aus: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 97, 3. Dezember 1904
Die evangelische Kirche in Zoppot
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Ev. Kirche Zoppot - Nordost-Ansicht
Die in den Jahren 1900 bis 1901 erbaute evangelische Kirche in dem Seebadeort Zoppot bei Danzig [ ..... ] hat eine bevorzugte, den Ort und die See beherrschende Lage auf dem unweit des Bahnhofes am Markt und an der Seestraße gelegenen so genannten Seeberge erhalten. Der Turm mit den Haupteingängen liegt nach der Marktseite, der Chor nach der Seeseite, die Sakristei mit hoher Freitreppe nach der ziemlich steil abfallenden Seestraße.
Die Kirche enthält zu ebener Erde 656, auf der Orgelempore 128, im Ganzen 784 Sitzplätze. Da die Gemeinde im Wachsen begriffen ist, wurde der spätere Einbau von Seitenemporen vorgesehen, welche Raum für weitere 300 Sitzplätze bieten werden.
Auf einem mit Granitfindlingen verblendeten Unterbau, welcher an der Seestraße eine stattliche Höhe erreicht, erhebt sich das aus roten Ziegelsteinen von 10 cm Schichthöhe errichtete, reich gegliederte und mit Putzblenden belebte Bauwerk. Die Architekturformen schließen sich den mittelalterlichen Baudenkmälern Westpreußens und im Besonderen denen Danzigs an. Die Fenster erhielten schräge geputzte Leibungen, die Abdeckungen der Wasserschläge bestehen aus klinkerharten Schrägsteinen. Der Unterbau der nach Westen gelegenen Turmfront ist bis etwa 15 m Höhe gleichfalls mit Granit verblendet worden. Die Dächer sind mit Mönchen und Nonnen eingedeckt, der Turmhelm mit Kupfer. Die Maueranschlüsse sind unter Vermeidung von Metall durch stark ausladende Schrägsteine hergestellt. Die Decke des Kirchenschiffes wird durch eine in den Dachraum geführte kleeblattförmig gestaltete Holzdecke gebildet, in welche beiderseitig drei Stichkappen für die höher liegenden Schiffsfenster einschneiden. Die Vorhallen, Treppenhäuser und der für Danziger Kirchen bezeichnende platte Chor sind gewölbt, desgleichen der durch die eigenartigen Höhenverhältnisse unter der Sakristei gewonnene Raum für Versammlungszwecke der Gemeinde. Die Dachbinder werden zur Erzielung eines reicheren Wechsels der Felderteilungen gekuppelt angeordnet. Der Schub des Dachverbandes wird durch doppelte Holzzangen sowie in Höhe des Hauptgesimses durch eiserne Zugstangen aufgehoben. Der Fußboden hat auf einer durchgehenden Betonschicht in den Gängen, im Chorraum, in den Vorhallen und in der Sakristei
gemusterte Tonfliesen und unter dem Gestühl einen Kiefernfußboden auf Schwellen erhalten. Die Treppen zu der Empore sowie die Freitreppen sind aus Granit hergestellt.
Ev. Kirche - Grundriss
Die vom Kaiser und von der Kaiserin sowie von einzelnen Gönnern und Mitgliedern der Gemeinde geschenkten Chor- und Schiffsfenster haben reiche Darstellungen aus der biblischen Geschichte erhalten. Sie sind von dem Glasmaler de Contini in Brüssel gefertigt. Die Wandflächen sind mit Käsefarbe gestrichen und mit Ausnahme des reicher behandelten Altarraumes in einfacher Weise ausgemalt worden. Die Decke und sonstige Holzteile sowie das Gestühl wurden lasiert und zum Teil farbig behandelt. Der auf gemauertem Unterbau ruhende reich geschnitzte Altaraufsatz mit dem gekreuzigten Christus sowie die Kanzel bestehen aus Eichenholz, desgleichen die äußeren Eingangstüren. Die Kirche besitzt ferner eine schöne Orgel, drei Glocken aus Bronze und eine Uhr mit vier weithin sichtbaren Zifferblättern. Zur Beheizung der Kirche dient eine Feuerluftheizung, welche in dem unterkellerten Altarraum untergebracht ist, die Beleuchtung erfolgt durch Kerzen mittels zweier reich geschmiedeter Kronen und mehrerer Wandarme.
Ev. Kirche - Nordansicht
Das Gebäude bedeckt einen Flächenraum von rd. 620 qm und umschließt, den Turm einbegriffen, rd. 6.500 cbm. Die Ausführungskosten haben einschließlich der Futtermauer an der Seestraße, der Orgel, Glocken und innerer Ausstattung etwa 135.000 Mark betragen, so dass sich 1 qm bebaute Fläche auf 217,7 Mark und 1 cbm umbauten Raumes auf 20‚8 Mark stellt. Bei 784 Sitzplätzen beträgt der Einheitspreis für den Platz 172,2 Mark. Von der Bausumme entfallen etwa 30.000 Mark auf die Einrichtung einschließlich Geläute und Turmuhr und 6.000 Mark auf Bauleitungskosten.
Die Ausarbeitung des Entwurfes und die Ausführung des Baues erfolgten unter Zugrundelegung einer von dem Geheimen Regierungsrat v. Tiedemann in Potsdam aufgestellten Entwurfskizze und unter Oberleitung desselben durch den Unterzeichneten, dem für die örtliche Leitung der Architekt Riemasch in Zoppot beigegeben war.
Berlin - Kickton, Landbauinspektor
Ev. Kirche - Nordansicht
Viele Grüße
Peter