtgebieten ansiedeln. Alle waren für die Instandhaltung und Setzung der Deiche und Gräben verantwortlich und auch verpflichtet, Eiswachen zu halten. Der Wirtschaftliche Aufschwung begann mit dem Bau des Straßennetzes, der Brücken und der Kleinbahn. Als der große Deichbruch östlich der Nogat geschah, wurde beschlossen, ab Einlage bis Nickelswalde einen Weichseldurchstich zuschaffen. Durch den überraschenden Durchbruch der Weichsel bei Neufähr wurde dieser Plan beschleunigt.Die Nogat wurde jetzt von der Weichsel abgeschottet ebenso die Elbinger und Danziger Weichsel.Nachdem dann die Stromweichsel begradigt wordenwar konnte der Jahrhundertbau, der Durchstich zwischen Siedlersfähre und Nickelswalde , gemacht werden.viele haben an diesem gewaltigen Bauwerk mitgearbeitet, ich will hier nur die Fa. Philip Holzmannmit Namen erwähnen. Sie hatteschon den Nord-Ostsee-kanal gebaut und konnte den Durchstich überhaupt nur möglich machen, da sie viele Fachkräfte und einen großen Maschinenpark besaß.Zum Glück waren jetzt die Zeiten der Hochwasser-Überschwemmungen vorbei, durch die oft ganze Ernten vernichtet und Menschen fast zur Verzweiflung gebracht worden waren.Ein lehrer hat in seinen Erinnerungen niedergeschrieben, daß er bei seiner Versetzung nach Stutthof die Möbel gerade in der neuen Wohnung aufgestellt hatte, als er auch schon mit einem Kahn von der Wohnstube in die Küche fahren konnte. Der ritterorden hatte zu der zeit einen wirtschaftlichen Aufschwung genommen; aber wie ich von einigen Nachbardörfern erfahren habe-hat er durch seine harten Abgaben viel Unheil über die Menschen und uns Dörfer gebracht. Einige haben sich deswegen vom Orden losgesagt und sich der polnischen Krone untergeordnet, weil diese zu der Zeit hummaner war. Doch es dauerte nichtlange, da holte sich der Orden die verlorenen Gebiete zurück. Dabei wurden viele Dörfer und felder verwüstet, vieles sogar niedergebrannt, so daß der Himmel vom Rauch ganz blau war. Die Kinder, die den Ernst der Lage noch nicht ganz verstehen konnte, sangen den Rein<<In Pordenau,da ist der Himmel blau, da tanzt der Ziegenbock mit seiner Frau>> Gegen den Orden wandte sich auch der ogenannte<<Eidechsenbund>>ein Geheimbund einiger Adliger im Süden des Ordensstates. Er stellte sichauch auf die seite der Polen und ihrer Verbündetten und war in der Schlacht bei Tannenberg vieleicht<<das Zünglein an der Waage>> Ach, was erzähle ich die da alels, lieber heinz aber durch dich sind all die alten Erinnerungen wieder wach geworden. Ich weiß ja auch das dich das interessiert; denn du hast ja schon zweimal über mich, das Dorf Neukirch,und wohl jeweils einmal über meine Mitdörfer Barendt,Schöneberg,Nickelswals,Schönbaum, und Pröbbernau Artikel, Abhandlungenund Bücher geschrieben. Das haben mir nähmlich meine Mitdörfer erzählt, und jetzt, so erfuhr ich, fast duaus Kirchspiel Kobbelgrube-Steggen eine Kirchengeschichte zusammen, die vieleicht schon indiesem jahr fertig wird.Ich finde das ganz toll, lieber Heinz, daß du dich so für das Andenken an deine Heimatdörfer einsetzt.Sicher bist du manchmal enttäuscht worden durch das mangelnde interesse vieler anderer Dorfkinder; aber laß dich dadurch nicht entmutigen, sondern mach weiter so!" Vielen dank, liebers Dorf für dein Verständnid und dein gutes zureden. manchmal war ich wirklich sehr im Zweifel. ob ich all meine Mühe wirklich lohnt;aber ich werde nun doch noch etwas durchhalten und weitermachen. Auf Wiedersehen bis zu meinem nächsten Besuch."
von Heinz Albert Pohl
aufbereitet v. Heinz mandey
Sei fröhlich,den es ist später als Du denkst.