Danzig, Am Stadtgraben
Ja, da läuft man nun so viele Jahre durch die Straßen einer schönen alten Stadt - ohne diese Schönheit wahrzunehmen. Es war etwas so Selbstverständliches, das man erst sieht, bzw. schätzen lernt, wenn es verloren ist.
Meine Eltern, ich (Jahrgang 1931) und meine drei jüngeren Brüder, haben zuerst in Danzig Pfefferstadt 78 gewohnt und sind dann 1937 in das Haus meines Vaters, Am Stadtgraben 16, umgezogen.
An die Wohnung Pfefferstadt kann ich mich fast garnicht erinnern, außer an ein Ereignis, das im Jahre 1936 stattfand, nämlich die Fahrt des Zeppelins "Hindenburg" über Danzig, der ja später in Lakehurst abstürzte. Ich stand gerade auf dem Balkon und da sah ich etwas Riesiges und Unheimliches am Himmel - nämlich diesen Zeppelin.
Ich besuchte zuerst die Volksschule Schwarzes Meer und dann die Rechtstädtische Mädchen-Mittelschule. Mein älterer Bruder erst die Volksschule Baumgartsche Gasse und dann das Gymnasium am Hansaplatz.
Meine Erinnerungen an eine schöne Kindheit verbinden sich mit dem Stadtgraben.
Wenn man damals aus dem Bahnhof herauskam, war man auch schon auf dem Stadtgraben mit seinen schönen Bürgerhäusern und wenn man nach links schaute, sah man unser Haus. An der Ecke war die Filiale Mix, wo es die wundervollen Himbeer- und Blümchenbonbons gab.
Wir wohnten im dritten Stock und blickten auf den Bahnhof, dahinter auf die Promenade und den Hagelsberg. Oft spazierte meine Mutter mit uns über die Promenade, an dem Stift und am Schützenhaus vorbei. Im Schützenhaus wohnte eine Freundin von mir und ab und zu war ich auch dort in dem großen Garten.
Im Winter sind wir mit dem Schlitten den Hagelsberg hinuntergefahrfen. Später ging das dann nicht mehr, weil oben auf der Plattform die Flak stationiert war. Vom Balkon rechts blickend, Richtung Olivaer Tor, sah man die Frauenklinik Dr. Dowig. Dort sind meine beiden jüngsten Brüder geboren worden.
Dann die herrliche Allee, die bis nach Langfuhr ging, und der Steffenspark. Garnicht weit weg von unserem Haus. Auch dort waren wir viel. Manchmal endete der Spaziergang auch in dem Café in der Halben Allee, wo es einen köstlichen Apfelkuchen gab.
Nach Heubude fuhren wir immer von der Straßenbahnhaltestelle Hansaplatz aus. Die Bahn war da noch leer, aber, wenn es zurückging, brechendvoll. In den 90er-Jahren waren wir Danzig und man sah noch das Rund der Straßenbahnschienen in Heubude. Manchmal konnte man dort auch den "schuckernen Bruno" erleben, der in schwarzem Anzug und weißen Handschuhen den Verkehr regelte. Vielen Danzigern in Erinnerung.
Jeden Sommer hatten meine Eltern einen Strandkorb gemietet. Wir hatten für die Schulferien Ferienkarten, so dass wir viel in Heubude waren. In der Strandhalle gab es heißes Wasser in Bunzlauer Kannen und man konnte seinen Kaffee aufbrühen und dazu Mitgebrachtes essen.
Aber ab und zu war ich auch mit meinem Vater am Sonntag Vormittag im Heubuder Kurhaus und ich bekam ein Heißgetränk, an dessen Geschmack ich mich noch heute erinnern kann.
Der schöne Lange Markt mit dem Neptunsbrunnen und dem Artushaus. Wichtig für uns Kinder war die Eisdiele Toscani. Unser Kinderarzt, Dr. Adam, und der Ohrenarzt, Dr. Schulz, hatten ihre Praxen auch am Langen Markt.
Die Langgasse mit dem Kaufhaus Sternfeld. Ich kann mich noch an eine Einrichtung auf der Langgasse erinnern, wo man aus Automaten Getränke ziehen konnte. War damals für uns sehr beeindruckend.
In den Kinos Ufapalast und Tobispalast habe ich viele Märchenfilme sehen dürfen.
Unsere Verandten wohnten in Oliva und Langfuhr. Endlose Spaziergänge machten unsere Eltern mit uns durch den Olivaer Wald nach Jäschkental und Freudental. Der Olivaer Schlosspark ist mir in Erinnerung mit der Flüstergrotte.
Mir fällt noch Vieles ein. Es war eine wunderbare Zeit, die durch den Wahnsinn eines Menschen namens Adolf Hitler und seinen Helfern abrupt beendet wurde.
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