Aus „Unser Danzig“, 01. Juni 1958, Nr.11, Seite 7
Der erste Luftangriff auf Danzig
von Karl-Heinz Jarsen
Wer von uns Danzigern denkt noch an jenen Überraschungsangriff britischer Bombenflugzeuge im Juni 1942? Es war ein friedlich milder Abend, der nichts Schlimmes ahnen ließ. Gegen neun Uhr heulten die Luftschutzsirenen, und schon erfolgte die erste dumpf dröhnende Detonation. Verblüfft eilten wir in den Keller. Und wieder das dumpfe Dröhnen. Dann belferte die Flak. Mein Vater öffnete die Kellertür, durch die man auf den Hof gelangte, und schaute schräg empor zum Abendhimmel. Ich drängte mich neben ihn, erspähte jetzt einen neuen Bombenwurf in Richtung Breitenbachbrücke; das Flugzeug jedoch war nicht zu erkennen. Das Bellen der Flak mischte sich mit den Bombeneinschlägen. Plötzlich wurde es ruhig. Wir warteten, da wir annahmen, dass eine zweite Bomberstaffel ihre Tod und Verderben bringende Last über unser Danzig abwerfen werde. Aber nichts dergleichen geschah. So schnell wie er begonnen, war der Angriff vorüber. Wir verließen den Keller, noch bevor die Sirene Entwarnung meldete. Hier und da stiegen Rauchschwaden hoch, Feuerwehr- und Sanitätswagen rasten durch die Stadt. Niemand dachte daran, sich schlafen zu legen. Draußen, auf dem Gehsteig, trafen wir Nachbarn, die erregt den Überfall besprachen, der jeden von uns bestürzte, waren wir doch bisher vom Krieg verschont geblieben. Eine Familie, die gegen neun Uhr aus einem Kino kam und gut gelaunt nach Hause gehen wollte, hatte sich in der Langgasse in einem Hauseingang stellen müssen, schreckensbleich und verstört. Andere wiederum erreichte das Sirenensignal beim Abendspaziergang.
Obwohl Gerüchte schwirrten, erfuhren wir erst am nächsten Morgen, wo die Bomben getroffen und welchen Schaden sie angerichtet hatten. Ziel der Kampfflugzeuge waren zweifellos: der Bahnhof, die Werften, der Hafen, das Elektrizitätswerk, wichtige Brücken. Die Bomben aber, ungenau geworfen, zerstörten und beschädigten fast ausschließlich Privatwohnungen, zum Beispiel Ecke Plankengasse und Stiftwinkel; sie zertrümmerten die Kinderstation des Diakonissenkrankenhauses auf Neugarten, verletzten und töteten zahlreiche Patienten. Einige Bomben waren ins freie Feld gefallen. Soweit man vernahm, hatten die Werften Treffer zu verzeichnen, ebenso mehrere Kriegsschiffe, die im Hafen vor Anker lagen. Hier, wie bei der Zivilbevölkerung, gab es Tote und Verwundete.
Der Luftschutzwarndienst und die Flak waren nicht benachrichtigt worden, sie traten erst in Tätigkeit, als die Bomben bereits niedersausten. So sorglos hatte man bis dahin in Danzig gelebt. Der Angriff war der erste und blieb bis zum Jahre 1945 auch der letzte. Dann aber raste die Kriegsfurie um so schlimmer über unsere Heimatstadt, um sie völlig zerstört zurück zu lassen.
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Kleine Anmerkung: Einleitend heißt es in diesem Beitrag "Wer von uns Danzigern denkt noch an jenen Überraschungsangriff britischer Bombenflugzeuge im Juni 1942?" Das Datum ist falsch. Der erste Angriff erfolgte am 12. JULI 1942.
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Wolfgang