Schönen guten Abend,
tja, wer einmal einen Ausflug tut, der kann etwas erzählen ...
Heute Nachmittag nahm ich mir als momentaner Strohwitwer -meine Frau ist auf einer Veranstaltung für Kieferorthopäden in Warschau- vor, einen kleinen Ausflug nach Kobbelkampe, besser gesagt zwischen Kobbelkampe und Bodenwinkel zu unternehmen, dort wo die Königsberger Weichsel in das Frische Haff mündet.
Ruck, zuck, meinen Schäferhund "Maja" (Majeczka) auf die Ladefläche des Sharans verfrachtet, und dann gings los. Über Nickelswalde komme ich nach Steegen und erstmals dort, auf dem Weg nach Stutthof bemerke ich "Straßenkontakt" wenn ich über eine Bodenwelle oder durch ein Schlagloch fahre. Ich vermute, dass sich wieder mal ein kleiner Ast oder sonst irgend etwas unter dem Wagen verfangen hat, nehme mir vor, beim nächsten Halt nachzuschauen.
Ich komme nach Stutthof, folge der alten Danziger Straße Richtung Königsberger Weichsel, biege kurz vor ihr links ab. Wir haben heute traumhaftes Wetter, kristallklarer blauer Himmel, eine frische Brise aus Nordwest, Temperatur knapp über Null, also nicht zu kalt. Die strohfarbene Landschaft -alle Wiesen, das Schilf- leuchtet in warmen Farben die in seltsamem Kontrast zum eiskalten Blau des Himmels stehen.
Bis Kobbelkampe ist der Weg noch recht anständig. Asphalt, kaum Schlaglöcher, auch wenn bei Gegenverkehr die Geschwindigkeit deutlich reduziert werden muss. Direkt nach dem Ortsschild "Kobyla Kepa" (Kobbelkampe), dort finden sich gerade mal drei, vier Häuser, führt die Straße "bergauf", den Deich hoch - vielleicht 1,5 Meter
Eine kleine Anmerkung muss ich doch los werden. Gestern war ich mit meiner Mutter in Tiegenhof einkaufen. Auf der Rückfahrt sagte ich ihr, ich liebe das Werder, die flache Landschaft, die einen ungehinderten Blick bis an den Horizont erlaubt. Ich fände es spannend, sagte ich meiner Mutter, so viel Abwechslung zu sehen. Meine Mutter schaute mich fast entgeistert an, und sagte nur, sie fände die Landschaft so ziemlich langweilig. Tja, meinte ich dann, bei mir kommt das "Werderkind" eben stärker durch als bei Dir!
Hinter Kobbelkampe, der Weg führt permanent ganz direkt an der Königsberger Weichsel entlang, ist "Tote Hose". Zwar wunderschön leuchtende Farben, machmal ein herrliches tiefdunkles Blau der Königsberger Weichsel -wenn man mal einen Blick über den Deich erhascht-, aber noch keine Gänse, Komorane, Schwäne, Störche. Der Weg wird abenteuerlich. Betonplatten, aneinander gelegt. "PENG" macht es das erste Mal, kurz darauf ein zweites Mal "PENG". Irgend etwas schlägt gegen den Wagenboden. Gut, der Weg ist zwar wie seit Urzeiten schlecht, aber die Betonplatten liegen fest, ich kann kaum einen Kontakt mit ihnen gehabt haben. "PENG" ein drittes Mal und dr, drr, drrr, drrrr - der Motor geht aus, lässt sich nicht mehr starten. Ich mitten auf der "Hauptstraße" nach Bodenwinkel, glücklicherweise keine Gegenverkehr, auch keiner hinter mir - wer wollte denn bitteschön auch schon kommen?
Ich steige aus, schau was unter dem Auto los ist, und bekomme einen Schreck. Die Benzinleitung hängt nach unten, der Benzinfilter dicht über der "Straße", undicht, es tropft. Gut, da lässt sich wenig machen. Zuerst würge ich den Wagen mittels Anlasser von der Straße halbwegs weg, auf einen Streifen braun vertrockneten Grases. Dann Wagenheber raus, das Auto ein bisschen hochgebockt, und das Malheur wird vollkommen sichtbar. Die Halterung für den Benzinfilter ist gebrochen, er hing an der Benzinleitung nach unten, hatte mehrfach Kontakt mit den Betonlatten, ist aufgeplatzt wie eine zerdätschte Konservendose. Glücklicherweise habe ich ein langes Stück dicken Drahtes mit mir und kann die nach unten hängende Konservendose halbwegs so fixieren dass auch kein Benzin mehr ausläuft.
"So ein Schiet", denke ich mir, aber trotzdem kein Problem. Rufe ich halt mal geschwind meinen Freund Zbyszek an, der vorbeikommen oder einen Abschleppdienst organisieren soll. Oder vielleicht meine Frau. Oder vielleicht lieber nicht, weil ich von ihr garantiert zu hören bekomme "ich hab's Dir schon hundert Mal gesagt, so wie Du fährst, passiert bestimmt mal was!" Ich suche das Handy, finde es nicht. Weder in den Hosentaschen, noch in der Hemdtasche und auch nicht im Anorak. Dann fällt mir ein, es liegt zu Hause, am Ladegerät.
Verflucht und drei, jetzt muss ich auch noch los laufen um Hilfe zu bekommen! Ich schnappe mir Maja, meinen Schäferhund -irgendwer muss ja auf mich aufpassen wenn meine Frau nicht mit mir ist - und marschiere los. Richtung Stutthof. Nach einem kleinen Weilchen komme ich an ein relativ neues Haus. Direkt vor dem Gebäude etliche Sandsäcke am Deich. Ich stelle mir wieder mal vor, wie das alles absäuft, wenn es bei starkem Nordost einen Haffstau gibt, der mit Urgewalt das Wasser zwei Meter über Normal Null in die Königsberger Weichsel drückt. Dann ist aber Land unter! Ob dann die Sandsäcke nutzen? Das Wasser geht dann bis hinter Stutthof.
Ich gehe zu dem Haus, klingel, eine junge freundliche Frau öffnet. Ich frage sie auf polnisch ob sie deutsch oder englisch spricht. Nein. Nu ja gut, muss ich eben polnisch sprechen. Und ich werde auch verstanden. Ich sage, ich hätte Probleme mit meinem Wagen, da oben -ich zeige mit der Hand die Richtung (überflüssigerweise, es gibt nur eine), und ob sie vielleicht einen Autoservice oder Abschleppdienst rufen könne. Moment, Moment, sagt sie, ich rufe meinen Mann. Kurz darauf kommt er, freundlich, neugierig, hilfsbereit. Was denn sei, fragt er. Ich sage ihm, dass es Probleme mit der Benzinleitung gäbe. Er sagt, er wolle sich das ansehen. Wir stapfen durch die herrlich frischkalte Vorfrühlings-Werderlandschaft zum Auto. Er schaut es sich an, sagt er habe in Stutthof eine Autowerkstatt, und er könne mich dorthin abschleppen. Vielleicht könne er das auch gleich reparieren.
Er läuft zu seinem Haus zurück, kommt mit seinem Wagen, fährt vorsichtig an mir vorbei, nimmt mich (bzw. meinen Wagen) an einem schier armdicken Hanftau an den Schlepphaken. Und dann geht's los, durch die Prairie, querfeldein (rückwärts geht's ja nicht mehr), auf verschlungenen Treckerpfaden zurück nach Stutthof. Mir wird angst und bange, das Tau zwischen unseren Autos ist gerade mal zwei Meter kurz, und wenn der Jung abrupt abbremsen sollte, dann sitz ich ihm im Arsch, weil mangels Motor der Bremskraftverstärker nicht arbeitet. Aber nichts passiert. Er fährt schnell, aber immer dann wenn ein Bremsmanöver bevorsteht, vermindert er schon lange vorher die Geschwindigkeit.
In Stutthof angekommen fährt er sofort zur Werkstatt. Wir schieben den Sharan in eine Fahrzeughalle, er bockt ihn auf, schaut sich alles an, geht kurz weg, kommt einen Moment später mit einem neuen Benzinfilter, löst die Klemmen am alten, montiert den neuen, lässt den Wagen wieder von der Hebebühne. "Ile?", wieviel?, frage ich? Hundert Zloty! Es ist kaum zu fassen. Ich habe dem guten Mann den Sonntag Nachmittag vermasselt, er schleppt mich ab, repariert den Wagen mit einem neuen Benzinfilter und will dann gerade mal knapp 25,00 Euro haben. Ich falle ihm zwar nicht um den Hals, aber ich ziehe ein ganzes Stück mehr Geld aus der Hosentasche.
Ich frage ihn dann noch nach seiner Visitenkarte. So viel Hilfsbereitschaft muss öffentlich gemacht werden. Der gute Mann heißt:
Michal Nowak in Stutthof
Tel. 509 457 242
Wenn mal einer von Euch Probleme mit dem Wagen im Werder haben sollte, Michal Nowak hat meine Empfehlung.
Herzliche Grüße aus dem frostigen Werder
Wolfgang